Rz. 19

Eigenständige Regelungen für Beginn und Ende der Versicherungsfreiheit in der Krankenversicherung bestehen nicht. Die Versicherungsfreiheit einer Beschäftigung wegen Geringfügigkeit folgt vielmehr aus den Regelungen der Geringfügigkeit in § 8 SGB IV, nach dessen Abs. 2 Satz 2 Geringfügigkeit nicht mehr besteht, wenn die Voraussetzung der Entgelt- oder Zeitgeringfügigkeit einschließlich der Zusammenrechnungsregelungen des § 8 Abs. 2 Satz 1 SGB IV nicht mehr vorliegen. Da die Versicherungsfreiheit die Ausnahme von der Krankenversicherungspflicht der entgeltlich Beschäftigten ist, hat derjenige die Voraussetzungen dafür darzulegen, der sich auf die Versicherungsfreiheit wegen Geringfügigkeit beruft, und trägt dafür dann auch die Nachweislast.

 

Rz. 20

Diese Prüfung der Geringfügigkeit ist bei Aufnahme der Beschäftigung vorzunehmen und ist daher, ähnlich wie bei der Versicherungsfreiheit wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze nach der früheren und jetzt wieder geltenden Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 1, nur anhand einer vorausschauenden Betrachtungsweise möglich. Diese Prognose bleibt für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung der Geringfügigkeit auch dann maßgebend, wenn sie sich rückwirkend als unzutreffend erweist (BSG, Urteil v. 27.7.2011, B 12 R 15/09 R; relativierend dagegen BSG, Urteil v. 7.6.2018, B 12 KR 8/16 R). Grundlage der Beurteilung sind die arbeitsvertraglichen und sonstigen rechtlichen Regelungen über die Höhe der zu beanspruchenden regelmäßigen monatlichen Vergütung für die Entgeltgeringfügigkeit (Anspruchstheorie, vgl. BSG, Urteil v. 14.7.2004, B 12 KR 1/04 R) und die Dauer der Beschäftigung für die Kurzzeitigkeit (zur straf- und haftungsrechtlichen Problematik der Beurteilung der Geringfügigkeit vgl. Reiserer/Vorholt, BB 2001 S. 1843). Dabei ist seit dem 1.1.2015 auch der gesetzliche Mindestlohn zu beachten. Werden diese Grenzen eingehalten, besteht Versicherungsfreiheit, werden sie überschritten, entsteht Krankenversicherungspflicht, soweit diese nicht aus anderen Gründen ausgeschlossen ist (zu Einzelheiten vgl. Komm. zu § 8 SGB IV).

 

Rz. 21

Eine von dem Grundsatz des Eintritts von Krankenversicherungspflicht kraft Gesetzes abweichende Regelung enthält § 8 Abs. 2 Satz 3 SGB IV für ab 1.4.2003 anzuwendende Fälle der Zusammenrechnung geringfügiger Beschäftigungen. Besteht infolge der Zusammenrechnung mehrerer geringfügiger Beschäftigungen keine Geringfügigkeit mehr, tritt die Versicherungspflicht erst mit dem Tage der Bekanntgabe dieser Feststellung durch die Einzugsstelle oder den Rentenversicherungsträger ein. Dieser Bescheid der Einzugsstelle oder eines Rentenversicherungsträgers hat konstitutive Wirkung sowohl für die Versicherungs- als auch die Beitragspflicht (so auch Knispel, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, § 7 Rz. 38, Stand: 15.6.2020). Diese Wirkung der nur zukunftsbezogenen Versicherungspflicht und damit auch der Beitragszahlungspflicht des Arbeitgebers nach §§ 28d, 28e SGB IV tritt unabhängig davon ein, aus welchem Grunde die Zusammenrechnung durch den Arbeitgeber bisher nicht beachtet worden war. Die Spitzenverbände der Sozialversicherung hatten in den Geringfügigkeits-Richtlinien v. 25.2.2003 unter Ziff. B 5 allerdings die Auffassung vertreten, dass § 8 Abs. 2 Satz 3 SGB IV nicht anzuwenden sei, wenn der Arbeitgeber es vorsätzlich oder grob fahrlässig versäumt hatte, den Sachverhalt für die versicherungsrechtliche Beurteilung aufzuklären. Diese Auffassung ist durch die Rechtsprechung mangels gesetzlicher Grundlage abgelehnt worden (vgl. z. B. LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 9.4.2008, L 5 R 2125/07), sodass selbst dann die Pflichtversicherung erst mit dem Tag der Bekanntgabe der bescheidmäßigen Feststellung begann, wenn dem Arbeitgeber vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten bei der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung vorgeworfen werden könnte. Dies bedeutet für den Arbeitgeber in der Zeit vom 1.4.2003 bis 31.12.2008, dass er bis zur Feststellung der Versicherungspflicht die höheren Pauschalbeiträge nach § 249b bzw. § 172 Abs. 3 SGB VI zu tragen und zu zahlen hat. Durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze v. 21.12.2008 (BGBl I 2008, S. 2933) ist dem § 8 Abs. 2 SGB IV dann der Satz 4 mit Wirkung zum 1.1.2009 angefügt worden, wonach die Regelung in § 8 Abs. 2 Satz 3 SGB IV über die Versicherungspflicht erst durch die bescheidmäßige Feststellung der Einzugsstelle oder eines Rentenversicherungsträgers nicht gilt, wenn der Arbeitgeber es vorsätzlich oder grob fahrlässig versäumt hatte, den Sachverhalt für die versicherungsrechtliche Beurteilung der Beschäftigung aufzuklären. Diese Regelungen gelten allerdings nur in den Fällen der Zusammenrechnung mehrerer geringfügiger Beschäftigungen; wird die Entgeltgeringfügigkeit einer Beschäftigung falsch beurteilt, weil nicht das zu beanspruchende Arbeitsentgelt zugrunde gelegt wurde (vgl. BSG, Urteil v. 14.7.2004, B 12 KR 1/04 R), besteht ab Beginn der dann mehr a...

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