Arbeitszeitkonten für den fortlaufenden Zeitausgleich (Kurzzeitkonten)[1] werden grundsätzlich auf der Basis von Differenzen zwischen der vertraglich vereinbarten und tatsächlich geleisteten Arbeitszeit geführt: Überschreitungen der Vertragsarbeitszeit werden als Zeitguthaben bzw. Zeitschulden saldiert und durch Freizeitnahme bzw. Nacharbeit ausgeglichen. Einlagen von Entgeltansprüchen sind in der Regel auf die Faktorisierung von Zuschlägen für Arbeitszeiten in bestimmten Zeitlagen oder für Mehrarbeit/Überstunden beschränkt (z. B. Mehrarbeitszuschlag von 25 % wird nicht ausgezahlt, sondern in Form von 15 Minuten Zeitguthaben dem Ausgleichskonto gutgeschrieben).

Demgegenüber eröffnen Langzeitkonten die Möglichkeit, in erheblichem Umfang auch Entgeltansprüche mit dem Ziel einer späteren Freistellung in diese Konten einzubringen. Verkürzt kann man also von Einlagen aus "Zeit" (Überschreitungen der Vertragsarbeitszeit als Plusstunden, Mehrarbeit, Überstunden) gegenüber Einlagen aus "Geld" (Entgeltansprüche) sprechen.

Einlagen aus Geld können beispielsweise Prämien, Funktionszulagen oder auch laufendes Entgelt sein.

Zu den Einlagen aus "Zeit" gehört dabei auch die Möglichkeit, Urlaubsansprüche, die über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehen, einem Langzeitkonto (Wertguthabenkonto) gutzuschreiben, soweit die arbeitsvertraglichen bzw. kollektivrechtlichen dies vorsehen. Auch Freistellungsansprüche aufgrund von tariflichem oder arbeitsvertraglichem Zusatzurlaub für besondere Arbeitsformen (Nachtarbeit; Schichtarbeit etc.) können auf Langzeitkonten eingebracht werden.

Die Einlage von "Zeit"-Bestandteilen auf Langzeitkonten wirft insbesondere die Frage der Verzahnung solcher Modelle mit den im "Tagesgeschäft" bestehenden Arbeitszeitmodellen auf. Die Möglichkeit, "Zeit" in Langzeitkonten einzubringen, bedeutet arbeitszeitsystematisch eine Erhöhung der kurzfristig verfügbaren Arbeitszeitkapazität. Dies wird am Beispiel der Einbringung von Resturlaub deutlich: Ein Arbeitnehmer, der 2 Wochen Resturlaub in ein Langzeitkonto einbringt, steht dem Arbeitgeber im laufenden Jahr in diesem Umfang zusätzlich zur Verfügung.

Derartige Einbringungsmöglichkeiten setzen also stets voraus, dass ein betrieblicher Bedarf an der erhöhten Arbeitszeitkapazität besteht. Im ungünstigsten Fall führt die Möglichkeit der Einbringung von "Zeit" zu negativen Effekten für die Arbeitsproduktivität, wenn das Langzeitkonto als "Überlaufbecken" für nicht ausgeglichene Mehrstunden im Ausgleichskonto fungiert und eine Analyse des Kapazitätsbedarfs nicht stattgefunden hat. Insbesondere in Arbeitsbereichen, in denen die Relation zwischen der eingesetzten Arbeitszeit und dem Arbeitsergebnis nicht ohne Weiteres vorausgesetzt werden kann (etwa bei Projektarbeit), sind derartige Überlaufmodelle kritisch zu sehen.

 
Praxis-Beispiel

Langzeitkonto als Überlaufkonto

Mitarbeiter eines Energieversorgungsunternehmens können jeweils zum Jahresende Plussalden des Kurzzeitkontos (Zeitkonto für den fortlaufenden Zeitausgleich) oberhalb von 100 Stunden auf ein Lebensarbeitszeitkonto übertragen. Zusätzlich können nicht genommene Freischichten übertragen werden.

Hier werden faktisch Bandbreite und Ausgleichszeitraum des fortlaufend geführten Zeitkontos außer Kraft gesetzt. Denn aufgebaute Salden im Kurzzeitkonto unterliegen faktisch keinem Ausgleichsdruck mehr durch Freizeitnahme, da ja eine potenziell unbegrenzte Übertragungsmöglichkeit ins Lebensarbeitszeitkonto besteht. Ein im Hinblick auf Prozessverbesserungen, Prioritätensetzung und damit auch Realisierung von Arbeitsentlastung oft heilsamer Druck, mit der Arbeitszeit grundsätzlich auskommen zu müssen, besteht nicht mehr. Aus diesen Gründen ist von dieser Zeitkonten-Kombination grundsätzlich abzuraten.

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