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Ein Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers und damit korrespondierend die Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers ist im Dienstvertragsrecht nicht ausdrücklich geregelt. Dennoch erkennen Rspr. und Lit. einen Anspruch auf Beschäftigung aufgrund des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers gem. Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 GG an,[1] da die Tätigkeit im Arbeitsverhältnis eine wesentliche Möglichkeit zur Entfaltung der geistigen und körperlichen Fähigkeiten darstellt.[2]

Vom allgemeinen Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers im ungekündigten Arbeitsverhältnis ist der sog. Weiterbeschäftigungsanspruch während des Kündigungsschutzprozesses zu unterscheiden, der aus §§ 611, 613 i. V. m. § 242 BGB abgeleitet wird. Nach Auffassung des BAG beruht der Anspruch des gekündigten Arbeitnehmers unmittelbar auf der sich aus § 242 BGB unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Wertentscheidung der Art. 1, 2 GG über den Persönlichkeitsschutz für den Arbeitgeber ergebenden arbeitsvertraglichen Förderungspflicht der Beschäftigungsinteressen des Arbeitnehmers. Stehen dem Beschäftigungsanspruch schutzwerte Interessen des Arbeitgebers (bspw. Wegfall der Vertrauensgrundlage, fehlende Einsatzmöglichkeit, Gefahr des Geheimnisverrats, unzumutbare wirtschaftliche Belastung sowie alle Gründe, die eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen würden) entgegen, muss dieser allerdings zurücktreten.[3]

[1] St. Rspr. seit BAG, Urteil v. 10.11.1955, 2 AZR 591/54, AP BGB § 611 Beschäftigungspflicht Nr. 2; zuletzt BAG, Urteil v. 15.6.2021, 9 AZR 217/20, NZA 2021, 1625; es besteht allerdings kein Anspruch auf Beschäftigung zu bestimmten Zeiten, BAG, Urteil v. 19.9.2018, 10 AZR 496/17, AP BGB § 611 Arbeitszeit Nr. 52.
[3] BAG, Beschluss v. 27.2.1985, GS 1/84, AP BGB § 611 Beschäftigungspflicht Nr. 14; fortentwickelt in BAG, Urteil v. 27.5.2020, 5 AZR 247/19, NZA 2020, 1169.

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