Rz. 13

Eine (Tat-) Kündigung ist nicht schon dann wegen mangelnder Aufklärungsbemühungen im Hinblick auf § 242 BGB als treuwidrig anzusehen, wenn der Arbeitgeber sie nicht etwa nur auf eine Mitteilung vom Hörensagen, sondern auf 2 unabhängig voneinander ihm von seinen Mitarbeitern gemachte Bekundungen stützt, die inhaltlich übereinstimmen.[1] Andererseits hat das BAG entschieden, die Treuwidrigkeit einer Kündigung könne daraus folgen, dass der Arbeitgeber aufgrund einer nicht bestätigten Aussage vom Hörensagen unsubstanziierte Verdächtigungen, die von weitreichender Tragweite für das spätere berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers waren, zum Anlass für eine ordentliche Kündigung genommen hat, ohne ihm vor Ausspruch der Kündigung Gelegenheit gegeben zu haben, zu den unsubstanziierten Vorwürfen Stellung zu nehmen; angesichts der Schwere der gegenüber dem Kläger erhobenen Vorwürfe (Verdacht des Haschischkonsums und tolerierende Haltung gegenüber Haschischkonsumenten) und den damit verbundenen Nachteilen für das berufliche Fortkommen habe der Arbeitgeber nur dann eine ordentliche Kündigung hierauf stützen dürfen, wenn zum Zeitpunkt der Kündigung hinreichend objektive Tatsachen vorgelegen hätten, die eine Konkretisierung der dem Kläger vorgeworfenen Verfehlungen ermöglicht hätten.[2] Nach neuerer Rspr. des BAG stellt sich eine Kündigung (im Kleinbetrieb) nicht deshalb als sitten- oder treuwidrig dar, weil dem Arbeitnehmer keine Gelegenheit zur Stellungnahme zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen gegeben wurde; die vorherige Anhörung des Arbeitnehmers ist – außer bei einer Verdachtskündigung im Geltungsbereich des § 1 Abs. 2 KSchG – keine Wirksamkeitsvoraussetzung.[3] Einen "irgendwie einleuchtenden Grund", bei dem der Willkürvorwurf ausgeschlossen ist, nimmt das BAG bei einem "auf konkreten Umständen beruhenden Vertrauensverlust" grundsätzlich an, auch dann, wenn die Tatsachen "objektiv nicht verifizierbar" sind. Das BAG[4] billigte die Kündigung einer Kinderfrau, über die die ebenfalls als Kinderfrau beschäftigte Kollegin der Arbeitgeberin mitgeteilt hatte, sie habe über die Arbeitgeberin unvorteilhafte Äußerungen gemacht (s. auch Rz. 15). Auch wenn der Arbeitgeber die Kündigung in der Wartezeit nicht auf objektivierbare Faktoren stützen kann oder will, macht dies allein die Kündigung noch nicht willkürlich; gerade eine solche Kündigung ist, so das BAG, Teil der in der Wartezeit grundsätzlich bestehenden Kündigungsfreiheit, die dem Arbeitgeber das Recht gibt, von dieser Freiheit Gebrauch zu machen und sich dabei von seinem "Bauchgefühl" leiten zu lassen.[5]

 

Rz. 14

Die Obliegenheit des Arbeitgebers, vor der Erklärung einer Verdachtskündigung alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben zu haben, folgert das BAG indes nicht aus § 242 BGB, sondern aus dem Ultima-Ratio-Grundsatz.[6]

[3] BAG, Urteil v. 5.12.2019, 2 AZR 107/19, AP BGB § 138 Nr. 74.
[4] BAG, Urteil v. 5.12.2019, 2 AZR 107/18, AP BGB § 138 Nr. 74.
[6] BAG, Urteil v. 13.9.1995, 2 AZR 587/94, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 25, DB 1996, 96 f., zu Einzelheiten Wege, § 626 Rz. 71, 76 ff.

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