Rz. 79

Wenn der Arbeitnehmer gegen die ordentliche Kündigung des Arbeitgebers geklagt und das Arbeitsgericht festgestellt hat, dass die Kündigung unwirksam war, besteht nach wie vor ein wirksames Arbeitsverhältnis. Er kann dann aber nach § 9 Abs. 1 Satz 1 KSchG beantragen, das Gericht möge durch Urteil das Arbeitsverhältnis auflösen, vorausgesetzt, die Fortsetzung ist ihm nicht zuzumuten.

 

Beispiele

Dem Arbeitnehmer ist die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses insbesondere in folgenden Fällen nicht zuzumuten[1]:

  • Durch unzutreffende, ehrverletzende Behauptungen des Arbeitgebers über die Person oder das Verhalten des Arbeitnehmers ist das Vertrauensverhältnis zwischen beiden unheilbar zerrüttet.
  • Das Kündigungsschutzverfahren über eine offensichtlich sozialwidrige Kündigung seitens des Arbeitgebers ist mit einer derartigen Schärfe geführt worden, dass der Arbeitnehmer mit einem schikanösen Verhalten des Arbeitgebers und der anderen Mitarbeiter rechnen muss, wenn er in den Betrieb zurückkehrt.
  • Es steht fest, dass der Arbeitgeber ungeachtet der Rechtsauffassung des Gerichts sich auf jeden Fall von dem Arbeitnehmer trennen will und offensichtlich beabsichtigt, mit derselben oder einer beliebigen anderen Begründung solange Kündigungen auszusprechen, bis er sein Ziel erreicht hat. Unzumutbarkeit ist jedoch nicht allein deshalb gegeben, weil der Arbeitgeber nach dem der Klage stattgebenden Urteil 1. Instanz im Kündigungsschutzprozess nunmehr aus seiner Sicht unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut kündigt.

§ 9 Abs. 1 Satz 1 KSchG findet im Rahmen einer Klage gegen eine Änderungskündigung weder unmittelbar noch analoge Anwendung.[2]

 

Rz. 80

Der Arbeitgeber kann die Auflösung nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG beantragen, wenn eine zweckdienliche Zusammenarbeit nicht mehr zu erwarten ist.[3] Auflösungsgründe können solche Umstände sein, die das persönliche Verhältnis zum Arbeitnehmer, eine Wertung seiner Persönlichkeit, seiner Leistung oder seiner Eignung für die ihm gestellten Aufgaben und sein Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern betreffen. Die Gründe können, müssen aber nicht im (schuldhaften) Verhalten des Arbeitnehmers liegen.

Ein Arbeitnehmer darf unternehmensöffentlich Kritik am Arbeitgeber üben und sich ggf. auch überspitzt oder polemisch äußern. Er darf im Laufe des Prozesses auch starke, eindringliche Ausdrücke und sinnfällige Schlagworte benutzen. Nicht gestattet sind dagegen Formalbeleidigungen, Schmähkritik oder leichtfertige Tatsachenbehauptungen, deren Unhaltbarkeit ohne Weiteres auf der Hand liegt.[4]

Der Arbeitgeber kann die Auflösung auch dann beantragen, wenn er zu den entstandenen Spannungen mit beigetragen hat. Dies gilt nur dann nicht, wenn seine Anteile an den Ursachen der Spannungen überwiegen oder er die Auflösungsgründe geradezu provoziert hat.[5] Der Antrag des Arbeitgebers bedarf keiner Begründung, wenn das Arbeitsverhältnis mit einem leitenden Angestellten aufgelöst werden soll (vgl. § 14 Abs. 2 Satz 2 KSchG).[6]

 

Rz. 81

Im Fall einer unbegründeten außerordentlichen Kündigung kann nur der Arbeitnehmer die Auflösung beantragen, vgl. § 13 Abs. 1 Satz 3 KSchG. Gleiches gilt im Fall einer sittenwidrigen Kündigung, § 13 Abs. 2 KSchG.[7]

 

Rz. 82

Für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses ist nach § 9 Abs. 2 KSchG der Zeitpunkt festzusetzen, zu dem die objektiv zutreffende Kündigungsfrist geendet hätte. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber sie nicht eingehalten und der Arbeitnehmer dies im Rechtsstreit nicht gerügt hat.[8]

[1] Vgl. Übersicht in BAG, Urteil v. 27.3.2003, 2 AZR 9/02 sowie Arnold, § 9 Rz. 42 ff.
[3] Einzelheiten bei Arnold, § 9 Rz. 49 ff.; ausführlich auch Holthausen/Holthausen, NZA-RR 2007, 449 ff.; Gravenhorst, NZA-RR 2007, 57 ff.
[6] Einzelheiten bei Rambach, § 14 Rz. 36.
[7] S. Stelljes, § 13 Rz. 16 ff. und 24 ff.

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