Entscheidungsstichwort (Thema)

Antragspflichtversicherung selbständig Tätiger. geringfügiges Arbeitseinkommen. beitragspflichtige Einnahme. Versicherungsfreiheit. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

1. Der Wechsel von der Regelbeitragszahlung zur einkommengerechten Beitragszahlung und umgekehrt kann vom Rentenversicherungsträger nur für die Zukunft berücksichtigt werden. Diese Vorschrift und ihre Auslegung sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere liegt keine Verletzung der Grundrechte aus Art 14 und Art 3 GG vor (vgl LSG Chemnitz vom 9.4.2001 - L 4 RA 21/01).

2. Eine Anwendung des § 5 Abs 2 S 1 Nr 2 SGB 6 auf eine Antragspflichtversicherung ist nicht möglich. Für diese Form der Versicherung ist die Regelung in § 4 Abs 4 S 2 SGB 6 über die Beendigung des Pflichtversicherungsverhältnisses vielmehr abschließend (vgl BSG vom 26.1.2005 - B 12 RA 3/03 R = SozR 4-2600 § 58 Nr 6). Danach endet die Versicherungspflicht mit Ablauf des Tages, an dem die Voraussetzungen weggefallen sind. Zu den Voraussetzungen, die wegfallen könne, zählt nach § 4 Abs 2 SGB 6 eine nicht nur vorübergehende selbständige Tätigkeit. Zum Begriff der selbständigen Tätigkeit gehört es aber nicht, dass Arbeitseinkommen erzielt wird, es genügt, dass die Tätigkeit auf Erzielung positiver Einkünfte gerichtet ist (vgl BSG vom 25.2.1997 - 12 RK 33/96 = SozR 3-2200 Nr 8). Demzufolge besteht bei sinkenden Einnahmen eines Selbständigen systemkonform auch nur die Möglichkeit, nach § 165 SGB 6 die Beiträge nach einem Mindesteinkommen festzusetzen. Dieser Regelung bedürfe es nicht, wenn im Nachhinein eine Versicherungsfreiheit festgestellt werden könnte.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 27.07.2011; Aktenzeichen B 12 R 15/09 R)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 4. Juni 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die rückwirkende Feststellung von Versicherungsfreiheit in der Rentenversicherung für das Kalenderjahr 2005 und die Erstattung der bereits entrichteten Pflichtbeiträge in Höhe von 2.325,24 € streitig.

Der am ... 1956 geborene Kläger, der seit Mai 1997 Rente wegen Berufsunfähigkeit erhält, ist seit 01. Juni 1992 auf Antrag als selbständig Tätiger versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung. Er betreibt seit November 1995 ein als Maschinenvermietung angemeldetes Gewerbe.

Am 10. Mai 2005 gab er der Beklagten an, dass er aus seiner selbständigen Tätigkeit mit der Maschinenvermietung ein monatliches Bruttoeinkommen in Höhe von 930,- € erziele (Bl. 2205 der Verwaltungsakte) und fügte seinen Einkommenssteuerbescheid für 2003 (Einkünfte aus Gewerbebetrieb 11.169 €) bei. Mit Bescheid vom 10. Juni 2005 teilte die Beklagte daraufhin dem Kläger u. a. mit, dass er bis zum 31. Mai 2005 einen Betrag in Höhe von monatlich 234,65 €, danach in Höhe von monatlich 185, 45 € an Rentenversicherungsbeiträgen zu entrichten habe. Für die Zeit vom 01. November bis 31. Dezember 2005 bezahlte der Kläger nach Vorlage des Einkommenssteuerbescheides 2004 (Einkünfte aus Gewerbebetrieb 6.882 €, Bl. 2253 der Verwaltungsakte) nur noch 112,37 € an monatlichen Rentenversicherungsbeiträgen (Bescheid vom 27. Juni 2006).

Am 16. Februar 2007 legte der Kläger den Steuerbescheid für 2005 vor, wonach er einen steuerlichen Verlust aus Gewerbebetrieb in Höhe von 11.600,- € erzielt hatte (Bl. 2395 der Verwaltungsakte). Mit Bescheid vom 22. Februar 2007 änderte die Beklagte daraufhin die Beitragshöhe ab 01. März 2007 in 79,60 € monatlich (Bl. 2469 a der Verwaltungsakte).

Mit Schreiben vom 01. März 2007, bei der Beklagten eingegangen am 05. März 2007, beantragte der Kläger die Überprüfung, ob für das Jahr 2005 nachträglich Versicherungsfreiheit wegen Geringfügigkeit festzustellen sei. Mit Bescheid vom 27. März 2007 lehnte die Beklagte diesen Antrag mit der Begründung ab, eine versicherungsrechtliche Beurteilung habe stets vorausschauend zu erfolgen. Die rückwirkende Feststellung von Versicherungsfreiheit für das Jahr 2005 sei daher nicht möglich. Sofern der Kläger lediglich in geringfügigem Umfang selbständig tätig sei, benötige man zur Prüfung, ob Versicherungsfreiheit vorliege, eine vorausschauende Beurteilung des zu erwartenden regelmäßigen Arbeitseinkommens.

Mit seinem dagegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, es müsse das tatsächliche im Jahr 2005 erzielte Einkommen berücksichtigt werden. Versicherungsfreiheit bestehe kraft Gesetzes und könne auch nachträglich festgestellt werden. Mit Widerspruchsbescheid vom 03. August 2007 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, für die Beurteilung, ob die Geringfügigkeitsgrenze von monatlich 400,- € nicht überschritten werde, sei das vom Selbständigen im Rahmen einer vorausschauenden Beurteilung zu erwartende regelmäßige Arbeitseinkommen maßgebend. Änderungen des der Beitragsberechnung zugrundeliegenden Arbeitseinkommens...

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