2.1 Insolvenzfähigkeit (Abs. 1)

 

Rz. 5

Bis zum Inkrafttreten der Vorschrift wurden landes- und bundesunmittelbare Krankenkassen in ihrer Insolvenzfähigkeit unterschiedlich behandelt. Dies resultierte aus der Regelung des § 12 Abs. 1 Nr. 2 InsO, nach der das jeweilige Landesrecht über die Insolvenzfähigkeit juristischer Personen entscheidet, soweit diese der Landesaufsicht unterstehen. Die Länder haben ihre landesunmittelbaren Krankenkassen entsprechend durch Landesrecht für insolvenzunfähig erklärt. Diese unterschiedliche Rechtslage war auch finanziell relevant, da die Insolvenzfähigkeit Umlagepflichten für das Insolvenzgeld nach dem SGB III und für die Insolvenzsicherung der Ansprüche der Beschäftigten auf eine zugesagte betriebliche Altersversorgung auslöst. Die Beseitigung dieses wettbewerbsverzerrenden Privilegs ist nach der Gesetzesbegründung primäres Ziel der Vorschrift. Durch die Insolvenzfähigkeit aller Krankenkassen werden gleiche Rahmenbedingungen hergestellt (BT-Drs. 16/9559 S. 15). Die Sonderregelung des § 12 Abs. 1 Nr. 2 InsO wird nicht mehr auf Krankenkassen angewendet.

 

Rz. 6

Die Rangfolge der verschiedenen Instrumente (Vereinigung, Schließung, Insolvenz; vgl. Rz. 3, 3a) ergibt sich zum Teil aus anderen Vorschriften. § 163 Abs. 2 Satz 2 enthält die Verpflichtung des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband), dort vorliegende Informationen über wirtschaftliche Schwierigkeiten einer Krankenkasse der zuständigen Aufsichtsbehörde mitzuteilen. Als finanzielle Hilfe kommt eine Unterstützung auf freiwilliger Ebene in Betracht, um die Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit einer Krankenkasse bis zur Vereinigung mit anderen Krankenkassen zu erhalten (§ 155 Abs. 3). Weiterhin sind auf Antrag der Aufsichtsbehörde finanzielle Hilfen durch den Spitzenverband Bund möglich (§ 164), wenn dadurch Vereinigungen von Krankenkassen ermöglicht oder erleichtert und diese Fusionen zur Abwendung von Haftungsrisiken für notwendig erachtet werden.

Kann bei einer Krankenkasse nur durch die Vereinigung mit einer anderen Krankenkasse die Leistungsfähigkeit auf Dauer gesichert bzw. die Insolvenz vermieden werden, kann der GKV-Spitzenverband der Aufsichtsbehörde Vorschläge für Fusionspartner vorlegen. Zwangsfusionen durch Beschluss der Aufsichtsbehörde sind möglich, wenn eine "rettende" freiwillige Vereinigung nicht zustande kommt (§ 156 Abs. 2).

 

Rz. 6a

Für die Krankenkassen gilt das Insolvenzrecht, wenn über ihr Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wird. Der Insolvenzordnung gehen als spezialgesetzliche Regelungen die Abs. 2 bis 7 vor.

2.2 Verpflichtung zur Anzeige (Abs. 2)

2.2.1 Anzeigegründe

 

Rz. 7

Ein Insolvenzgrund ist unverzüglich (ohne schuldhaftes Zögern) durch den Vorstand der Krankenkasse der zuständigen Aufsichtsbehörde anzuzeigen (Satz 1). Mit einer frühzeitigen Verpflichtung zur Anzeige der

  • Zahlungsunfähigkeit,
  • drohenden Zahlungsunfähigkeit oder
  • Überschuldung

ist die Aufsichtsbehörde rechtzeitig in der Lage, den Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens (Abs. 3) zu prüfen.

 

Rz. 7a

Die Krankenkasse ist zahlungsunfähig, wenn sie nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen (§ 17 Abs. 2 Satz 1 InsO). Dies ist i. d. R. anzunehmen, wenn sie ihre Zahlungen eingestellt hat (§ 17 Abs. 2 Satz 2 InsO) oder 10 % oder mehr ihrer fälligen Gesamtverbindlichkeiten länger als 3 Wochen nicht erfüllen kann (BGH, Beschluss v. 26.2.2013, II ZR 54/12).

 

Rz. 8

Zahlungsunfähigkeit droht, wenn die Krankenkasse voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungsverpflichtungen im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen (Legaldefinition; vgl auch § 18 Abs. 2 InsO). Darüber ist eine Prognose zu erstellen. In Anbetracht dessen, dass die Krankenkassen die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds in einem zweistufigen Verfahren mit monatlichen Abschlägen und einem Jahresausgleich ausgezahlt bekommen, erscheint ein Prognosezeitraum auf der Grundlage der Abschlagszahlungen bis zum Erhalt der Schlusszahlung als denkbar (Krasney, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl. 2020, § 160 Rz. 26 m. w. N.). Für diesen Zeitraum ist ein Finanzplan zu erstellen, in dem die bereits bestehenden und noch zu begründenden Zahlungspflichten und die in dieser Zeit erwarteten Zahlungseingänge gegenüber zu stellen sind.

 

Rz. 9

Die Krankenkasse ist überschuldet, wenn ihr Vermögen die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung der Krankenkasse ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich (vgl. § 19 Abs. 2 Satz 1 InsO). Um die Überschuldung transparent zu machen, sind

  • die Erstellung einer Überschuldungsbilanz und
  • eine Fortführungsprognose

erforderlich (zweistufiger Überschuldungsbegriff). Beide Tatbestandsmerkmale sind gleichwertig. Liegt eine positive Fortführungsprognose vor, scheidet die Überschuldung selbst bei einer negativen Überschuldungsbilanz aus (Bremen, in: Graf-Schlicker, InsO, § 19 Rz. 12). Umgekehrt ist die Überschuldung ausgeschlossen, wenn die Krankenkasse trotz positiver Fortführungsprognose rechnerisch nicht überschuldet ist.

Verbindlichkeiten sind nicht ...

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