Die Nutzung von Arbeitszeitkonten zur Ermöglichung längerer Freistellungen bei fortlaufendem Entgelt, breitet sich seit den 90er Jahren zunehmend aus. Dabei waren (und sind) insbesondere die "Perspektiven" eines früheren Übergangs in den Ruhestand sowie von Sabbaticals als längerer zusammenhängender "Auszeiten" mit Rückkehr in das aktive Arbeitsverhältnis für viele Arbeitnehmer attraktiv. Die klassische Altersteilzeit im sog. Blockmodell kann in diesem Zusammenhang als Spezialfall eines Arbeitszeitkontos als "Ansparkonto" angesehen werden.

Die Verwendungsmöglichkeiten von Langzeit- bzw. Ansparkonten sind aber nicht auf diese Zwecke begrenzt. So können derartige Konten grundsätzlich für beliebige Freizeitzwecke eingesetzt werden, etwa auch für die Verlängerung von Elternzeit, Überbrückung von Pflegezeit oder die berufliche Weiterqualifizierung.

Der Gesetzgeber hat diese Entwicklungen durch die Anpassung der sozialversicherungsrechtlichen Rahmenbedingungen für flexible Arbeitszeitmodelle umrahmt. Denn während beim klassischen "Abbummeln" von Überstunden und Plusstunden auf Zeitkonten kein Zweifel am Fortbestand der sozialversicherungsrechtlichen "Beschäftigung" i. S. d. § 7 SGB IV besteht, berühren Arbeitszeitkonten, auf denen Zeitguthaben für längere Freizeitintervalle angespart werden, 2 Grundpfeiler des Sozialversicherungssystems:

  • Das sog. Entstehungsprinzip knüpft – anders als das Zuflussprinzip im Steuerrecht – die sozialversicherungsrechtliche Beitragspflicht an die Entstehung von Entgeltansprüchen aus abhängiger Beschäftigung. Die Fälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge ist also grundsätzlich an die Entstehung des Anspruchs und nicht an die tatsächliche Auszahlung gebunden. Bei langen Ansparphasen ergeben sich unter Umständen erhebliche Diskrepanzen zwischen den auf Basis der verstetigten Vergütung gezahlten SV-Beiträgen und dem erwirtschafteten – und grundsätzlich ebenfalls beitragspflichtigen – Arbeitsentgelt.
  • Der Begriff der "Beschäftigung" als dem die Sozialversicherungspflicht auslösenden Tatbestand knüpft traditionell an die tatsächliche Ausübung einer Beschäftigung an und nicht an die Zahlung von Arbeitsentgelt. Die Frage, ob in einem Zeitraum längerer Freistellung durch Inanspruchnahme von Guthaben auf Arbeitszeitkonten noch ein Beschäftigungsverhältnis mit Sozialversicherungsschutz besteht, hat deshalb hohe praktische Bedeutung: Bei Verlust des Sozialversicherungsschutzes mangels "Beschäftigung" müsste sich der Arbeitnehmer gegen die durch das staatliche Sozialversicherungssystem gedeckten Risiken (z. B. Krankheit, Arbeitslosigkeit) selbst absichern.

Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber erstmals 1998 mit dem sogenannten Flexi-I-Gesetz[1] die für Anspar- bzw. Langzeitkonten erforderlichen Ausnahmen von den oben skizzierten Grundsätzen sozialversicherungsrechtlich anerkannt. Vereinbarungen über die Ansparung von Arbeitszeit und/oder Arbeitsentgelt zur Ermöglichung auch längerer Freistellungen sind sozialversicherungsrechtlich unschädlich. Die entsprechenden Guthaben werden (unabhängig von ihrer "Quelle" Arbeitszeit (z. B. Überstunden) oder Entgelt (z. B. laufendes Arbeitsentgelt oder Prämien) als "Wertguthaben" bezeichnet. Die Beitragsberechnung und -fälligkeit für das angesparte Wertguthaben wird hinausgeschoben. Die SV-Beiträge für Wertguthaben werden (ähnlich dem Zuflussprinzip im Steuerrecht) erst mit der Auszahlung des Guthabens zur Finanzierung der Freistellungsphase fällig.[2]

Für die Zeit der Freistellung unter Inanspruchnahme von Wertguthaben gilt, dass in Zeiträumen des Bezugs von Arbeitsentgelt, in denen der Beschäftigte von seiner Arbeitspflicht freigestellt ist, eine fiktive Beschäftigung besteht (Beschäftigungsfiktion in der Freistellungsphase). Mit dieser Ausnahme vom Entstehungsprinzip treten zugleich 2 weitere Problemkreise auf die Agenda:

  • Sicherung der Wertbeständigkeit angesparter Guthaben:

    Im Zeitraum zwischen Ansparung und Entnahme eines Kontenguthabens unterliegen die angesparten Entgelte (einschließlich der an das Entgelt geknüpften SV-Beiträge und Lohnsteuern) Risiken der Minderung, insbesondere durch Insolvenz des Arbeitgebers und Wertverfall eventueller Wertpapiere oder sonstiger Geldanlagen, in die diese Entgelte investiert wurden.

  • Regelung von "Störfällen":

    Je länger die Zeitdauer zwischen Ansparen von Arbeitszeit bzw. Entgelt als Wertguthaben und Inanspruchnahme für Freizeitzwecke ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass nicht geplante Ereignisse (Ausscheiden des Arbeitnehmers, veränderte Interessenlage aufseiten Betrieb und/oder Arbeitnehmer, Langzeiterkrankung, Berufsunfähigkeit etc.) das geplante Anspar- und Freistellungsprogramm vereiteln. Derartige sozialversicherungsrechtliche "Störfälle" müssen hinsichtlich Beitragsberechnung, potenzieller Übertragung auf Dritte bei Arbeitgeberwechsel etc. in das System der Beitragsberechnung integriert werden.

Mit dem sog. Flexi-II-Gesetz 2009 hat der Gesetzgeber den sozialversicherungsrechtlichen Regelungsrahmen no...

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