Entscheidungsstichwort (Thema)

Außerordentliche Kündigung

 

Leitsatz (amtlich)

Eine außerordentliche Kündigung wegen angeblich geschäftsschädigender Äußerungen ist nicht schon deshalb gemäß § 626 BGB unwirksam, weil es der Arbeitgeber unterlassen hat, vor ihrem Ausspruch dem betroffenen Arbeitnehmer ihn belastende Zeugen gegenüberzustellen (Fortsetzung der Rechtsprechung aus dem Senatsurteil vom 26. Februar 1987 – 2 AZR 170/86 – RzK I 8c Nr. 13).

 

Normenkette

BGB §§ 242, 626

 

Verfahrensgang

LAG Niedersachsen (Urteil vom 02.12.1996; Aktenzeichen 5 Sa 600/96)

ArbG Stade (Urteil vom 06.03.1996; Aktenzeichen 1 Ca 3/96)

 

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 2. Dezember 1996 – 5 Sa 600/96 – aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der Kläger (geboren am 15. August 1942) war seit 1. April 1983 aufgrund des Arbeitsvertrages vom 20. Januar 1983 als Reisebürokaufmann mit Handlungsvollmacht beim Beklagten, der mehrere Reisebüros betreibt, beschäftigt, und zwar zuletzt gegen eine Vergütung von 7.800,- DM brutto zuzüglich 13. Gehalt und Urlaubsgeld; er bekleidete dabei die Funktion eines kaufmännischen Geschäftsführers. Büroleiterin des Reisebüros in B… war eine Frau S…, Buchhalterin eine Frau D….

Nachdem im November 1995 der Beklagte einen Großkunden, die De…, an einen Wettbewerber verloren hatte, suchte der Beklagte in mehreren Gesprächen mit den genannten Personen nach Lösungsmöglichkeiten; so wurde u. a. überlegt, ob der Kläger nach Ausscheiden einer Mitarbeiterin im Reisebüro des Beklagten in St… dorthin wechseln sollte. Nachdem sich diese Möglichkeit zerschlug – nach Darstellung des Beklagten, weil der Kläger Gehaltserhöhung und Fahrtkostenerstattung verlangte, nach Darstellung des Klägers, weil trotz seiner Bereitschaft der Beklagte ihn wegen der Betreuung der Kunden in B… behalten wollte –, sprach der Beklagte mit Schreiben vom 18. Dezember 1995 eine Änderungskündigung aus, mit der er dem Kläger eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses in der Filiale Reisebüro T… zu einem monatlichen Gehalt von 3.500,- DM brutto anbot. Nachdem der Kläger dieses Angebot ablehnte, sprach der Beklagte mit Schreiben vom 29. Dezember 1995 eine Beendigungskündigung zum 31. Dezember 1996 aus. Beide Kündigungen hat der Kläger beim Arbeitsgericht St… angegriffen.

Anfang Januar 1996 kam es zu getrennten Gesprächen des Klägers mit Frau D… und nachfolgend mit Frau S…, wobei er darüber informierte, er werde die Kündigungen des Beklagten nicht hinnehmen. Über den weiteren Inhalt dieser Gespräche herrscht unter den Parteien Streit. Der Beklagte kündigte mit Schreiben vom 15. Januar 1996, dem Kläger am 18. Januar 1996 zugegangen, das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos mit der Begründung auf, der Kläger habe in den Gesprächen mit den Mitarbeiterinnen D… und S… erklärt, er werde den Beklagten in den Ruin treiben und “den L… fertigmachen”. Bevor diese Kündigung dem Kläger zuging, kam es am 15. oder 16. Januar 1996 zu einem Gespräch zwischen den Parteien, bei dem der Beklagte die außerordentliche Kündigung unter Hinweis auf die Äußerungen des Klägers gegenüber den Mitarbeiterinnen D… und S… ankündigte. Der Kläger bestritt hierbei die ihm gegenüber erhobenen Vorwürfe und will nach seiner Darstellung darauf hingewiesen haben, er habe im Hinblick auf die prekäre wirtschaftliche Situation des Beklagten nur angemerkt, die nach seiner Auffassung unwirksamen Kündigungen könnten den Beklagten in den Ruin treiben; jedenfalls bestand der Kläger auf einer Gegenüberstellung mit den Mitarbeiterinnen, was der Beklagte ablehnte. Der Kläger wurde vielmehr am 16. Januar 1996 vom Beklagten nach Hause geschickt.

Mit seiner erweiterten Klage hat der Kläger geltend gemacht, es liege kein Grund für eine außerordentliche Kündigung vor: Schon nach der ersten Kündigung habe er dem Beklagten gesagt, die Kündigung sei der wirtschaftlich falsche Weg; angesichts der finanziellen Situation könne dies den Beklagten in den Ruin treiben. In ähnlicher Form habe er sich auch gegenüber den Mitarbeiterinnen D… und S… geäußert, wobei er allerdings nicht ausgeführt habe, er werde den Beklagten in den Ruin treiben und “den L… fertigmachen”. Diese Äußerungen seien aus der Luft gegriffen und dienten dem Beklagten offensichtlich nur dazu, mit Hilfe der fristlosen Kündigung die nach dem Vertrag einzuhaltende einjährige Kündigungsfrist abzukürzen.

Der Kläger hat – soweit für die Revisionsinstanz von Belang – beantragt

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die fristlose Kündigung vom 15. Januar 1996 nicht beendet worden ist.

Der Beklagte hat zu seinem Klageabweisungsantrag vorgetragen, aufgrund der Äußerungen des Klägers gegenüber den Mitarbeiterinnen D… und S… sei das Vertrauensverhältnis nachhaltig gestört; er, der Beklagte, brauche nicht abzuwarten, bis der Kläger seine Drohung bei einem eventuellen Wechsel in die Filiale St… auch noch wahrmachen werde. Auch sei das Betriebsklima aufgrund der Äußerungen des Kläges zerstört; die Mitarbeiterinnen lehnten eine weitere Zusammenarbeit mit dem Kläger ab. Der Kläger könne sich zur Rechtfertigung auch nicht auf den angeblichen Ärger wegen der ordentlichen Kündigung berufen, wenn er am 5. Januar 1996 gegenüber der Buchhalterin D… und eine Woche später gegenüber Frau S… die gleichen Äußerungen wiederholt habe.

Das Arbeitsgericht hat durch Teilurteil festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung nicht aufgelöst worden sei. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte insoweit Klageabweisung.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Beklagten ist begründet; sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung (§ 565 ZPO), um dem Landesarbeitsgericht Gelegenheit zur Aufklärung des bestrittenen Parteivorbringens zur Berechtigung der außerordentlichen Kündigung zu geben.

I. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet: Die Rücksichtnahme auf den Vertragspartner gebiete nicht nur im Falle einer Verdachtskündigung sondern auch in anderen Fällen, erforderliche und zumutbare Ermittlungen vor Ausspruch einer so schwerwiegenden Maßnahme wie der außerordentlichen Kündigung durchzuführen; das gelte insbesondere, wenn die Feststellung der Geschehnisse in späterer Zeit erschwert werde; die Verläßlichkeit von Zeugenaussagen werde mit zunehmender zeitlicher Entfernung von dem bekundeten Ereignis geringer. Deshalb sei eine Gegenüberstellung und damit der Versuch einer zeitnahen Aufklärung erforderlich gewesen. Das folge nicht zuletzt auch aus der Bestimmung des § 626 Abs. 1 BGB, wonach nicht nur alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen seien, sondern der Kündigende auch verpflichtet sei, sich Klarheit über die obwaltenden Umstände zu verschaffen.

II. Dem folgt der Senat nicht. Die Revision rügt zutreffend, über den Fall einer Verdachtskündigung hinaus, der vorliegend nicht gegeben sei, bestehe keine Verpflichtung des Arbeitgebers, hinsichtlich der von ihm für wahr erachteten Tatsachen noch weitere Ermittlungen anzustellen; dies lasse sich der Rechtsnorm des § 626 BGB nicht entnehmen.

1. Die Überprüfung, ob ein bestimmter Sachverhalt die Voraussetzungen eines wichtigen Grundes nach § 626 Abs. 1 BGB erfüllt, ist vorrangig Sache des Tatsachengerichts. Die Anwendung des unbestimmten Rechtsbegriffes des wichtigen Grundes kann vom Revisionsgericht lediglich daraufhin überprüft werden, ob das angefochtene Urteil den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhaltes unter die Rechtsnorm des § 626 BGB Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat oder ob es alle vernünftigerweise in Betracht kommenden Umstände, die für oder gegen eine außerordentliche Kündigung sprechen, beachtet hat (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. u. a. Senatsurteil vom 13. September 1995 – 2 AZR 587/94 – AP Nr. 25 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung, zu II 2 der Gründe; siehe ferner Senatsurteil vom 4. Juni 1997 – 2 AZR 526/96 – zur Veröffentlichung bestimmt, zu II 1 der Gründe).

Auch diesem eingeschränkten Überprüfungsmaßstab hält das Berufungsurteil nicht stand, weil das Berufungsgericht den Rechtsbegriff des wichtigen Grundes nach Auffassung des Senats verkannt hat.

2. Nach § 626 BGB kann das Dienstverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

a) Dieser Bestimmung kann das vom Landesarbeitsgericht aufgestellte Postulat einer möglichst weitgehenden Aufklärung des die Kündigung berechtigenden Sachverhalts nicht entnommen werden. So hat das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung entschieden (vgl. u. a. Urteil vom 23. März 1972 – 2 AZR 226/71 – AP Nr. 63 zu § 626 BGB, mit Anm. von Herschel und Beschluß vom 10. Februar 1977 – 2 ABR 80/76 – BAGE 29, 7 = AP Nr. 9 zu § 103 BetrVG 1972, mit Anm. von Moritz), nicht einmal die Anhörung des Gekündigten vor dem Ausspruch einer Kündigung sei – abgesehen vom Fall der Verdachtskündigung (vgl. dazu u. a. Senatsurteile vom 13. September 1995 – 2 AZR 587/94 – AP Nr. 25 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen und vom 14. Februar 1996 – 2 AZR 274/95 – AP Nr. 26, aaO) – Wirksamkeitsvoraussetzung für eine außerordentliche Kündigung. Dies hängt damit zusammen, daß die Frage des Vorliegens eines wichtigen Grundes und der Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf einer ordentlichen Kündigungsfrist von dem objektiven Vorliegen entsprechender Tatsachen abhängt, ohne daß es auf den subjektiven Kenntnisstand des Kündigenden ankommt, wie der Fall des Nachschiebens von dem Kündigenden zur Zeit der Kündigung unbekannten, aber bereits vorliegenden und erst nachträglich bekannt werdenden Gründen belegt. Ähnliches gilt für die Feststellung von Tatsachen mit Hilfe von Beweismitteln: Dem Arbeitgeber kann es nicht verwehrt werden, ihm erst im Laufe des Rechtsstreits um eine außerordentliche Kündigung bekanntwerdende Beweismittel “nachzuschieben”. Unterläßt der Arbeitgeber vor Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung eine sorgfältige Sachverhaltsaufklärung, die in seinem eigenen Interesse liegt, geht er das Risiko ein, im Prozeß die von ihm behaupteten Gründe nicht beweisen zu können.

Aus demselben Grund, nämlich daß die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung nur davon abhängt, ob objektiv ein wichtiger Grund im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung vorlag und im Prozeß nachgewiesen werden kann, hat das Bundesarbeitsgericht es auch abgelehnt, die Mitteilung der Kündigungsgründe zur Voraussetzung der Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung zu machen (BAG Urteil vom 30. Januar 1963 – 2 AZR 143/62 – AP Nr. 50 zu § 626 BGB); wenn die Rechtsprechung noch weitere Wirksamkeitsvoraussetzungen aufstelle, würde dies das Gewicht des wichtigen Grundes abschwächen und außerdem zu erheblicher Rechtsunsicherheit führen. Auch der letztere Gesichtspunkt gilt vorliegend, wenn die Wirksamkeit der Kündigung noch von der Art und Weise sowie u. a. den zeitlichen Möglichkeiten einer Gegenüberstellung des Arbeitnehmers mit Belastungszeugen abhängig gemacht würde.

Die möglicherweise unvollständige Sachverhaltsklärung vor Ausspruch der Kündigung ändert mithin an dem objektiven Tatbestand des wichtigen Grundes nichts; das Unterlassen weiterer Aufklärung könnte ihn weder schaffen noch ausschließen.

b) Richtig ist, daß das Bundesarbeitsgericht eine Verdachtskündigung als Reaktion auf die Störung des für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses notwendigen Vertrauens als unverhältnismäßig angesehen hat, wenn der Arbeitgeber nicht alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen hat, wobei insbesondere die vorherige Anhörung des Arbeitnehmers grundsätzlich Wirksamkeitsvoraussetzung der Kündigung sein soll (vgl. u. a. Senatsurteil vom 13. September 1995 – AP, aaO). Diese verstärkten Anforderungen an Aufklärungsbemühungen vor Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung verlangt die Rechtsprechung indessen in gewisser Weise als Äquivalent für die Anerkennung des Kündigungsgrundes “Verdacht strafbarer Handlung bzw. schwerer Vertragspflichtverletzung”. Diese von der Rechtsprechung postulierten Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhaltes – jedenfalls durch Anhörung des Arbeitnehmers –, denen übrigens vorliegend durch Anhörung des Klägers am 15. oder 16. Januar 1996, also vor Zugang der außerordentlichen Kündigung genügt wäre, erfordern es nach der Rechtsprechung aber nicht einmal im Falle der Verdachtskündigung, daß der Arbeitgeber dem betroffenen Arbeitnehmer Belastungszeugen gegenüberstellt (Senatsurteil vom 26. Februar 1987 – 2 AZR 170/86 – RzK I 8c Nr. 13, zu III 2 der Gründe). Der Senat hat dabei darauf hingewiesen, daß von einer entsprechenden Weiterentwicklung der Rechtsprechung abgesehen werde, weil die Gegenüberstellung in der Mehrzahl der Fälle keine größere Sicherheit für die Begründetheit des Verdachts ergeben werde. Ebenso ist zu verneinen, dem Arbeitnehmer, der nicht lediglich mit dem Verdacht einer Vertragspflichtverletzung, sondern mit einer angeblich tatsächlich vorliegenden Vertragspflichtverletzung konfrontiert wird, müsse die Gelegenheit einer Gegenüberstellung mit den ihn belastenden Zeugen gegeben werden.

Die Auflärung der die außerordentliche Kündigung begründenden Tatsachen ist vielmehr Sache des Gerichts. Der Arbeitgeber, der seinerseits von einer solchen Gegenüberstellung Gebrauch machen würde, setzte sich damit möglicherweise sogar dem Vorwurf aus, einen unzulässigen Druck auf die von ihm später im Prozeß zu benennenden Zeugen ausgeübt oder die Rechte des Arbeitnehmers an einer vollständigen Sachverhaltsaufklärung unterbunden, verkürzt oder zumindest vernachlässigt zu haben. Dem beklagten Arbeitgeber kann auch nicht der Vorwurf einer leichtfertig ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung gemacht werden, worauf die Revision zutreffend hinweist. Denn der Beklagte stützt die Kündigung nicht etwa auf eine Mitteilung vom Hörensagen, sondern auf zwei unabängig voneinander ihm von seinen Mitarbeitern gemachte Bekundungen die nach der Sachdarstellung des Beklagten inhaltlich übereinstimmen. Bei dieser Sachlage kann schließlich nicht etwa davon ausgegangen werden, die Kündigung sei schon wegen mangelnder Aufklärungsbemühungen im Hinblick auf § 242 BGB als treuwidrig anzusehen (vgl. dazu BAG Urteil vom 2. November 1983 – 7 AZR 65/82 – BAGE 44, 201 = AP Nr. 29 zu § 102 BetrVG 1972, zu A II 2a und b der Gründe).

3. Der Beklagte hat auch nicht etwa – dies verkennt auch das Landesarbeitsgericht nicht – eine Verdachtskündigung ausgesprochen, bei der unter Umständen weitere vorprozessuale Aufklärungspflichten zu fordern wären.

Nach der ständigen Senatsrechtsprechung liegt eine Verdachtskündigung dann vor, wenn und soweit der Arbeitgeber seine Kündigung damit begründet, gerade der Verdacht eines (nicht erwiesenen) strafbaren bzw. vertragswidrigen Verhaltens habe das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zerstört (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BAGE 16, 72 = AP Nr. 13 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung und Senatsurteil vom 14. September 1994 – 2 AZR 164/94 – BAGE 78, 18 = AP Nr. 24, aaO, zu II 3b der Gründe). Der Verdacht einer strafbaren Handlung bzw. schwerwiegenden Vertragspflichtverletzung stellt nämlich gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar, der in dem Tatvorwurf nicht enthalten ist. Bei der Tatkündigung ist für den Kündigungsentschluß maßgebend, daß der Arbeitnehmer nach der Überzeugung des Arbeitgebers die strafbare Handlung bzw. Vertragsverletzung tatsächlich begangen hat und dem Arbeitgeber aus diesem Grund die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist (Senatsurteil vom 26. März 1992 – 2 AZR 519/91 – AP Nr. 23, aaO, zu B II 1 der Gründe).

Hier ist bereits dem Kündigungsschreiben vom 15. Januar 1996 mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, daß der Beklagte nicht wegen des Verdachts einer schweren Vertragspflichtverletzung gekündigt hat, sondern weil er davon ausgegangen ist, der Kläger habe die Pflichtverletzung tatsächlich begangen. Das folgt aus der Darlegung im Kündigungsschreiben, der Kläger habe sowohl gegenüber Frau D… wie auch später gegenüber Frau S… sich dahin geäußert, er werde das B… Reisebüro in den Ruin treiben, und den L… mache er kaputt. Anschließend wird ausgeführt, ein derartiges Verhalten stelle einen groben Vertragsverstoß dar und dieses Verhalten habe das Vertrauensverhältnis nachhaltig zerstört. Entgegen der Auffassung des Klägers ist damit hinreichend deutlich gemacht, daß keine Verdachtskündigung sondern eine Tatkündigung ausgesprochen worden ist.

Wenn es insofern nach der Rechtsprechung im Falle einer Verdachtskündigung wegen dieser Ausnahmesituation einer auf einen bloßen Verdacht gestützten Kündigung richtig ist, dem vom Verdacht betroffenen Arbeitnehmer einen größtmöglichen Schutz dadurch zukommen zu lassen, daß hohe Anforderungen an die Aufklärungsbemühungen des Arbeitgebers gestellt werden, so besteht für eine Ausweitung dieser besonderen Schutzmaßnahmen auf solche durch den Tatvorwurf begründete Sachverhalte, die grundsätzlich die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar machen, kein Bedürfnis; vielmehr läge eine Kündigungserschwerung vor, für die auf Seiten des Arbeitnehmers bei Vorliegen beweisbarer, konkreter Tatsachen ein Schutzbedürfnis nicht besteht und durch § 626 BGB nicht gefordert wird.

4. Da das Landesarbeitsgericht – von seinem Standpunkt aus folgerichtig – nicht (gegebenenfalls mit Hilfe einer Beweisaufnahme die Richtigkeit der die Kündigung begründenden Behauptungen, die nach seiner Auffassung an sich einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung abgeben könnten, festgestellt hat, kann der Senat nicht in der Sache selbst entscheiden. Die Sache ist vielmehr zur weiteren Sachaufklärung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Deshalb erübrigt sich auch eine Entscheidung über den vom Kläger gestellten Tatbestandsberichtigungsantrag; dieser Gesichtspunkt – Gespräch der Parteien am 15. oder 16. Januar 1996 – kann vom Landesarbeitsgericht selbst nach der Zurückverweisung klargestellt werden.

 

Unterschriften

Etzel, Bitter, Bröhl, Fischer, Baerbaum

 

Fundstellen

Haufe-Index 884851

DB 1998, 136

FA 1998, 27

NZA 1998, 95

RdA 1998, 64

ZAP 1998, 64

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