Entscheidungsstichwort (Thema)

Wahrung der Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB bei fristloser Kündigung nach Ende des Mutterschutzes. Handlungen gegen Vermögen des Arbeitgebers als Rechtfertigung für fristlose Kündigung. Gleichstellung der behördlichen Zulässigkeitserklärung und dem Wegfall des Zustimmungserfordernisses

 

Leitsatz (amtlich)

Die zweiwöchige Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB ist gewahrt, wenn der Arbeitgeber im Falle von Mutterschutz oder Elternzeit die behördliche Zulässigkeitserklärung innerhalb der Zwei-Wochen-Frist beantragt hat, gegen die Versagung der Zulässigkeitserklärung rechtzeitig Widerspruch bzw. Klage erhoben hat und sodann die außerordentliche Kündigung unverzüglich nach Kenntnisnahme vom Wegfall des Zustimmungserfordernisses (Ende des Mutterschutzes oder der Elternzeit) ausspricht.

 

Normenkette

BGB § 626 Abs. 1-2; MuSchG § 17 Abs. 2; BEEG § 18 Abs. 1 S. 4; StPO § 153 Abs. 1; ZPO § 97 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Rostock (Entscheidung vom 07.05.2021; Aktenzeichen 4 Ca 1417/20)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Rostock vom 07.05.2021 - 4 Ca 1417/20 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung, insbesondere die Einhaltung der Kündigungserklärungsfrist.

Die im September 1979 geborene Klägerin nahm am 01.05.2009 bei der Beklagten eine Beschäftigung in der Vermietung, Vermittlung und Betreuung von Ferienwohnungen auf. Die Parteien vereinbarten eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden. Das monatliche Bruttogehalt betrug zuletzt € 2.300,00. Die Beklagte beschäftigt saisonabhängig regelmäßig etwa 20 bis 30 Mitarbeiter.

Am Sonnabend, 11.05.2019, nahm die zum damaligen Zeitpunkt schwangere Klägerin von einem Gast, Frau S., eine Barzahlung in Höhe von € 20,00 für zwei gebuchte Handtuchsets entgegen. Die Klägerin legte den Betrag weder in die Bar-Kasse noch trug sie ihn im Kassenbuch ein. Drei Tage später, am 14.05.2019, stornierte die Klägerin die Handtuchsets aus der Buchung der Ferienwohnung.

Am 18.05.2019 kassierte die Klägerin von dem Feriengast S. Kurtaxe in Höhe von € 56,00. Für den Gast erstellte sie einen Zahlungsbeleg über die Funktion "Druckvorschau". Noch am selben Tag setzte die Klägerin im elektronischen Übergabeprotokoll den Betrag von € 56,00 auf "befreit", also € 0,00 herunter, und übergab sodann diese Buchung dem System.

Die Beklagte erfuhr am 21.05.2019 von der Bareinzahlung in Höhe von € 20,00 für die Handtuchsets und dem Storno. Die Beklagte führte daraufhin mit der Klägerin am 22.05.2019 gegen Mittag ein Gespräch und erteilte ihr eine Abmahnung wegen dieser Pflichtverletzung. Die Klägerin räumte in dem Gespräch ihr Fehlverhalten ein und versicherte, keine weiteren derartigen Verfehlungen begangen zu haben. Nach dem Gespräch zahlte die Klägerin noch am selben Tag um 17:02 Uhr einen Betrag von € 56,00 mit ihrer EC-Karte auf das Konto der Beklagten ein und änderte um 17:03 Uhr die Höhe der Kurtaxe im elektronischen Übergabeprotokoll auf € 56,00. Ab dem 23.05.2019 war die Klägerin aufgrund Krankheit arbeitsunfähig.

Die Beklagte beantragte beim Landesamt für Gesundheit und Soziales Mecklenburg-Vorpommern (LaGuS) mit Schreiben vom 27.05.2019, dort eingegangen am 31.05.2019, die beabsichtigte außerordentliche Kündigung der Klägerin für zulässig zu erklären. Ab dem 24.06.2019 galt für die Klägerin ein Beschäftigungsverbot. Das LaGuS versagte mit Bescheid vom 15.07.2019 seine Zustimmung zur Kündigung. Die Beklagte legte hiergegen am 14.08.2019 Widerspruch ein.

Die Klägerin brachte am 04.09.2019 ihr Kind zur Welt und nahm anschließend Elternzeit bis zum 03.09.2020, die sie antragsgemäß erhielt.

Das Ermittlungsverfahren gegen die Klägerin wurde am 25.09.2019 nach § 153 Abs. 1 StPO wegen geringer Schuld eingestellt.

Das LaGuS wies mit Bescheid vom 19.12.2019 den Widerspruch der Beklagten zurück, woraufhin diese am 21.01.2020 Klage beim Verwaltungsgericht erhob.

Am 03.09.2020 endete die Elternzeit der Klägerin. Mit Schreiben vom selben Tag kündigte die Klägerin ihr Arbeitsverhältnis ordentlich und fristgerecht zum 15.10.2020. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 04.09.2020 außerordentlich und fristlos, hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Die wechselseitigen Kündigungsschreiben gingen am 04.09.2020 zu.

Die Klägerin hat erstinstanzlich die Ansicht vertreten, dass die außerordentliche Kündigung nicht gerechtfertigt und im Übrigen die Kündigungserklärungsfrist von zwei Wochen nicht gewahrt sei. Die damalige Schwangerschaft im Alter von 39 Jahren nach einer künstlichen Befruchtung sei für sie emotional und körperlich sehr anstrengend gewesen. Sie habe sich teilweise überfordert und gestresst gefühlt und deshalb oft überempfindlich reagiert. Die Bar-Einnahme von € 20,00 für die Handtuchsets habe sie zunächst in die Kasse gelegt, um sie dann später zu buchen. Abends sei ihr der Kassenübersch...

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