0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

Die Norm ist durch Art. 5 Nr. 12 des Gesetzes für einen fairen Kassenwettbewerb in der gesetzlichen Krankenversicherung (Fairer-Kassenwettbewerb-Gesetz – GKV-FKG) v. 22.3.2020 (BGBl. I S. 604) mit Wirkung zum 1.4.2020 vollkommen neu gefasst worden. Sie regelt nunmehr die Insolvenzfähigkeit von Krankenkassen. Ihr Regelungsgehalt entspricht im Wesentlichen dem früheren Norminhalt des § 171b. Bis zum Inkrafttreten des GKV-FKG bestimmte die Norm die freiwillige Vereinigung von Innungskrankenkassen, die nun in § 155 enthalten ist.

1 Allgemeines

 

Rz. 2

Die Norm bestimmt die Insolvenzfähigkeit der gesetzlichen Krankenkassen und beseitigt die ungleiche Behandlung zwischen landes- und bundesunmittelbaren Krankenkassen (Abs. 1). Bis zum Inkrafttreten der Vorschrift spielte das Insolvenzrecht faktisch keine Rolle, weil schon das im SGB V verankerte Instrument der Kassenschließung auf eine auf Dauer gesicherte Leistungsfähigkeit abstellt. Dieses Kriterium ist aufgrund der daran geknüpften Voraussetzungen im Falle einer finanziellen Schieflage regelmäßig zeitlich früher erfüllt als die weitergehenden Voraussetzungen für einen Insolvenzantrag. Gleichwohl bestand jedoch auch vor Inkrafttreten des § 171b eine rechtliche und tatsächliche Insolvenzfähigkeit der Krankenkassen nach der InsO (vgl. BSG, Urteil v. 1.6.1978, 12 RK 16/77).

 

Rz. 3

Soweit keine von der Insolvenzordnung ausdrücklich abweichenden Regelungen getroffen sind, ist die Anwendung des privatwirtschaftlichen Insolvenzrechts zwingend (Abs. 1). Die Anwendung der Insolvenzordnung als Regelung des Privatrechts macht bei den Krankenkassen als Körperschaften des öffentlichen Rechts besondere Abweichungen erforderlich, die in den Abs. 2 bis 7 geregelt sind.

Die praktische Bedeutung der Norm ist gering. In den bisherigen unter der Geltung des sozialrechtlichen Insolvenzrechts eingetretenen Fällen (CITY BKK und BKK für Heilberufe) hat das Bundesversicherungsamt (seit 1.1.2020: Bundesamt für soziale Sicherung, BAS) die Krankenkasse jeweils nach den sozialrechtlichen Regelungen geschlossen und keinen Insolvenzantrag gestellt.

 

Rz. 3a

Von der Insolvenz einer Krankenkasse ist die Schließung einer Krankenkasse zu unterscheiden. Während sich die Insolvenz einer Krankenkasse grundsätzlich nach der Insolvenzordnung richtet, gelten für die Schließung einer Krankenkasse ausschließlich die sozialrechtlichen Sonderregelungen im SGB V (§§ 159, 165 ff.).

 

Rz. 4

Die Norm gilt nicht für die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau als Träger der Krankenversicherung der Landwirte, die die Krankenversicherung nach dem Zweiten Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte durchführt und in Angelegenheiten der Krankenversicherung die Bezeichnung landwirtschaftliche Krankenkasse führt (§ 17 Satz 3 KVLG 1989). Die Ausnahme ist sachgerecht, da die landwirtschaftliche Krankenkasse nicht am Kassenwettbewerb und Gesundheitsfonds teilnimmt (BT-Drs. 16/9559 S. 19).

Ebenfalls von der Insolvenzfähigkeit ausgenommen ist die Knappschaft als Bestandteil der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See. Die knappschaftliche Krankenversicherung ist als unselbstständige Abteilung der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See in einen Verwaltungsverbund integriert und nicht als Krankenkasse in der Rechtsform einer selbstständigen Körperschaft des öffentlichen Rechts tätig. Die Insolvenzfähigkeit der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See richtet sich nach § 11 Abs. 1 InsO. Wegen der Defizithaftung des Bundes (§ 214 SGB VI) dürfte ihre Insolvenz aber zumindest faktisch ausgeschlossen sein (Krasney, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 160 Rz. 6, Stand: 15.6.2020).

2 Rechtspraxis

2.1 Insolvenzfähigkeit (Abs. 1)

 

Rz. 5

Bis zum Inkrafttreten der Vorschrift wurden landes- und bundesunmittelbare Krankenkassen in ihrer Insolvenzfähigkeit unterschiedlich behandelt. Dies resultierte aus der Regelung des § 12 Abs. 1 Nr. 2 InsO, nach der das jeweilige Landesrecht über die Insolvenzfähigkeit juristischer Personen entscheidet, soweit diese der Landesaufsicht unterstehen. Die Länder haben ihre landesunmittelbaren Krankenkassen entsprechend durch Landesrecht für insolvenzunfähig erklärt. Diese unterschiedliche Rechtslage war auch finanziell relevant, da die Insolvenzfähigkeit Umlagepflichten für das Insolvenzgeld nach dem SGB III und für die Insolvenzsicherung der Ansprüche der Beschäftigten auf eine zugesagte betriebliche Altersversorgung auslöst. Die Beseitigung dieses wettbewerbsverzerrenden Privilegs ist nach der Gesetzesbegründung primäres Ziel der Vorschrift. Durch die Insolvenzfähigkeit aller Krankenkassen werden gleiche Rahmenbedingungen hergestellt (BT-Drs. 16/9559 S. 15). Die Sonderregelung des § 12 Abs. 1 Nr. 2 InsO wird nicht mehr auf Krankenkassen angewendet.

 

Rz. 6

Die Rangfolge der verschiedenen Instrumente (Vereinigung, Schließung, Insolvenz; vgl. Rz. 3, 3a) ergibt sich zum Teil aus anderen Vorschriften. § 163 Abs. 2 Satz 2 enthält die Verpflichtung des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband)...

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