Rz. 23

Um den Dienstberechtigten davor zu schützen, dass der Dienstpflichtige auf seine Kosten vorsätzlich Verdienstmöglichkeiten außer Acht lässt, muss sich der Dienstpflichtige auch den hypothetisch erzielbaren Verdienst anrechnen lassen. Eine Anrechnung findet jedoch nur statt, wenn der Dienstpflichtige die anderweitige Verwendung seiner Dienste böswillig unterlässt. Ein böswilliges Unterlassen ist zu bejahen, wenn der Dienstpflichtige zumutbare Arbeit grundlos ablehnt oder vorsätzlich verhindert, dass ihm zumutbare Arbeit angeboten wird. Der Arbeitgeber hat insoweit einen Auskunftsanspruch, welche andere Arbeit dem Arbeitnehmer durch das Jobcenter angeboten wurde.[1] Eine Schädigungsabsicht des Dienstpflichtigen ist nicht erforderlich. Der Dienstpflichtige muss lediglich in Kenntnis der objektiven Umstände untätig bleiben oder die Arbeitsaufnahme verhindern. Fahrlässiges Verhalten genügt aber nicht. Ist die anderweitige Tätigkeit dem Arbeitnehmer nicht zumutbar, kann dem Dienstpflichtigen seine Untätigkeit nicht zum Vorwurf gemacht werden. Dem Kriterium Unzumutbarkeit kommt daher entscheidende Bedeutung zu. Zur Klärung der Frage der Unzumutbarkeit kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an. Bei der Prüfung sind das dem Arbeitnehmer gem. Art. 12 GG zustehende Grundrecht der freien Arbeitsplatzwahl sowie der Grundsatz von Treu und Glauben zu beachten.[2] Die Unzumutbarkeit der Arbeit kann sich unter verschiedenen Gesichtspunkten ergeben. Sie kann in der Person des Arbeitgebers, der Art der Arbeit oder den sonstigen Arbeitsbedingungen ihren Grund haben.[3] Auch vertragsrechtliche Umstände sind zu berücksichtigen. Demgegenüber kann der Maßstab des § 121 SGB III nicht herangezogen werden, da es dabei um den Schutz der Versichertengemeinschaft und damit einen anderen Regelungsgegenstand geht.[4] Der Dienstpflichtige muss keine völlig anders geartete, vor allem geringwertigere Tätigkeit aufnehmen. Andererseits kann ein solches Verhalten auch nicht als böswillig gewertet werden.[5] Er ist im Fall des Betriebsübergangs allerdings verpflichtet, als Leiharbeitnehmer des alten Arbeitgebers im Betrieb des Erwerbers auf seinem alten Arbeitsplatz weiterzuarbeiten. Dies ist zumutbar.[6]

 
Praxis-Beispiel

Legt der Arbeitnehmer bei einem Betriebsübergang gem. § 613 Abs. 6 BGB Widerspruch ein und gerät der bisherige Inhaber hierdurch in Annahmeverzug, schließt dies die Anwendung von § 615 Satz 2 Alt. 3 BGB nicht aus.[7] Ein böswilliges Unterlassen anderweitigen Erwerbs kann auch darin bestehen, dass der Arbeitnehmer im Falle einer Kündigung das Angebot einer befristeten Weiterbeschäftigung bis zur Klärung der Rechtmäßigkeit der Kündigung ablehnt.[8]

[1] St. Rspr.: BAG, Urteil v. 18.10.1958, 2 AZR 291/58, NJW 1958, 2084; BAG, Urteil v. 16.5.2000, 9 AZR 203/99, NZA 2001, 26; BAG, Urteil v. 23.2.2021, 5 AZR 213/20 AP § 615 Nr. 161; zum Auskunftsanspruch BAG, Urteil v. 27.5.2020, 5 AZR 387/19, BAGE 170 S. 327.
[5] Staudinger/Richardi/Fischinger, § 615 BGB, Rz. 172.
[6] BAG, Urteil v. 19.5.2021, 5 AZR 420/20, AP § 615 BGB Nr. 163.
[8] BAG, Urteil v. 14.11.1985, 2 AZR 98/84, NZA 1986, 637; Staudinger/Richardi/Fischinger, § 615 BGB, Rz. 176.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Personal Office Platin. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge