Neben der grundsätzlichen Pflicht zur Beschäftigung Schwerbehinderter regelt das SGB IX noch eine ganze Reihe weiterer Verpflichtungen des Arbeitgebers, die zum Teil bereits vor der Einstellung von Schwerbehinderten einsetzen.

1.1 Besetzung von Arbeitsplätzen

Bei jedem frei werdenden Arbeitsplatz muss der Arbeitgeber prüfen, ob dieser mit einem als arbeitssuchend oder arbeitslos gemeldeten schwerbehinderten Menschen besetzt werden kann.[1] Hierfür nimmt er möglichst frühzeitig Kontakt mit der Agentur für Arbeit auf oder schreibt die Stelle aus. Die Agentur für Arbeit oder ein Integrationsfachdienst schlagen daraufhin geeignete schwerbehinderte Menschen vor.

Teilt ein Bewerber im Bewerbungsschreiben seine Schwerbehinderung mit, ist der Arbeitgeber verpflichtet, das Bewerbungsschreiben bei seinem Eingang vollständig zur Kenntnis zu nehmen. Übersieht der Arbeitgeber den Hinweis auf die Schwerbehinderteneigenschaft und verstößt er deshalb gegen seine Pflichten, wird eine Benachteiligung wegen einer Behinderung vermutet.[2]

 
Achtung

Prüfpflicht trifft alle Arbeitgeber

Die Prüfpflicht nach § 164 SGB IX trifft auch Arbeitgeber, die ihre Beschäftigungsquote bereits erfüllen oder die wegen weniger als insgesamt 20 Arbeitsplätzen von der Pflichtquote nicht betroffen sind.

Das weitere Verfahren läuft dann folgendermaßen ab:

  1. Der Arbeitgeber muss die Schwerbehindertenvertretung und die betriebliche Interessenvertretung (Betriebs- oder Personalrat) über die Vermittlungsvorschläge und die Bewerbung schwerbehinderter Menschen unmittelbar nach Eingang unterrichten.[3] Tut er dies nicht, so wird bei Nichtberücksichtigung des Bewerbers eine Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung vermutet.[4] Die Schwerbehindertenvertretung darf alle entscheidungsrelevanten Teile der Bewerbungsunterlagen einsehen und an Vorstellungsgesprächen teilnehmen.[5] Die Schwerbehindertenvertretung wird nur dann nicht am Bewerbungsverfahren beteiligt, wenn der Bewerber dies ausdrücklich ablehnt.
  2. Erfüllt der Arbeitgeber seine Pflichtquote nicht und sind Schwerbehindertenvertretung, Betriebs- oder Personalrat nicht mit der geplanten Entscheidung des Arbeitgebers einverstanden, muss er die einzelnen Gründe erörtern.[6]
  3. Beim Erörterungsverfahren ist der betroffene schwerbehinderte Mensch anzuhören.[7]
  4. Schließlich muss der Arbeitgeber alle Beteiligten, einschließlich des betroffenen Arbeitnehmers, über seine Entscheidung und die zugrunde liegenden Gründe unverzüglich informieren.

Der Arbeitgeber begeht eine Ordnungswidrigkeit, wenn er die Schwerbehindertenvertretung und/oder die betriebliche Interessenvertretung vorsätzlich oder fahrlässig über

  • Bewerbungen, seine Entscheidungen oder Vermittlungsvorschläge
  • nicht, nicht rechtzeitig oder falsch informiert
  • oder seinen Erörterungspflichten nicht nachkommt.

Eine Ordnungswidrigkeit kann nach § 238 SGB IX mit einer Geldbuße bis zu 10.000 EUR geahndet werden.

1.2 Fragerecht und Offenbarungspflicht im Bewerbungsgespräch

Die Frage nach einer Schwerbehinderung ist ausnahmsweise zulässig, wenn eine bestimmte körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit eine wesentliche und entscheidende Anforderung des konkreten Arbeitsplatzes ist. Demnach darf der Arbeitgeber danach fragen, ob der Bewerber an gesundheitlichen, seelischen oder ähnlichen Beeinträchtigungen leidet, durch die er zur Verrichtung der beabsichtigten vertraglichen Tätigkeit ungeeignet ist.

Ist diese Voraussetzung nicht gegeben, ist die Frage nach der Schwerbehinderung bzw. der Schwerbehinderteneigenschaft unzulässig. Der Grund: Die Frage nach der Schwerbehinderung knüpft an die Eigenschaft "Schwerbehinderung" an und stellt eine unmittelbare Diskriminierung dar.

Über die Art der Behinderung muss der Arbeitnehmer ebenfalls keine Auskunft geben. Ausnahme: Wenn gerade die Behinderung des Bewerbers erfahrungsgemäß seine Eignung für die vorgesehene Stelle beeinträchtigt, ist eine falsche Antwort auf die Frage nach der Behinderung ebenfalls eine arglistige Täuschung.

Von sich aus muss der Arbeitnehmer seinen Schwerbehindertenstatus ebenfalls grundsätzlich nicht offenbaren. Eine Offenbarungspflicht hat er ausnahmsweise nur dann, wenn er erkennen muss, dass er die Arbeit aufgrund seiner Schwerbehinderung gar nicht leisten kann.

 
Hinweis

Arbeitgeber darf im späteren Verlauf des Arbeitsverhältnisses nach Schwerbehinderteneigenschaft fragen

Während einer laufenden Beschäftigung darf der Arbeitgeber nach der Schwerbehinderteneigenschaft fragen. Das gilt nach Ansicht des BAG jedenfalls nach Ablauf von 6 Monaten und insbesondere für den Fall einer bevorstehenden Kündigung.[1]

Die erlaubte Frage nach der Schwerbehinderung im bestehenden Arbeitsverhältnis sollten Arbeitgeber bei begründetem Verdacht auch deshalb stellen, weil sie nur so zuverlässig feststellen können, ob sie zur Zahlung einer Ausgleichsabgabe verpflichtet sind, ...

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