Die Sozialauswahl ist auf 4 Kriterien – nämlich auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und eine etwaige Schwerbehinderung des Arbeitnehmers – beschränkt. Alle 4 Kriterien haben das gleiche Gewicht. In seinem Urteil vom 18.9.2018 hat das BAG wiederholt darauf hingewiesen, dass dem Arbeitgeber bei der Gewichtung der Sozialkriterien ein Wertungsspielraum zusteht. Dem Gesetzeswortlaut ist nicht zu entnehmen, wie die 4 Kriterien zueinander ins Verhältnis zu setzen sind. Deshalb kommt keinem Kriterium eine Priorität gegenüber den anderen zu. Vielmehr sind stets die individuellen Unterschiede zwischen den vergleichbaren Arbeitnehmern und deren Sozialdaten zu berücksichtigen und abzuwägen.[1] Maßgeblich ist allerdings die objektive Sachlage. Etwaige Unterhaltspflichten, die dem Arbeitgeber z. B. wegen fehlender Eintragung auf der Lohnsteuerkarte nicht bekannt sind, müssen ebenso erfragt werden wie eine etwaige Schwerbehinderung. Erhält der Arbeitgeber nach einer angemessenen Fristsetzung auf eine entsprechende Aufforderung keine Auskunft vom Arbeitnehmer, kann er die ihm bekannten Tatsachen zugrunde legen.

Die Sozialkriterien Betriebszugehörigkeit, Unterhaltsverpflichtungen und Schwerbehinderteneigenschaft werden immer stärker gewichtet, wenn bzw. je nachdem in welchem Maß sie vorliegen. Eine längere Betriebszugehörigkeit oder mehrere Unterhaltsverpflichtungen verstärken also den sozialen Schutz. Beim Kriterium Lebensalter ist es zwar grundsätzlich ebenso, da ein höheres Lebensalter prinzipiell mit einer schwierigeren Situation am Arbeitsmarkt und damit einem erhöhten sozialen Schutzbedürfnis korrespondiert. Anders ist dies jedoch ab dem Zeitpunkt, ab dem das Lebensalter es gestattet sofort oder in absehbarer Zeit Altersrente zu beziehen. Nach der Rechtsprechung des BAG können daher diese Jahrgänge, die innerhalb eines Zeitraums von bis zu 2 Jahren Altersrente beziehen können, beim Kriterium "Lebensalter" als weniger sozial schutzbedürftig betrachtet werden. Da das Gesetz eine angemessene Gewichtung der Sozialkriterien fordert, dürfte der Arbeitgeber sogar verpflichtet sein, diese Jahrgänge beim Lebensalter niedriger zu gewichten, als unmittelbar jüngere Arbeitnehmer, die noch nicht in 2 Jahren Altersrente beziehen können. Andere Rentenansprüche als Altersrente (z. B. Rente für schwerbehinderte Menschen) dürfen dagegen nicht zu einer geringeren Gewichtung des Lebensalters führen.[2]

Punkteschema

Arbeitgeber und Betriebsrat können festlegen, wie die im Gesetz genannten Grunddaten im Verhältnis zueinander zu bewerten sind (sog. Punkteschemata). Das Ergebnis der Auswahlentscheidung kann dann für den Fall einer gerichtlichen Auseinandersetzung nur noch auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Dies gilt ebenso, wenn die Gewichtung der Kriterien in einem Tarifvertrag festgeschrieben ist.[3] Grobe Fehlerhaftigkeit ist dann gegeben, wenn die Auswahlentscheidung jede Ausgewogenheit vermissen lässt, wenn also einzelne Sozialdaten überhaupt nicht, eindeutig unzureichend oder mit eindeutig überhöhter Bedeutung berücksichtigt wurden.

Bei der Ausgestaltung solcher Schemata kann auf zahlreiche Entscheidungen zurückgegriffen werden, die sich mit entsprechenden Vereinbarungen zur Durchführung der Sozialauswahl befasst haben. Folgendes Punkteschema wurde vom BAG mit Urteil vom 18.1.1990[4] zur Sozialauswahl akzeptiert:

Betriebszugehörigkeit: bis 10 Dienstjahre je Dienstjahr 1 Punkt, ab dem 11. Dienstjahr je Dienstjahr 2 Punkte, wobei nur Zeiten der Betriebszugehörigkeit bis zum vollendeten 55. Lebensjahr berücksichtigt werden, wodurch eine maximale Punktezahl von 70 aufgrund der Dienstjahre erreicht werden kann.

Lebensalter: für jedes volle Lebensjahr 1 Punkt, wobei lediglich die Lebensjahre bis zum 55. Lebensjahr berücksichtigt werden, wodurch maximal 55 Punkte aufgrund des Lebensalters erreichbar sind.

Unterhaltspflichten: je unterhaltsberechtigtem Kind 4 Punkte, verheiratet 8 Punkte.

Behinderung: Schwerbehinderung bis 50 % Erwerbsminderung 5 Punkte, über 50 % je 10 % Erwerbsminderung jeweils 1 Punkt.

Unterläuft bei der Ermittlung der Punktzahlen ein Fehler mit der Folge, dass auch nur einem Arbeitnehmer, der bei richtiger Ermittlung der Punktzahlen zur Kündigung angestanden hätte, nicht gekündigt wird, so wurden nach älterer Rechtsprechung die Kündigungen aller gekündigten Arbeitnehmer als unwirksam angesehen ("Dominotheorie"). Diese Rechtsprechung hat das BAG bereits mit Urteil vom 9.11.2006[5] aufgegeben. Kann der Arbeitgeber in Fällen der vorliegenden Art im Kündigungsschutzprozess aufzeigen, dass der gekündigte Arbeitnehmer auch bei richtiger Erstellung der Rangliste anhand des Punktesystems zur Kündigung angestanden hätte, so ist die Kündigung jedenfalls nicht wegen fehlerhafter Sozialauswahl unwirksam.

Interessenausgleich

Wird bei einer Betriebsänderung ein Interessenausgleich vereinbart, so können Arbeitgeber und Betriebsrat Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, namentlich im Intere...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Personal Office Platin. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge