Rz. 9

§ 628 Abs. 2 BGB räumt dem durch das vertragswidrige Verhalten des anderen Teils veranlassten Kündigenden einen Anspruch auf Ersatz des ihm durch die Beendigung des Dienstverhältnisses entstehenden Schadens ein. § 628 Abs. 2 BGB ist dabei eine Spezialregelung für materielle Schadensersatzansprüche wegen Auflösungsverschuldens infolge nicht ordnungsgemäßer Beendigung des Arbeitsverhältnisses, hinter die andere Anspruchsgrundlagen aus Vertrag oder unerlaubter Handlung zurücktreten.[1] Ausgeschlossen werden insbesondere Ansprüche wegen Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB), aus Pflichtverletzung (§ 280 Abs. 1 BGB) oder unerlaubter Handlung (§ 823 Abs. 1 BGB).[2] § 628 Abs. 2 BGB ist jedoch dispositiv, d. h. die Rechtsfolgen der Vorschrift können sowohl abgeändert, als auch ausgeschlossen werden; insbesondere ist auch eine Pauschalierung des Schadensersatzanspruchs zulässig.[3]

 

Rz. 9a

Anders als Abs. 1, der ausschließlich die Rechte des Dienstverpflichteten regelt, kann sich die Schadensersatzpflicht in Abs. 2 gegen beide Vertragsparteien richten.[4] Über den Wortlaut hinaus greift die Schadensersatzpflicht auch in anderen Fällen der Beendigung, wie z. B. bei Aufhebungsverträgen, ordentlichen Kündigungen, außerordentlichen Kündigungen mit Auslauffrist sowie gerichtlicher Auflösung nach §§ 9, 13 Abs. 1 KSchG ein.[5] Notwendig für die Haftung ist jedoch stets eine vom Anspruchsgegner zu vertretende (§§ 276, 278 BGB) Vertragsverletzung. Aus der Abs. 1 und 2 zugrunde liegenden Wertung folgt, dass nicht jede geringfügige schuldhafte Vertragsverletzung die schwerwiegende Folge des Abs. 2 nach sich zieht.[6] Grundsätzlich kann dabei exemplarisch die Unzuverlässigkeit des Vertragspartners eine weitere Bindung unzumutbar machen. Jedoch genügt nicht jede geringste Unzuverlässigkeit oder Säumnis. Zur Kündigung berechtigt die Unzuverlässigkeit nur, wenn sie nachhaltig und deswegen schwerwiegend ist.[7] Daher muss dem Auflösungsverschulden das Gewicht eines wichtigen Grundes i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB zukommen.[8]

 
Praxis-Beispiel

Gründe für und gegen einen wichtigen Grund

Gegen das Vorliegen eines solchen wichtigen Grundes kann sprechen, dass der Arbeitnehmer eine 4-wöchige Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses in Kauf nimmt, um ein besseres Arbeitszeugnis zu erhalten, da dies zeigt, dass die Einhaltung der Frist für eine ordentliche Kündigung nicht unzumutbar ist.[9] Hingegen kann ein wichtiger Grund darin zu sehen sein, dass der Arbeitgeber mit der Lohnzahlung in nicht unerheblicher Höhe und über einen erheblichen Zeitraum in Verzug ist, sofern der Arbeitnehmer dies abgemahnt hat.[10] Beruft sich der Arbeitnehmer bei einem Betriebsübergang nach § 613a Abs. 1 BGB auf die Fehlerhaftigkeit der nach § 613a Abs. 5 BGB obligatorischen Unterrichtung sowie seinen nachfolgenden wirksamen Widerspruch nach § 613a Abs. 6 BGB und kündigt sein Arbeitsverhältnis außerordentlich wegen Nichtbeschäftigung, so stellt die Nichtbeschäftigung des Arbeitnehmers beim bisherigen Arbeitgeber jedenfalls solange keine schwerwiegende Vertragsverletzung dar, solange der Arbeitnehmer seine Auffassung zur fehlerhaften Unterrichtung über den Betriebsübergang auch nicht auf entsprechende Aufforderung des Betriebsveräußerers näher erläutert hat.[11]

 

Rz. 10

Das Auflösungsverschulden muss für die Beendigung des Dienstverhältnisses ursächlich sein. Ausreichend ist also nicht allein die Vertragsverletzung, sondern es muss vielmehr ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem vertragswidrigen Verhalten und der Kündigung oder einer anderen Beendigung bestehen. Das vertragswidrige Verhalten des anderen Teils muss der tragende Grund für die Kündigung gewesen sein. Das ist bei Ausspruch einer außerordentlichen fristlosen Kündigung regelmäßig schon dann festzustellen, wenn der Kündigungsgrund dem Kündigenden zur Zeit der Kündigungserklärung bekannt war.[12]

 

Rz. 11

Der Umfang der Schadensersatzpflicht richtet sich nach den §§ 249 ff. BGB. Maßgeblich ist dabei das Erfüllungsinteresse. Deshalb ist zu ermitteln, wie der Anspruchssteller bei Fortbestand des Dienstverhältnisses gestanden hätte. Aufgrund des Schutzzwecks der Norm beschränkt sich der Ersatz des Schadens auf den sog. "Verfrühungsschaden". Es kann also nur der Schaden geltend gemacht werden, der durch die vorgezogene Vertragsbeendigung entstanden ist, bei Einhaltung der Kündigungsfrist aber nicht aufgetreten wäre.[13] Nicht erfasst wird damit der sog. "Endlosschaden". Dies gilt auch, wenn ein Arbeitsverhältnis unter das KSchG fällt[14] und das Arbeitsverhältnis ohne das vertragswidrige Verhalten des Arbeitgebers nicht aufgelöst worden wäre.[15] Der kündigende Arbeitnehmer verzichtet in diesen Fällen auf den durch die Kündigungsschutzbestimmungen vermittelten Bestandsschutz. Der Arbeitgeber darf aber nicht dadurch bessergestellt werden, dass er anstatt eine unberechtigte außerordentliche Kündigung auszusprechen und damit ggf. abfindungspflichtig nach §§ 13 Abs. 1 Satz 3 KSchG i. V. m. §§ 9, 10 KSchG zu werden, ...

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