Rz. 10

Für die Beurteilung der Versicherungsfreiheit wegen Geringfügigkeit werden nach § 8 Abs. 2 Satz 1 SGB IV jeweils mehrere für sich betrachtet entgeltgeringfügige oder kurzfristige Beschäftigungen für die Geringfügigkeitsgrenzen zusammengerechnet. Werden dadurch die Entgelt- oder Zeitgrenzen überschritten, liegt keine geringfügige Beschäftigung mehr vor und es entsteht Krankenversicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 1.

 

Rz. 11

Mit dem Gesetz zur Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse war ab 1.4.1999 zunächst eine generelle Zusammenrechnung von entgeltgeringfügiger und nicht geringfügiger Beschäftigung eingeführt worden. Nach der damaligen Gesetzesbegründung (BT-Drs. 14/280 S. 13) sollte die Zusammenrechnung vermeiden, dass bereits versicherungspflichtige Beschäftigte durch eine oder mehrere geringfügige Nebentätigkeiten eine geringere Beitragsbelastung zu tragen haben als ein Beschäftigter, der ein gleich hohes Arbeitsentgelt aus nur einer Beschäftigung bezieht. Für den Beschäftigten entstand durch die Zusammenrechnung auf der Leistungsseite ein höherer Krankengeldanspruch, wenn er für beide Tätigkeiten arbeitsunfähig war, sich in Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung befand oder wegen Kinderbetreuung der Arbeit fernbleiben musste (§§ 45, 46). Der höhere Anspruch ergab sich daraus, dass die Arbeitsentgelte aller Beschäftigungen der Beitragspflicht unterlagen und demzufolge bei der Berechnung des Krankengeldes zugrunde zu legen waren (§ 47). Durch die Zusammenrechnung der Beschäftigungen lag ein Fall der Mehrfachbeschäftigung vor, für die auch der Arbeitgeber einer an sich geringfügigen Beschäftigung nur den damaligen um 0,9 Beitragspunkte abgesenkten hälftigen Beitragsanteil zu tragen hatte (vgl. § 249 und Komm. dort); er musste dann jedoch nicht den höheren Pauschalbeitrag nach § 249b tragen und zahlen.

 

Rz. 12

Mit dem Zweiten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt ist diese Zusammenrechnung geringfügiger und nicht geringfügiger Beschäftigungen ab 1.4.2003 teilweise wieder rückgängig gemacht worden; eine Zusammenrechnung einer entgeltgeringfügigen Beschäftigung nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV mit einer nicht geringfügigen Beschäftigung erfolgt nach § 8 Abs. 2 Satz 1 SGB IV nunmehr nicht mehr bei nur einer entgeltgeringfügigen Beschäftigung. Diese Neuregelung steht im Widerspruch zur früheren Begründung für die Zusammenrechnung (BT-Drs. 14/280 S. 13) und ist in mehrfacher Hinsicht bedenklich. Es ist schon nicht plausibel erklärbar, warum bei mehrfach Beschäftigten zwei für sich betrachtet geringfügige Beschäftigungen zusammenzurechnen sind und zur Krankenversicherung (und damit auch zur Pflegeversicherung) führen, während bei einer nicht geringfügigen krankenversicherungspflichtigen Beschäftigung die weitere Beschäftigung als geringfügig und unbeachtlich behandelt wird, und dies selbst dann, wenn die Arbeitsentgelte zusammen gleich hoch sind. Aufgrund der wieder eingeführten Differenzierung zwischen geringfügiger und nicht geringfügiger Beschäftigung entfallen die durch die bisherige generelle Zusammenrechnung bestehenden, von Arbeitsentgelt abhängigen Leistungsansprüche bei mehrfacher Beschäftigung, sie bestehen jedoch bei mehreren geringfügigen Beschäftigungen. Auch für nur nach der Übergangsregelung des Abs. 2 weiterhin krankenversicherungspflichtig Beschäftigte bleiben diese Leistungsansprüche wiederum gerade für nur eine an sich geringfügige Beschäftigung bestehen. Andererseits führte und führt die Differenzierung dazu, dass der Arbeitgeber den pauschalen Beitrag für geringfügig Beschäftigte nach § 249b zu tragen und zu zahlen hat, der mit 13 % für nicht im Privathaushalt Beschäftigte den sonst nach § 249 zu tragenden Arbeitgeberanteil von 7,3 % nach § 241 i. V. m. § 249 erheblich übersteigt; auch unter Berücksichtigung des seit 1.1.2019 vom Arbeitgeber zu tragenden hälftigen krankenkassenindividuellen Beitragssatzes nach § 242. In den Fällen nur einer weiteren geringfügigen Beschäftigung, in der schon wegen der Versicherungsfreiheit kein Anspruch auf Krankengeld besteht, hätte der Arbeitgeber anstelle des Beitrags für geringfügig Beschäftigte von 13 % lediglich 7 % (§ 249 i. V. m. § 243) zuzüglich des hälftigen krankenkassenindividuellen Beitragssatzes zu zahlen. Die Neuregelung lässt auch außer Acht, dass insbesondere auch bei schon versicherungspflichtigen Teilzeitbeschäftigten häufig die wirtschaftliche Notwendigkeit weiterer Beschäftigungen als Grundlage der Lebensführung besteht, die im Falle der Arbeitsunfähigkeit oder Krankenhausbehandlung der wirtschaftlichen Absicherung durch einen Anspruch auf Krankengeld bedarf.

 

Rz. 13

Die Spitzenverbände der Sozialversicherung vertreten in den Geringfügigkeits-Richtlinien v. 21.11.2018 unter Ziff. 2.2.2.2 zu der Neuregelung sogar die Auffassung, dass selbst bei mehrfacher geringfügiger Beschäftigung, die für sich gesehen durch die Zusammenrechnung zum Überschreiten der Entgeltge...

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