Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeldanspruch. Anwartschaftszeit. verlängerte Rahmenfrist. Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten und Zeiten des Mutterschaftsgeldbezuges

 

Leitsatz (amtlich)

1. § 427a SGB 3 ist auch in Fällen einer nach § 124 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB 3 verlängerten Rahmenfrist anwendbar.

2. § 434d Abs 2 SGB 3 und § 427a Abs 1 SGB 3 sind nebeneinander anwendbar.

 

Orientierungssatz

Etwas anderes folgt auch nicht aus § 427 Abs 2 SGB 2.

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 18. November 2008 sowie der Bescheid der Beklagten vom 31. März 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Juli 2004 aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin auf deren Antrag vom 11. Februar 2004 Arbeitslosengeld zu gewähren.

Die Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld (Alg) ab 11. Februar 2004.

Die ...1964 geborene verheiratete Klägerin stand von 1991 bis zum 10. Januar 2002 in einem Beschäftigungsverhältnis - zuletzt als Zentraleinkäuferin - bei der O... GmbH & Co KG in H... Ihr Sohn T...-N... ist ...1999 geboren. In der Zeit vom 18. November 1998 bis einschließlich 10. Januar 2002 bezog die Klägerin wegen Mutterschutzes (bis 8. März 1999) und anschließender Elternzeit kein Arbeitsentgelt. Die Barmer Ersatzkasse bescheinigte für diese Zeit des Mutterschutzes den Bezug von Mutterschaftsgeld bzw. Sonderunterstützung nach dem Mutterschutzgesetz (MuSchG). Am 4. Februar 2004 unterzeichneten die Klägerin und die O... GmbH & Co KG eine Vereinbarung, in der es heißt, das von der Klägerin am 10. Oktober 2001 aus Anlass des tariflichen Elternurlaubs zum 10. Januar 2002 gekündigte Arbeitsverhältnis werde nach Ablauf des tariflichen Elternurlaubs nicht wieder aufgenommen; die Klägerin verzichte mit sofortiger Wirkung auf alle mit der tariflichen Wiedereinstellungsgarantie verbundenen Rechte. Für den Verlust des Arbeitsplatzes erhalte sie eine Abfindung in Höhe von brutto 30.000,00 EUR.

Am 11. Februar 2004 meldete die Klägerin sich bei der Beklagten arbeitslos und beantragte Alg. Mit Bescheid vom 31. März 2004 lehnte die Beklagte den Antrag ab und führte zur Begründung aus, dass die Klägerin die Anwartschaftszeit - eine der Voraussetzungen für den Bezug von Alg - nicht erfüllt habe. Denn sie habe innerhalb der Rahmenfrist von drei Jahren vor dem 11. Februar 2004 nicht mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden. Ebenso wenig habe sie die Anwartschaftszeit nach den besonderen Bestimmungen für Saisonarbeitnehmer erworben. Aufgrund einer Gesetzesänderung könne wegen Zeiten der Kindererziehung ab 1. Januar 2003 nicht mehr die Rahmenfrist verlängert werden. Einen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe (Alhi) habe die Klägerin ebenfalls nicht, weil sie innerhalb der Vorfrist von einem Jahr kein Alg bezogen habe. Die Entscheidung beruhe auf §§ 117, 123, 124, 190 und 192 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III).

Hiergegen erhob die Klägerin am 30. April 2004 Widerspruch und machte geltend, die Beklagte gehe zu Unrecht davon aus, dass sie nicht innerhalb der Rahmenfrist des § 124 SGB III in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden habe. Zwar sei zutreffend, dass die Zeiten der Kindererziehung seit dem 1. Januar 2003 nicht mehr wie in § 124 Abs. 3 Nr. 2 SGB III aus der Rahmenfrist herausgerechnet würden. Die Beklagte habe jedoch übersehen, dass der Gesetzgeber mit dem Job-AQTIV-Gesetz vom 10. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3443) zeitgleich den Begriff des Versicherungspflichtverhältnisses mit Wirkung zum 1. Januar 2003 neu definiert habe. Nach § 26 Abs. 2a Nr. 1 SGB III seien seither auch Personen in der Zeit der Erziehung eines Kindes, das das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet habe, versicherungspflichtig, wenn sie unmittelbar vor der Kindererziehung versicherungspflichtig gewesen seien. Das sei hier der Fall. Denn sie habe nach der bei Erlass des Bescheides geltenden Gesetzeslage bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres ihres Sohnes ...2002 in einem Versicherungspflichtverhältnis im Sinne von § 123 SGB III gestanden, so dass die Rahmenfrist erfüllt sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 1. Juli 2004, bei dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin eingegangen am 5. Juli 2004, wies die Beklagte den Widerspruch unter Wiederholung und Vertiefung der Gründe des Ausgangsbescheides als unbegründet zurück. Die Beklagte führte aus: Der Anspruch auf Alg setze nach § 117 SGB III u.a. die Erfüllung der Anwartschaft voraus. Diese habe nach § 123 SGB III erfüllt, wer in der Rahmenfrist zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden habe. Die Rahmenfrist betrage drei Jahre und beginne mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg (§ 124 Abs. 1 SGB III). Zeiten der Betreuung und Erziehung eines eigenen Kindes bis zur Vollendung...

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