2.3.1 Beitragszuschlag für Kinderlose und Ausnahmen (Abs. 3 Satz 1 bis 3)

 

Rz. 7

Nachdem das BVerfG mit Urteil v. 3.4.2001 (1 BvR 1629/94) zunächst gefordert hatte, dass die Kindererziehungsleistung in der umlagefinanzierten sozialen Pflegeversicherung bei der Beitragsbemessung berücksichtigt werden muss, hat der Gesetzgeber einen Beitragszuschlag für Kinderlose erstmals zum 1.1.2005 in Abs. 3 Satz 1 normiert. Er erhöht den Beitragssatz nach Abs. 1 Satz 1 und 3 für Mitglieder nach Ablauf des Monats, in dem sie das 23. Lebensjahr vollendet haben:

  • ab dem 1.1.2005: um 0,25 %
  • ab dem 1.1.2022: um 0,35 %
  • ab dem 1.7.2023: um 0,60 %.

Dabei verstößt es nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, wenn kinderlose Versicherte der sozialen Pflegeversicherung den Beitragszuschlag zu zahlen haben, selbst wenn sie unfreiwillig kinderlos sind, etwa weil das Mitglied aus medizinischen Gründen kein Kind bekommen kann (vgl. BSG, Urteil v. 27.2.2008, B 12 P 2/07 R). Eine Motivforschung, warum jemand keine Kinder hat, kann und soll es nicht geben (vgl. BT-Drs. 15/3671 S. 5).

 

Rz. 8

Ausgenommen vom Beitragszuschlag für Kinderlose sind:

  • Mitglieder bis zum Ablauf des Monats, in dem sie das 23. Lebensjahr vollenden (Abs. 3 Satz 1). Diese Personengruppe ist i. d. R. ohnehin beitragsfrei in der Familienversicherung mitversichert. Für diejenigen Kinder und jungen Erwachsenen, die beitragspflichtig sind, ist die Erhebung des Beitragszuschlags nicht gerechtfertigt, da sie nicht der Gruppe der übrigen Kinderlosen zuzuordnen sind, die gegenüber ihnen und anderen Eltern einen Ausgleich erbringen müssen. Aus Praktikabilitäts- und Verwaltungsvereinfachungsgründen ist die feste Altersgrenze von 23 Jahren vorgesehen. Sie entspricht der Altersgrenze für die Familienversicherung in der sozialen Pflegeversicherung, ab der für nicht erwerbstätige junge Erwachsene die Familienversicherung endet und sie selbst Beiträge zu entrichten haben (vgl. BT-Drs. 15/3671 S. 6).
  • Mitglieder, die vor dem 1.1.1940 geboren wurden (Abs. 3 Satz 2, bis zum 30.6.2023 in Satz 7 normiert), egal ob sie Kinder haben oder kinderlos sind. Bei dieser Personengruppe geht man davon aus, dass sie in so ausreichendem Maß Kinder geboren und erzogen haben, dass sich das Ausgleichserfordernis zwischen Kindererziehenden und Kinderlosen nicht stellt. Für die nach dem 1.1.1940 geborenen Mitglieder, die Mitte der 1960er Jahre etwa Mitte 25 oder jünger waren, kann dies jedoch nicht angenommen werden, da in dieser Zeit die Zahl der lebendgeborenen Kinder je Frau rasch gesunken ist – sog. Pillenknick (vgl. BT-Drs. 15/3671 S. 6 und BVerfG, Urteil v. 3.4.2021, 1 BvR 1629/94).
  • Wehr- und Zivildienstleistende (Abs. 3 Satz 2, bis zum 30.6.2023 in Satz 7 normiert), da für diese die Beitragsberechnung im Rahmen der Verordnung über die pauschale Berechnung und die Zahlung der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung für die Dauer einer fortbestehenden Mitgliedschaft bei Wehrdienst oder Zivildienst (KV-/PV-Pauschalbeitragsverordnung) erfolgt. Das gilt nicht für Teilnehmer an Eignungsübungen, die, sofern die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind, den Beitragszuschlag zu zahlen haben.
  • Bezieher von Bürgergeld nach § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB II (Abs. 3 Satz 2, bis zum 30.6.2023 in Satz 7 normiert). Der Gesetzgeber hält diese Ausnahme für sachgerecht, weil die zu erwartenden Mehreinnahmen für diese Personen außer Verhältnis zu dem Verwaltungsaufwand für die Ermittlung der Voraussetzungen für den Beitragszuschlag und den Abzug von der Geldleistung stehen. Darüber hinaus soll sichergestellt werden, dass bei ihnen nicht in das soziokulturelle Existenzminimum eingegriffen werden kann (vgl. BT-Drs. 15/3837 S. 8).
  • Eltern i. S. d. § 56 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 3 Nr. 2 und 3 SGB I (Abs. 3 Satz 3, bis zum 30.6.2023 in Satz 2 normiert). Bereits ein einziges Kind löst bei den Eltern Zuschlagsfreiheit aus. Eltern sind zunächst die Mutter und der Vater (vgl. §§ 1591 ff. BGB). Berücksichtigt werden neben den leiblichen Kindern bzw. Adoptivkindern jedoch auch Stief- und Pflegekinder. Die Elterneigenschaft kann daher auch von mehr als 2 beitragspflichtigen Elternteilen erfüllt sein, z. B. bei Scheidung der Eltern und Wiederheirat eines Elternteils und Aufnahme in den Haushalt des neuen Ehepartners. Neben den leiblichen Eltern ist dann auch der neue Ehepartner von der Zuschlagspflicht befreit. Eltern, deren Kind nicht mehr lebt, gelten ebenso nicht als kinderlos. Eine Lebendgeburt ist ausreichend, um die Zuschlagspflicht dauerhaft auszuschließen (vgl. BT-Drs. 15/3671 S. 6). Als Kinder gelten Adoptivkinder i. S. d. §§ 1741 ff. BGB. Sowohl die leiblichen Eltern zahlen mit der Geburt des Kindes keinen Beitragszuschlag als auch die Annehmenden ab Zustellung des Beschlusses des Familiengerichtes. Adoptionspflegekinder (§ 1744 BGB) gelten bereits für die Zeit der Adoptionspflege als Kinder der Annehmenden und nicht mehr als Kind der leiblichen Eltern. Der Begriff des Stiefkindes ist gesetzlich nicht definiert. In der Literatur werden darunter die in die Ehe eingebrachten, von dem...

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