Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch zur Herbeiführung eines früheren Beginns der Altersrente

 

Orientierungssatz

1. Wird ein Antrag auf Gewährung von Altersrente verspätet gestellt, so wird die Rente nach § 99 Abs. 1 S. 2 SGB 6 von dem Monat an geleistet, in dem die Rente beantragt wird.

2. Ein früherer Rentenbeginn über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch ist ausgeschlossen, wenn der Rentenversicherungsträger die ihm obliegenden Pflichten zur Auskunft und Beratung nach §§ 14, 15 SGB 1, 115 Abs. 6 SGB 6 ordnungsgemäß wahrgenommen hat.

3. Hierzu ist ausreichend, wenn der Rentenversicherungsträger entsprechende Informationsschreiben an die ihm bekannte Anschrift des Versicherten rechtzeitig gerichtet hat. Einer deutschen Auslandsvertretung obliegen keine Hinweispflichten i. S. der genannten Vorschriften. Sie ist lediglich verpflichtet, Anträge entgegenzunehmen, § 16 Abs. 1 S. 2 SGB 1. Hat der Versicherte seine Meldeanschrift bei dem Rentenversicherungsträger beibehalten und sich nicht um die Nachsendung der dort eingehenden Post gekümmert, so ist ein früherer Rentenbeginn auf dem Weg des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ausgeschlossen.

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 21. 6. 2018 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I. Streitig ist in der Hauptsache der Beginn einer Regelaltersrente.

Der am 00.00 1947 geborene Kläger wohnte ab dem 1.6.2011 in N, C-straße 00, wo er bis zum 27.1.2016 durchgehend gemeldet war. Er wurde am 10.12.2011 in Italien inhaftiert und war dort bis zum 10.12.2015 in Haft. Während dieser Zeit bezog der Kläger offenbar (bis zum 31.7.2012 und wieder ab dem 1.1.2015) Arbeitslosengeld II vom Jobcenter des Kreises S. Am 16.12.2012 (also während der Haft in Italien) erreichte der Kläger die für ihn maßgebliche Regelaltersgrenze von 65 Jahren und einem Monat, vgl. § 235 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Am 21.12.2015 beantragte er bei der Stadt N Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch. Die Stadt N teilte dies der Beklagten mit, die dem Kläger auf der Grundlage eines "am 21.12.2015 gestellten Antrags" Regelaltersrente ab dem 1.12.2015 in Höhe von - netto - EUR 749 bei Zugrundelegung eines erhöhten Zugangsfaktors von 1,175 gewährte (Rentenbescheid vom 8. März 2016).

Im August 2016 beantragte der Kläger die Überprüfung dieses Bescheides mit dem Begehren, die Regelaltersrente ab Erreichen der Regelaltersgrenze (also ab Januar 2013, mithin für weitere 35 Monate) zu zahlen. Die Beklagte hätte über das deutsche Konsulat in Italien entsprechende Hinweise auf die Rentenberechtigung erteilen müssen. Wäre dies geschehen, hätte er den Rentenantrag früher gestellt. Die Beklagte lehnte den Überprüfungsantrag ab (Bescheid vom 26.8.2016; Widerspruchsbescheid vom 12.6.2017).

Im anschließenden Klageverfahren hat der Kläger vorgetragen, er sei aufgrund seiner Inhaftierung nicht in der Lage gewesen, die erforderlichen Kenntnisse über den regulären Rentenbeginn zu erhalten. Dem deutschen Konsulat in Italien sei der dortige Aufenthalt des Klägers bekannt gewesen. Diese Kenntnis sei der Beklagten zuzurechnen.

Die Beklagte trägt vor, der Auslandsaufenthalt des Klägers sei ihr nicht bekannt gewesen. Deshalb habe sie eine Rentenauskunft vom 20.1.2012, in der das Datum der des Erreichens der Regelaltersgrenze explizit genannt ist, wie auch die Hinweisschreiben vom 13. November und 18.12.2012, die auf einen möglichen Rentenantrag hinweisen, an den Kläger unter der ihr bekannten Adresse C-straße 00 in N gerichtet.

Das Sozialgericht (SG) hat abgelehnt, Prozesskostenhilfe zu bewilligen, weil die Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete (Beschluss vom 21.6.2018).

Dagegen hat der Kläger am 3.7.2018 Beschwerde eingelegt. Die Beklagte habe Kenntnis über den Aufenthalt des Klägers im europäischen Ausland gehabt, weil ihr die Kenntnis der deutschen Auslandsvertretung zuzurechnen sein. Das deutsche Konsulat sei überdies verpflichtet, über (mögliche) Leistungen der Sozialversicherung zu informieren.

Die Beklagte hat darauf hingewiesen, dass sie ihre Hinweispflichten gegenüber Versicherten, die sich im (EU-) Ausland aufhalten, in der gleichen Weise wahrnehme wie gegenüber Versicherten, die sich im Inland aufhalten, sofern sie Kenntnis vom Auslandsaufenthalt habe.

II. Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Zu Recht hat das SG abgelehnt, Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint, §§ 73 a Sozialgerichtsgesetz (SGG), 114 Zivilprozessordnung (ZPO). Hinreichende Aussicht auf Erfolg setzt voraus, dass eine - nicht ganz entfernt liegende - Möglichkeit des Obsiegens b...

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