Rz. 52

Nach dem Willen des Gesetzgebers handelt es sich bei der in § 5 Abs. 1a Satz 2 Teil 2 EFZG formulierten Pflicht ("Diese [gemeint sind: Arbeitnehmer] sind verpflichtet ..."), sich eine ärztliche Bescheinigung nach § 5 Abs. 1 Satz 2 oder 4 EZFG aushändigen zu lassen, nur um eine Obliegenheit. Die Papierbescheinigung soll dem Arbeitnehmer als das gesetzlich vorgesehenen Beweismittel mit dem ihr von der Rechtsprechung zugebilligten hohen Beweiswert erhalten bleiben, um insbesondere in Störfällen das Vorliegen der Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung der Entgeltfortzahlung nach § 3 EFZG außerprozessual und prozessual nachzuweisen.[1] Der Gesetzgeber geht offensichtlich davon aus, dass den gemäß § 109 SGB IV für den Arbeitgeber elektronisch abrufbaren Arbeitsunfähigkeitsdaten kein der papierenen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gleichwertiger Beweiswert zukommt, wenn Streitigkeiten zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber auftreten. Entsprechend hat er in der Begründung zum Gesetzentwurf ausgeführt: "An dieser Papierbescheinigung ist festzuhalten, bis ein für den Nachweis der Arbeitsunfähigkeit gegenüber dem Arbeitgeber geeignetes elektronisches Äquivalent dazu mit gleich hohem Beweiswert zur Verfügung steht."[2] Im Eigeninteresse des Arbeitnehmers wird er deshalb der Obliegenheit aus § 5 Abs. 1a Satz 2 Teil 2 EFZG nachkommen. Als Störfall[3] kommt dabei nicht nur die vom Gesetzgeber aufgeführte fehlgeschlagene Übermittlung im elektronischen Verfahren zwischen Vertragsarzt und Krankenkasse in Betracht. Vielmehr gehören hierher gerade auch die Fälle, in denen der Arbeitgeber Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers hat, das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit bestreitet und die Zahlung von Entgeltfortzahlung verweigert. Auch hier besteht für den Arbeitnehmer die Notwendigkeit, seine Arbeitsunfähigkeit zu beweisen.

Problematisch ist, ob die Beweislast des Arbeitnehmers nun im Gegensatz zur bisherigen Rechtslage schon dann ausgelöst wird, wenn ein Arbeitgeber das Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit schlicht bestreitet, auch wenn entsprechende Arbeitsunfähigkeitsdaten elektronisch abrufbar sind. Hier sind verschiedene Problemkreise zu trennen: Zunächst stellt sich die Frage, welcher Beweiswert den elektronisch abrufbaren Daten im Verhältnis zu einer papierenen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zukommt. Zunächst ist zu berücksichtigen, dass die elektronisch abrufbaren Daten keine Angabe zu dem behandelnden Arzt enthalten. Ein Arbeitgeber kann deshalb z. B. die in § 275 Abs. 1a Buchst. b SGB V aufgeführte vermutete Berechtigung von Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit, wenn sie von einem Arzt festgestellt worden ist, der durch die Häufigkeit der von ihm ausgestellten Bescheinigungen über Arbeitsunfähigkeit auffällig geworden ist, nicht überprüfen.[4] Wird aber davon ausgegangen, dass auch "nur" elektronisch zur Verfügung gestellten Daten als Augenscheinsobjekten gemäß § 371 ZPO eine gewisse Beweisfunktion zukommt[5], ist zu beachten, dass der Gesetzgeber die Obliegenheit des Arbeitnehmers, sich eine ärztliche Bescheinigung aushändigen zu lassen gerade deshalb in § 5 Abs. 1a Satz 2 Teil 2 EFZG aufgenommen hat, weil mit den nach § 109 SGB V abrufbaren elektronischen Daten noch kein geeignetes elektronisches Äquivalent zur Verfügung stehen soll. An dieser gesetzgeberischen Auffassung wird man nicht vorbeikommen. Damit kann der Arbeitnehmer den Arbeitgeber nicht auf die elektronisch abrufbaren Daten zur Arbeitsunfähigkeit verweisen. Vielmehr wird er zum Beweis der Arbeitsunfähigkeit die papierene Bescheinigung vorlegen müssen.[6]Das beantwortet auch die weitergehende Frage, ob ein Arbeitgeber – anders als bei der papierenen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, bei der der Beweiswert durch Vortrag tatsächlicher Umstände erschüttert werden muss – das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit allein schon deshalb bestreiten kann, weil der Arbeitnehmer eine papierene Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht vorgelegt hat und die Daten zur Arbeitsunfähigkeit nur elektronisch abrufbar sind. Das gesetzgeberische Ziel, sowohl Unternehmen als auch Arbeitnehmer von dem manuellen Bearbeitungsaufwand zu entlasten, der mit der Einreichung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in Papierform verbunden ist, und der angesichts der fortschreitenden Digitalisierung nicht mehr zeitgemäß ist[7], wird dadurch zwar vollkommen konterkariert. Solange aber den elektronisch abrufbaren Arbeitsunfähigkeitsdaten nicht derselbe Beweiswert zugesprochen wird wie der papierenen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, wird einem solchen Bestreiten des Arbeitgebers nicht beizukommen sein. Von Ausnahmefällen abgesehen wird diesem Vorgehen insbesondere nicht der Rechtsmissbrauchseinwand entgegengehalten werden können. In der Regel werden die Arbeitgeber gerade zur Vereinfachung der mit von Krankheitszeiten einhergehenden Abwicklungsschritte auf die elektronisch abrufbaren Daten zurückgreifen und nur bei Arbeitnehmern, bei denen sie ein "Störgefühl" haben, auf der papierenen...

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