Sobald wir mit anderen kommunizieren, spielen alle vier Seiten der Nachricht eine Rolle. Jede Seite einer Nachricht entspricht einem "Ohr", mit dem wir Teile der Nachricht aufnehmen.

Zu Konflikten kann es kommen, wenn nur eine Seite "herausgehört" wird und die anderen drei Seiten einer Nachricht weitgehend verloren gehen. Ebenso kann der Empfänger einer Seite einer Nachricht ein zu starkes Gewicht geben. Abhängig davon, auf welchem "Ohr" ein Gesprächspartner gerade vorrangig eine Botschaft empfängt, wird das Gespräch unterschiedlich verlaufen.

Hier entscheidet sich oft, ob aus der Kommunikation ein Konflikt entsteht. Es liegt in unserer Hand, mit welchem "Ohr" wir Nachrichten empfangen. Um Konflikte schon im Ansatz zu vermeiden, sollten wir daher versuchen, "mit allen vier Ohren" Nachrichten zu empfangen und zu verarbeiten. In besonderen Fällen können wir uns dabei bewusst auf ein Ohr konzentrieren.

2.3.1 Das "Sach-Ohr"

Hier stellt sich die Frage: "Wie ist der Sachinhalt zu verstehen?"

In unserem Beispiel würde die Frau am Steuer mit ihrem Sachohr lediglich die Information empfangen, dass die Ampel grün leuchtet.

Viele Menschen neigen dazu, ihr Sach-Ohr weit geöffnet zu haben und die anderen drei Ohren zu verschließen.

 
Praxis-Beispiel

Sie: "Liebst du mich überhaupt noch?"

Er: "Ja, weißt du, da müssten wir den Begriff "Liebe" erst einmal eindeutig definieren, denn unter "Liebe" kann man ja nun mal sehr viel verstehen ..."

2.3.2 Das "Selbstkundgabe-Ohr"

Hier stellt sich die Frage: "Was ist das für einer? / Was ist mit ihm?"

 
Praxis-Beispiel

Ein Vorgesetzter kommt morgens, nach einem schweren Konflikt mit seiner Ehefrau, ins Büro und schnauzt seine Sekretärin an: "Sie sind ja zu nichts zu gebrauchen, außer zum Kaffeekochen. Machen Sie mir einen starken Kaffee, nicht so eine dünne Brühe wie gestern Nachmittag."

In diesem Beispiel könnte die Sekretärin mit ihrem "Selbstkundgabe-Ohr" hören und sich die Fragen stellen: "Was ist mit ihm?/Welche Laus ist ihm über die Leber gelaufen?"

In diesem Fall gelingt es der Sekretärin also, die automatische Schlussfolgerung "So eine bin ich also" zu ersetzen durch "So einer ist er also".

 
Praxis-Tipp

Keinen Konflikt entstehen lassen

Sobald ein Mensch aggressiv oder verletzend auftritt, ist die Gefahr groß, dass dadurch ein Konflikt vom Zaun gebrochen wird.

Hier können Sie von vornherein einen Konflikt vermeiden: Öffnen Sie in solchen Situationen ganz bewusst Ihr Selbstkundgabe-Ohr und fragen Sie sich, warum Ihr Gegenüber so handelt; konzentrieren Sie sich dabei auf seine Person. Sie können ihm somit leichter seine Gefühle zugestehen, ohne gleich persönlich verletzt oder wütend zu werden. Finden Sie einen möglichen Grund für sein unangebrachtes Verhalten und Ihre Wahrnehmung wird automatisch auf ihn gelenkt. Auf diese Weise können Sie einen ruhigen Kopf bewahren und ihn angemessen behandeln.

Seien Sie sich jedoch darüber im Klaren, dass das Öffnen des Selbstkundgabe-Ohrs einiger Übung bedarf, aber für Führungskräfte eine absolut unerlässliche Fähigkeit darstellt. Zudem müssen Sie bei ungerechtfertigten Anklagen und Vorwürfen auch ein wenig die "anderen Ohren" offen halten bzw. im Gespräch zu verstehen geben, dass Sie – den Umständen entsprechend – Verständnis haben und die unangemessene Art und Weise der Kommunikation diesmal "überhören".

2.3.3 Das "Beziehungs-Ohr"

Mit dem "Beziehungs-Ohr" kann man hören, wie das Gegenüber zu uns steht und was es von uns hält: "Wie redet der eigentlich mit mir? / Wen glaubt er vor sich zu haben?"

Oft kann man dies der Formulierung, dem Tonfall oder der Körpersprache entnehmen. Hier haben die meisten Menschen ein besonders empfindliches Ohr.

Bei Menschen mit einem übergroßen "Beziehungs-Ohr" sind Konflikte fast schon vorprogrammiert: Das "Beziehungs-Ohr" ist so groß, dass sie in viele beziehungsneutrale Nachrichten eine Stellungnahme zu ihrer Person hineinlegen oder übergewichten. Sie beziehen alles auf sich, nehmen zu viel persönlich, fühlen sich leicht angegriffen und sind schnell beleidigt. Diese Menschen liegen ständig auf der "Beziehungslauer".

2.3.4 Das "Appell-Ohr"

Manche Menschen wollen allen alles recht machen. Diesen ist mit der Zeit ein zu großes "Appell-Ohr" gewachsen und sie versuchen, selbst den unausgesprochenen Wünschen ihrer Mitmenschen zu entsprechen. Sie sind ständig auf dem "Appell-Sprung".

 
Praxis-Beispiel

Der Chef kommt ins frisch renovierte Büro seines Mitarbeiters und schaut sich um. Seine umherschweifenden Blicke nimmt der Mitarbeiter mit seinem übergroßen "Appell-Ohr" wahr und fragt seinen Vorgesetzten: "Was suchen Sie? Einen Kaffee? Warten Sie, ich hole einen."

Es ist Vorsicht geboten vor vorauseilendem Gehorsam. In vielen Unternehmen wurde und werden Konformität und Gehorsam stärker "belohnt" als sach- und kundenorientierte Problemlösungen. Daher ist es verständlich, dass einige Mitarbeiter stets auf dem "Appell-Sprung" sind, um den Erwartungen ihrer Vorgesetzten bereits im Voraus zu entsprechen. Daraus können sich Konflikte ergeben.

 
Praxis-Tipp

Fördern Sie unkonventionelles Verhalten

Auf Mitarbeiter, die auf dem "Appell-Sprung" sind, sollte g...

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