Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung. Feststellung und Weiterbeschäftigung. Kündigungserklärungsfrist bei außerordentlicher Kündigung einer Schwangeren. Betriebsratsanhörung

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB ist im Fall einer schwangeren Arbeitnehmerin gewahrt, wenn der Arbeitgeber zunächst innerhalb von zwei Wochen, nachdem er von den kündigungsrelevanten Vorgängen Kenntnis erlangt hat, eine (unwirksame) außerordentliche Kündigung ausspricht und anschließend innerhalb von zwei Wochen nach Information über die Schwangerschaft den Antrag nach § 9 Abs. 3 MuSchG stellt und nach Abschluss des behördlichen Verfahrens unverzüglich die außerordentliche Kündigung ausspricht. Dies egibt eine Parallelwertung zu § 91 SGB IX.

 

Normenkette

BGB § 626 Abs. 1-2; MuSchG § 9 Abs. 3; SGB IX § 91; BetrVG § 102

 

Verfahrensgang

ArbG Magdeburg (Urteil vom 21.06.2006; Aktenzeichen 11(8)(11) Ca 2817/05)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 21.06.2006 – 11 (8) (11) Ca 2817/05 – wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass die Feststellungsklage (Antrag zu 3.) als unzulässig abgewiesen wird.

II. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 21.06.2006 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

  1. Die Klage wird hinsichtlich des Klagantrages zu 3. als unzulässig und im Übrigen als unbegründet abgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Die Revision wird für die Klägerin hinsichtlich der Klaganträge zu 1. und 2. zugelassen.

Im Übrigen wird die Revision nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses aufgrund arbeitgeberseitiger Kündigungen.

Die Klägerin war seit 01.09.1991, zuletzt als Verkaufsstellenleiterin nach Maßgabe des Arbeitsvertrages vom 14.10.1999 (Bl. 11 -17 d. A.) bei der Beklagten tätig.

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 27.09.2005 (Bl. 20 d. A.) außerordentlich, hilfsweise ordentlich zum 31.01.2006 sowie mit weiterem Schreiben vom 27.09.2005 (Bl. 22 d. A.) erneut ordentlich zum 31.01.2006. Die Kündigungen sind der Klägerin am selben Tage zugegangen.

Der Kündigung liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin tätigte am 23.07.2005 einen Personalkauf betreffend einen Seidenschal sowie diverse Fleischwaren. Dabei wies sie die ihr unterstellte Kassiererin an, den leicht beschädigten Seidenschal statt zum regulären Preis von … EUR zum Preis von … EUR abzukassieren. Die Fleischwaren, deren Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen war bzw. kurz vor dem Ablauf stand, wurden auf ihre Anweisung hin zum Preis von je … EUR anstelle von … bzw. … EUR abkassiert. Nach den der Klägerin bekannten betrieblichen Anweisungen war sie nicht befugt, Preisnachlässe für den Seidenschal selber anzuordnen. Für Ware mit abgelaufenem Mindesthaltbarkeitsdatum bestand die Vorgabe, diese – sofern noch verwertbar – im Wege des Personalverkaufs zur Hälfte des regulären Preises abzugeben.

Die Beklagte stellte darüber hinaus am 25.07.2005 fest, dass die Klägerin Mitarbeiterinnen angewiesen hatte, bei der Erfassung von Obst- und Gemüseartikeln falsche Mengenangaben zu verbuchen.

Die Beklagte führte mit der Klägerin ebenfalls am 25.07.2005 ein Personalgespräch, in dem sie die Klägerin mit den kündigungsrelevanten Vorwürfen konfrontierte. Hinsichtlich des Seidenschals begründete die Klägerin ihr Vorgehen mit der Tatsache, dass dieser beschädigt gewesen sei. Die Reduzierung bei den Fleischwaren beruhe auf der Tatsache, dass das Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen gewesen sei. Zu den Vorwürfen betreffend fehlerhafte Ermittlung von Obst- und Gemüsebeständen gab die Klägerin keine Stellungnahme ab.

Nach Beteiligung des in ihrem Betrieb bestehenden Betriebsrates (Informationsschreiben vom 26.07.2005 – Bl. 57-61 d.A.), sprach die Beklagte am 26.07.2005 eine außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung sowie eine weitere ordentliche Kündigung aus. Gegen diese Kündigungen hat sich die Klägerin gerichtlich zur Wehr gesetzt. Sie teilte über ihren jetzigen Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 08.08.2005 mit, dass bei ihr am selben Tage eine Schwangerschaft festgestellt worden sei (Faxschreiben vom 08.08.2005 – Bl. 62 f.d.A.). Hierzu reichte sie am 12.08.2005 ein ärztliches Attest nach (Bl. 65 d.A.).

Die Beklagte beantragte sodann am 22.08.2005 bei Landesamt für Verbraucherschutz am selben Tage dort eingegangen – die Zustimmung zu einer erneuten außerordentlichen Kündigung der Klägerin gemäß § 9 Abs. 3 MuSchG. Die Kündigungen vom 26.07.2005 wurden von ihr im Gütetermin bei dem Arbeitsgericht Magdeburg am 30.08.2005 „zurückgenommen”.

Mit Schreiben vom 26.09.2005 – am 27.09.2005 bei der Beklagten eingegangen – informierte der jetzige Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Beklagte darüber, dass die Klägerin nicht mehr dem Schutz des Mutterschutzgesetzes unterfalle.

Die Beklagte beteiligte daraufhin noch am 27.09.2005 den Betriebsrat zu den erneut beabs...

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