Folgt man den aktuellen Trends, so sind nicht nur in gesellschaftlichen Fragen – zum Beispiel zu ökologischen oder gesundheitlichen Aspekten – sondern auch im Businesskontext (z. B. Customer Behaviour) strukturelle Ansätze mittlerweile aus den Forschungslabors der Psychologie, der Verhaltensforschung, Marketing und Vertrieb sowie der Forschung zum Thema „Überzeugen“ ins Rampenlicht getreten. Insbesondere die Arbeiten von Cialdini sind hier als bahnbrechende und unumstrittene Wegbereiter zu werten[1].

An dieser Stelle sollen zwei aktuell populäre Ansätze – in aller Kürze beleuchtet und beispielhaft – illustriert werden.

Das, was unter dem Stichwort „Priming“ gebündelt wird, ist im wesentlichsten auf die Bildung von Reiz-Reaktionsketten zurückzuführen.

Durch die Darbietung bestimmter Reize (selbst diejenigen, die nicht bewusst wahrgenommen werden), wird das Gehirn darauf vorbereitet, die Aktivierungsschwelle für zeitnah folgende Reize ähnlicher Art zu senken. Sehr vereinfacht ausgedrückt: Wenn ich immer wieder mit den gleichen Signalen konfrontiert werden, werden diese irgendwann in der bewussten Wahrnehmung auftauchen. Beim Priming geht es aber nicht primär nur um eine Wiedererkennbarkeit, sondern vor allem um die mentalen Assoziationen oder persönlichen Bewertungen eines wiedererkannten Reizes. Einfach illustriert: Wenn die später wiederzuerkennenden Reize immer wieder mit grundsätzlich positiven oder wünschenswerten Bildern, Tönen, Erlebnissen usw. dargeboten werden, diese – zunächst mehr oder weniger wertfreien – Reize mit positiven Attributen „geprimt“ wird, sind Menschen eher geneigt, den später bewusst präsentierten Reiz positiver zu bewerten[2].

 
Praxis-Beispiel

Priming

Eines der Experimente führten Lawrence E. Williams, Professor für Marketing an der University of Colorado Boulder, und der Psychologe John A. Bargh im Jahr 2008 durch. Dabei widmeten sie sich vor allem der Fragestellung, wie sich physische Wärme auf unser Verhalten auswirkt. Probanden bekamen daher zu Beginn des Experiments entweder eine Tasse mit heißem Kaffee oder mit Eiskaffee. Ein kleiner Trick, um ein haptisches Gefühl von Wärme oder Kälte auszulösen. Einige Zeit später wurde jedem einzelnen eine fremde Person vorgestellt, die sie im Anschluss beurteilen sollten. Wichtig: Keiner der Probanden ahnte einen Zusammenhang zwischen den Getränken und dem Experiment. Und trotzdem war das Ergebnis verblüffend. Alle Probanden nahmen die fremde Person deutlich positiver wahr, wenn sie einen warmen Kaffeebecher anstelle eines Eiskaffees in der Hand hielten[3].

Unter „Nudging“ versteht man das „anstubsen in die richtige Richtung[4] “. Bekannt wurde dieser Begriff der Verhaltensökonomik vor allem durch den Spiegelbestseller von Richard Thaler und Cass Sunstein: „Nudge, wie man kluge Entscheidungen anstößt“[5]. Diese „Anstöße" oder Nudges versuchen das Verhalten von Menschen zu beeinflussen, ohne auf Verbote oder ökonomische Anreize zu setzen.

 
Praxis-Beispiel

Nudging

In nahezu jedem Hotelzimmer findet man im Badezimmer einen Nudge – ein Schild oder einen Aufkleber, der darauf verweist, dass man gerne täglich die Handtücher wechselt, sofern jemand diese aber an einem weiteren Tag nutzt, ein Beitrag zum Umweltschutz geleistet wird.

Großartig! Das macht man doch gleich gerne.

Der ursprüngliche Gedanke war allerdings nicht die Stärkung des Umweltschutzes, sondern der schnöde Auftrag die Kosten des Hotelbetriebs zu senken. Plötzlich hinterlässt dieser Nudge ein klein wenig einen Beigeschmack, der sich aber relativ schnell auflösen lässt, denn durch den Anstubser, das „Richtige“ zu tun, in dem Fall für die Umwelt, wird eine Win-Win-Situation erzeugt, die wir zu akzeptieren bereit sind.

Nudges finden sich in einer Vielzahl unserer tagtäglichen Interaktionen mit der Umwelt, sei es im Straßenverkehr, bei der Akzeptanz von Cookies wenn Sie Webseiten besuchen uvam.

 
Praxis-Tipp

Tägliche Interaktionen erkennen

  1. Lesen Sie sich in das Thema Nudging ein.
  2. Nehmen Sie sich vor, an einem freien Tag bewusst darauf zu achten, wo Ihnen überall Nudges begegnen.
  3. Wenn Sie einen Nudge entdecken, fragen Sie sich direkt: “Was ist die Absicht des Nudges?
  4. Frage Sie sich am Ende des Tages, wieviele Nudges im Laufe Ihres Tages Ihr Verhalten gesteuert haben und bewerten Sie ganz individuell für sich:

    1. Wie fühlt es sich für Sie an, zu realisieren, wieviel Ihre Entscheidungen gesteuert wurden?
    2. Wurden – aus Ihrer Sicht – primär Ihre Interessen in die richtige Richtung gelenkt?
    3. Wie würden Sie reagieren, wenn Sie merken würden, dass Ihr Verhalten gelenkt werden sollte, diese Lenkung aber nicht zu Ihrem oder dem allgemeinen Vorteil gereicht?

Gerade in Zeiten großer Disruption und sich verändernder Paradigmen der (Arbeits-) Welt scheinen diese – in bester Absicht – unbewusst wirkenden Ansätze ein mächtiges Instrument der gezielten Verhaltensbeeinflussung. Und dennoch steht dahinter ein höchst wirksamer Ansatz der gezielten Verhaltenslenkung.

Auf der anderen Seite wird eine nicht transparente Beeinfluss...

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