Rz. 23

§ 26 Abs. 2 Nr. 2 hat das Ziel, durch Gemeinsame Empfehlungen sich bereits im Frühstadium abzeichnende, zukünftige Beeinträchtigungen (gesundheitliche Barrieren) zu erkennen. Dadurch kann dem Fortschreiten gesundheitsgefährdender Prozesse, die durch chronische Erkrankungen und gleichzeitige gesundheitsbelastende Kontextfaktoren begünstigt werden, entgegengewirkt werden.

§ 26 Abs. 2 Nr. 2 korrespondiert mit Nr. 1 (Rz. 14 ff.). Während sich allerdings die Nr. 1 auf die Eignung und Wirksamkeit von Präventionsleistungen zur Vermeidung einer Behinderung bzw. zur Verhütung einer Verschlimmerung bezieht, befasst sich die Nr. 2 auf die Zielgruppe sowie auf die Weise (Ausführung, Art, Form, Dauer) von präventiven Teilhabeleistungen. Schwerpunkt ist bei Nr. 2, eine durch eine Chronifizierung von Erkrankungen bedingte Behinderung zu verhindern – und das zu einem möglichst frühen Zeitpunkt.

Demnach verwundert es nicht, dass es in der Zeit vom 1.4.2005 bis 31.7.2014 zum Tertiärpräventionsbereich neben der Gemeinsamen Empfehlung Prävention nach § 3 SGB IX (vgl. Rz. 14) auch noch eine weitere Gemeinsame Empfehlung – nämlich die "Gemeinsame Empfehlung gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 2 SGB IX zur frühzeitigen Erkennung eines Bedarfs an Leistungen zur Teilhabe (Gemeinsame Empfehlung Frühzeitige Bedarfserkennung)" gab (Anmerkung: Die Vorgängervorschrift des § 26 Abs. 2 Nr. 2 ist § 13 Abs. 2 Nr. 2). Auch diese Gemeinsame Empfehlung befasste sich mit dem Folgen von chronischen Erkrankungen bezogen auf das Entstehen einer Behinderung. Die Inhalte dieser Gemeinsamen Empfehlung sind in die §§ 10 ff. der "Gemeinsamen Empfehlung Reha-Prozess" (vgl. Rz. 5) geflossen.

Nach § 10 Abs. 3 der Gemeinsamen Empfehlung sind Leistungen zur Teilhabe angezeigt, wenn eine individuelle Rehabilitationsbedürftigkeit und Rehabilitationsfähigkeit festgestellt ist und sich ein Rehabilitationsziel mit positiver Rehabilitationsprognose konkretisieren und formulieren lässt. Eine Rehabilitationsbedürftigkeit besteht, wenn infolge einer Schädigung der Körperfunktionen und -strukturen und/oder Beeinträchtigungen der Aktivitäten unter Berücksichtigung von Umweltfaktoren und der auf die jeweilige Person bezogenen Faktoren (Alter, persönliche Einstellungen usw.) die Teilhabe an an den Lebensbereichen (vgl. Rz. 66) bedroht oder beeinträchtigt ist.

Anhaltspunkte für einen möglichen Bedarf an Leistungen zur Teilhabe und somit für Fallgestaltungen i. S. d. § 26 Abs. 2 Nr. 2 ergeben sich gemäß § 11 Abs. 1 der Gemeinsamen Empfehlung insbesondere bei Personen, auf die z. B. einer der nachfolgend aufgeführten Sachverhalte zutrifft:

  • Länger als 6 Wochen ununterbrochene oder wiederholte Arbeitsunfähigkeit innerhalb der letzten 12 Monate, z. B. im Rahmen des Betrieblichen Eingliederungsmanagements.
  • Bestehen einer chronischen Erkrankung oder einer Multimorbidität bei Menschen jeden Alters.
  • Wiederholte oder lang andauernde ambulante oder stationäre Behandlungen wegen derselben Erkrankung; insbesondere dann, wenn durch eine Erkrankung eine Behinderung oder eine Gefährdung bzw. Minderung der Erwerbsfähigkeit droht.
  • Gesundheitliche Beeinträchtigungen bei der Ausübung oder Aufnahme einer Erwerbstätigkeit sowie ein (drohender) krankheitsbedingter Arbeitsplatzverlust.
  • Beantragung oder Bezug einer teilweisen oder vollen Erwerbsminderungsrente.
  • Besonders belastende Ausbildungs-, Arbeits- und Lebensbedingungen (z. B. Pflege von Angehörigen).
  • Verschlimmerung oder sich neu ergebende Aspekte für eine mögliche Verbesserung des Leistungs- und Teilhabevermögens nach bereits in Anspruch genommener Teilhabeleistung.
  • Gesundheitsstörung, der vermutlich eine psychische Erkrankung, eine psychosomatische Reaktion oder eine Suchtmittelabhängigkeit zugrunde liegt.
  • Zustand nach traumatischen Erlebnissen.
  • Auffälliges Verhalten in der Kindertagesstätte oder der Schule (Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen mit anhaltenden Verhaltensmustern, Belastungs- und Anpassungsstörungen, eingeschränkte Wahrnehmung der äußeren Wirklichkeit).
  • Bestehen einer komplexen Bedarfslage des Betroffenen.
 

Rz. 24

Insbesondere niedergelassene (Fach-)Ärzte und Ärzte in Krankenhäusern sind oft die ersten Bezugspersonen, die einen möglichen Bedarf an Leistungen zur Teilhabe erkennen können. Sie sollen die betroffenen Menschen über geeignete Leistungen zur Teilhabe beraten und bei Bedarf bei der Antragstellung unterstützen.

Nach § 13 der "Gemeinsamen Empfehlung Reha-Prozess" sollen u. a. auch Betriebsärzte, (Sucht-)Beratungsstellen, Schulen sowie Menschen des betrieblichen Umfelds (Schwerbehindertenvertretungen, Betriebs- und Personalräte usw.) in die frühzeitige Bedarfserkennung einbezogen werden. Natürlich ist es notwendig, dass diese Informationen bei dem Rehabilitationsträger ankommen und dort verarbeitet werden. Wie das in der Praxis umgesetzt werden kann, zeigt das Beispiel der WEB-Reha unter Rz. 19.

Selbstverständlich warten die Rehabilitationsträger nicht darauf, von außen auf den Rehabilitations-/Teilhabebedarf hingewiesen zu ...

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