Entscheidungsstichwort (Thema)

Rentenberechnung. erneuter Rentenbezug. reduzierter Zugangsfaktor. Unterbrechungszeitraum von mehr als 24 Monaten. keine Heranziehung des § 77 Abs 3 S 1 SGB 6 zugunsten des Versicherten

 

Leitsatz (amtlich)

§ 77 Abs 3 S 1 SGB 6 kann zugunsten des Versicherten nur herangezogen werden, wenn zwischen der früher gewährten und der nunmehr zu bewilligenden Rente kein Unterbrechungszeitraum von mehr als 24 Kalendermonaten gelegen hat.

 

Orientierungssatz

1. Mit der Regelung des § 77 Abs 3 S 1 SGB 6 wollte der Gesetzgeber zulasten der Versicherten sicherstellen, dass die mit einem vorzeitigen Rentenbezug einhergehende (sich auf die gesamte Dauer des Rentenbezuges erstreckende) Kürzung des Zugangsfaktors auch dann dauerhaft wirksam bleibt, wenn der Versicherte in eine andere Rente wechselt. Dabei machen bereits die Tatbestände der Ausnahmevorschriften des § 77 Abs 3 S 3 SGB 6 deutlich, dass § 77 Abs 3 S 1 SGB 6 nicht nur Fallgestaltungen eines nahtlosen Überganges von der einen in die andere Rente erfassen soll (Entgegen LSG Celle-Bremen vom 24.8.2005 - L 1 RA 243/03).

2. Es ist kein Grund dafür ersichtlich, das Interesse des Versicherten an der Beibehaltung einer für ihn günstigen Bemessung des Zugangsfaktors als größer oder schutzwürdiger als sein Interesse an der Beibehaltung einer für ihn günstigen Gesamtzahl der Entgeltpunkte zu bewerten. Nachdem der Gesetzgeber letzteres Interesse in der ausdrücklichen Regelung des § 88 Abs 1 S 2 SGB 6 nur für Unterbrechungszeiträume von bis zu 24 Kalendermonaten als schutzwürdig angesehen hat, ist die diesbezüglich in § 77 Abs 3 Satz 1 SGB 6 bestehende Regelungslücke ebenfalls in diesem Sinne zu schließen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 25.11.2011; Aktenzeichen B 13 R 9/11 R)

BSG (Urteil vom 19.10.2011; Aktenzeichen B 13 R 9/11 R)

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen

 

Tatbestand

Der am 29. Januar 1947 geborene Kläger wendet sich gegen die Neuberechnung der ihm seit August 2007 gewährten Altersrente.

Der Kläger bezog vom 1. August 1996 bis zum 30. Juni 1998 eine Rente wegen Berufsunfähigkeit. Der Rentenberechnung lagen 53,1427 Entgeltpunkte zugrunde (vgl. Anlage 6 des Bescheides vom 19. März 1997). In der Folgezeit war der Kläger erneut erwerbstätig.

Im Oktober 2007 beantragte er die Gewährung einer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit ab August 2007. Mit Bescheid vom 30. Oktober 2007 bewilligte die Beklagte dem Kläger ab August 2007 die begehrte Altersrente in Höhe eines monatlichen Zahlbetrages in Höhe von 1.353,43 € ab Dezember 2007. Zugleich bewilligte sie ihm für den Zeitraum August bis November 2007 eine Nachzahlung von 5.413,72 €. Ausweislich der Begründung des Bescheides hatte die Beklagte bei der Rentenberechnung 56,3265 Entgeltpunkte mit einem Zugangsfaktor von 1,0 herangezogen, da diese bereits Grundlage einer früheren Rente, d.h. der bis 1998 bezogenen Rente wegen Berufsunfähigkeit, gewesen seien. Weitere 0,5681 Entgeltpunkte hatte die Beklagte mit einem Zugangsfaktor von 0,838 herangezogen, so dass sich im Ergebnis 56,8026 Entgeltpunkte ergaben. Diese multipliziert mit dem damaligen aktuellen Rentenwert von 26,27 € ergaben einen Bruttorentenbetrag von 1.492,20 €, entsprechend einem Nettozahlbetrag nach Abzug der Beiträge bzw. Beitragsanteile zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 1.353,43 €.

Nach nochmaliger Prüfung hob die Beklagte bereits zwei Tage später diesen Bescheid mit weiterem Bescheid vom 1. November 2007 gestützt auf § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) auf. Nunmehr ging die Beklagte davon aus, dass alle 56,8946 Entgeltpunkte nur unter Berücksichtigung eines Korrekturfaktors von 0,838 heranzuziehen seien, so dass lediglich 47,6777 Entgeltpunkte mit dem aktuellen Rentenwert von 26,27 zu multiplizieren seien. Dies ergab einen Bruttorentenbetrag von nur noch 1.252,49 €, entsprechend einem Nettorentenauszahlungsbetrag von 1.136,02 € und einem Nachzahlungsbetrag für August bis November 2007 in Höhe von nur noch 4.544,08 €.

Zur Begründung seines Widerspruchs hat sich der Kläger auf das Fehlen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 45 SGB X berufen. Sein Vertrauen sei schutzwürdig, zumal er vor Erlass des inhaltlich nicht nachvollziehbaren Korrekturbescheides nicht angehört worden sei.

Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Bescheid vom 8. September 2009 zurück. Der Ausgangsbescheid vom 30. Oktober 2007 sei rechtswidrig gewesen, da dieser 56,3265 Entgeltpunkte mit einem Zugangsfaktor von 1,0 bewertet habe, obwohl die in früheren Jahren gewährte Rente wegen Berufsunfähigkeit bereits vor Vollendung des 62. Lebensjahres weggefallen sei. Die Rücknahme dieses Bescheides stütze sich auf § 45 SGB X. Der Kläger habe bei Erhalt des Korrekturbescheides vom 1. November 2007 noch keine Rentenleistungen aufgrund des Ausgangsbescheides vom 30. Oktober 2007 erhalten und könne sich daher nicht auf schutzwürdiges Vertrauen berufen. Überdies habe der Kläger Anspruch auf eine Rentenabs...

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