Rz. 33

Das in Abs. 2 Satz 2 vorgesehene Befreiungsrecht auf Antrag, das rechtssystematisch § 8 zuzuordnen ist, steht lediglich den Personen zu, die der Bestandsschutzregelung des Abs. 2 Satz 1 unterliegen und nicht die Voraussetzungen für eine Familienversicherung erfüllen. Auch dabei ist unerheblich, aus welchen Gründen keine Familienversicherung am 1.4.2003 eintrat.

 

Rz. 34

Das Recht auf Befreiung war innerhalb von 3 Monaten (§ 8 Abs. 2) mit einem entsprechenden Antrag auszuüben, wobei die Frist mit dem 1.4.2003 begann. Der Befreiungsantrag musste daher spätestens am 30.6.2003 bei der zuständigen Krankenkasse eingegangen sein. Zuständig für die Befreiung war die Krankenkasse, die bis zum 31.3.2003 für die versicherungspflichtige Mitgliedschaft zuständig war.

 

Rz. 35

Soweit die Spitzenverbände unter Ziff. B 6.2 ihrer Geringfügigkeits-Richtlinien v. 25.2.2003 (Beilage zu NZS Heft 4/2003 und zu NZA Heft 7/2003; ebenso die Geringfügigkeits-Richtlinien v. 14.10.2009 unter Ziff. B 7.2; nicht geändert in den Geringfügigkeits-Richtlinien v. 21.11.2018) die Rechtsauffassung vertreten hatten, dass der Befreiungsantrag nicht bei dem jeweils zuständigen Versicherungsträger gestellt zu werden braucht, sondern "aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung und der sofortigen Rechtsklarheit" durch einen schriftlichen Verzicht auf die Versicherungspflicht gegenüber dem Arbeitgeber, so kann dieser Auffassung nicht gefolgt werden. Abs. 2 Satz 3 verweist für die Befreiung ausdrücklich auf § 8 Abs. 2, wonach der Antrag innerhalb der Frist von drei Monaten bei der Krankenkasse zu stellen ist. Die Befreiung von der Versicherungspflicht stellt zudem eine hoheitliche Entscheidung mit (erst) statusbegründender Wirkung dar, die erst ab der Entscheidung einer entsprechend befugten Behörde Rechtswirkungen für die Zukunft oder die Vergangenheit (§ 8 Abs. 2 Satz 2) entfaltet, selbst wenn es sich bei der Befreiung um eine gebundene Entscheidung handelt. Der gegenüber dem Arbeitgeber erklärte "Verzicht auf die Versicherungspflicht" (so die Geringfügigkeits-Richtlinien v. 14.10.2009 unter Ziff. B 7.2) ist daher rechtlich bedeutungslos, sodass in solchen Fällen eine fortbestehende Krankenversicherungspflicht besteht, soweit eine Befreiung nicht ohnehin ausscheidet, weil eine Familienversicherung bestand. Diese Prüfung der Familienversicherung durch die Krankenkasse oder die wegen vorheriger Leistungsinanspruchnahme erst später wirksame Befreiung kann nicht stattfinden, wenn der "Befreiungsantrag" durch Erklärung gegenüber dem Arbeitgeber erfolgt, was die Unrichtigkeit der Auffassung der Spitzenverbände bestätigt. Dies gilt auch dann, wenn die Befreiung zum damaligen Zeitpunkt nicht von weiteren Voraussetzungen abhängig war. Eine Befreiungserklärung gegenüber dem Arbeitgeber hätte einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung bedurft, wie sie ab dem 1.1.2013 in § 6 Abs. 1b Satz 2 SGB VI allerdings beschränkt auf die Rentenversicherung vorhanden ist.

 

Rz. 36

Die Wirkung der Befreiung war und ist auf die konkrete Beschäftigung begrenzt, die am 31.3.2003 bestand und über den 1.4.2003 hinaus besteht. Wird der Arbeitgeber gewechselt, endet auch bei sonst gleichen Verhältnissen die Wirkung der Befreiung. Eine neue Beschäftigung war nach den allgemeinen Kriterien von Versicherungspflicht oder -freiheit nach der Entgeltgeringfügigkeitsgrenze von 400,00 EUR zu beurteilen.

 

Rz. 37

Unklar ist, ob die ausgesprochene Befreiung auch für den Fall weiter gilt, dass in dieser konkreten Beschäftigung Krankenversicherungspflicht nach den allgemeinen Regelungen infolge der Erhöhung des Arbeitsentgeltes auf mehr als 400,00 EUR ab 1.4.2003 oder mehr als 450,00 EUR ab 1.1.2013 eintreten würde. Diese Auffassung wurde in den Geringfügigkeits-Richtlinien v. 25.2.2003 (Beilage zu NZS Heft 4/2003 und zu NZA Heft 7/2003) unter Ziff. 6.3; ebenso die Geringfügigkeits-Richtlinien v. 14.10.2009 unter Ziff. B 7.3; nicht geändert in den Geringfügigkeits-Richtlinien v. 21.11.2018) vertreten. Da allerdings Satz 4 die Wirkung der Befreiung gerade auf die jeweilige Beschäftigung beschränkt und (anders als im früheren Abs. 3, der auf die Versicherungspflicht abstellte) nicht auf den Tatbestand der fortbestehenden Krankenversicherungspflicht, spricht dies eher dafür, die Befreiung in dieser Beschäftigung auch bei Eintritt von Krankenversicherungspflicht nach den allgemeinen Regelungen noch als wirksam anzusehen (ebenso Gerlach, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 7 Rz. 40, Stand: 2/2014; a. A. Baier, in: Krauskopf, SozKV, § 7 Rz. 14; Stand: Februar 2013).

 

Rz. 37a

Die nach Abs. 2 Satz 2 ausgesprochene Befreiung ist auf diese Beschäftigung beschränkt und bewirkt keinen Ausschluss anderweitiger Versicherungspflichten nach § 6 Abs. 3 (so auch Karl Peters, in: KassKomm. SGB V, § 7 Rz. 22, Stand: September 2019).

 

Rz. 38

Aus der Nachrangigkeit der fortbestehenden Krankenversicherung gegenüber einer Familienversicherung folgt, dass die ausgesprochene Befreiung einer später möglichen Familienversicherung nicht nach § 10...

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