Entscheidungsstichwort (Thema)

Freistellungsanspruch eines unter Verkennung des Konzernbegriffs errichteten Konzernbetriebsrats

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Gemäß § 40 Abs. 1 BetrVG trägt der Arbeitgeber die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten; diese Bestimmung gilt nach § 59 Abs. 1 BetrVG für den Konzernbetriebsrat entsprechend.

2. Arbeitgeber im Sinne von §§ 59 Abs. 1, 40 Abs. 1 BetrVG ist das herrschende Unternehmen; zu den vom herrschenden Unternehmen zu tragenden Kosten gehören auch Rechtsanwaltskosten, die der Konzernbetriebsrat für erforderlich halten darf.

3. Durch die Kostentragungspflicht entsteht zwischen dem herrschenden Unternehmen und dem Konzernbetriebsrat ein vermögensrechtliches gesetzliches Schuldverhältnis; Gläubiger ist der Konzernbetriebsrat.

4. Wird ein Konzernbetriebsrat zu Unrecht und unter Verkennung der Voraussetzungen des § 54 BetrVG errichtet, stehen diesem Gremium von Anfang an keine betriebsverfassungsrechtlichen Befugnisse zu; aus dem Fehlen betriebsverfassungsrechtlicher Befugnisse eines nicht rechtmäßig errichteten Konzernbetriebsrats folgt jedoch nicht, dass ein derartiger Konzernbetriebsrat keine Ansprüche auf Freistellung von Kosten erwerben kann, die im Zusammenhang mit seiner Konstituierung oder anlässlich der Wahrnehmung betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben entstanden sind.

5. Freistellungsansprüche entfallen nur, wenn der Konzernbetriebsrat unter offensichtlicher Verkennung des Konzernbegriffs oder unter Missachtung der sonstigen für die Errichtung eines Konzernbetriebsrats bestehenden gesetzlichen Voraussetzungen errichtet wurde; insoweit gelten die gleichen Grundsätze wie für Kostenerstattungsansprüche nichtig gewählter Betriebsratsmitglieder.

 

Normenkette

BetrVG § 40 Abs. 1, § 59 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Mainz (Entscheidung vom 24.04.2014; Aktenzeichen 9 BV 97/13)

 

Tenor

  1. Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 2) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Mainz vom 24. April 2014, Az. 9 BV 97/13, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

    Der Beteiligte zu 2) wird verurteilt, an den Antragsteller € 8.956,89 nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.12.2013 zu zahlen. Der weitergehende Zahlungsantrag wird abgewiesen.

  2. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
  3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
 

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Rechtsanwaltskosten.

Der antragstellende Rechtsanwalt (Beteiligter zu 1) war für den Schein-Konzernbetriebsrat rechtsberatend tätig, der mit dem C. in Rheinland-Pfalz (Beteiligter zu 2) und seinen Gliederungen, die Rettungsdienst betreiben, darüber gestritten hat, ob sie einen Konzern iSv. § 54 Abs. 1 BetrVG bilden, für den ein Konzernbetriebsrat errichtet werden kann. Das BAG hat mit Beschluss vom 09.02.2011 (7 ABR 11/10) rechtskräftig festgestellt, dass der Konzernbetriebsrat nicht wirksam errichtet wurde. Der C. weigert sich den Schein-Konzernbetriebsrat von den in mehreren Angelegenheiten entstandenen Anwaltskosten freizustellen. Dieser trat seine vermeintlichen Freistellungsansprüche an den Antragsteller ab. Im Einzelnen:

Kostenrechnung vom 13.01.2012 über € 8.730,79

Der Antragsteller vertrat den Konzernbetriebsrat in dem Beschlussverfahren (BAG 7 ABR 11/10) ua. gegen den C. durch drei Instanzen. Der Konzernbetriebsrat hatte sich am 05.05.2008 konstituiert. Er verfolgte in dem im Oktober 2008 von ihm beim Arbeitsgericht Mainz eingeleiteten Beschlussverfahren im Wesentlichen das Ziel, seine wirksame Errichtung gerichtlich feststellen zu lassen. Das Arbeitsgericht Mainz hat mit Beschluss vom 30.04.2009 (8 BV 44/08) die Anträge zurückgewiesen. Das LAG Rheinland-Pfalz hat mit Beschluss vom 15.12.2009 (3 TaBV 32/09 - [...]) die Beschwerde des Konzernbetriebsrats zurückgewiesen. Das BAG hat mit Beschluss vom 09.02.2011 (7 ABR 11/10 - [...]) dessen Rechtsbeschwerde zurückgewiesen. Bei einem Gegenstandswert von € 40.000,00 entstanden in drei Instanzen Anwaltskosten iHv. € 8.730,79.

Kostenrechnung vom 27.05.2010 über € 226,10

Der Konzernbetriebsrat beauftragte den Antragsteller am 06.05.2010 mit seiner Beratung bezüglich der Besetzung des Konzernbetriebsausschusses, der Problematik des Unterschreitens der Mindestanzahl erforderlicher Mitglieder dieses Ausschusses sowie zur Thematik der Stimmengewichtung. Für die Erstberatung stellte ihm der Antragsteller € 226,10 in Rechnung.

Kostenrechnung vom 22.02.2010 über € 616,13

Der Antragsteller vertrat den Konzernbetriebsrat in einem Beschlussverfahren vor dem Arbeitsgericht Koblenz (1 BV 44/09). In diesem Verfahren, das er mit Antragsschrift vom 30.12.2009 einleitete, verlangte der Konzernbetriebsrat vom Kreisverband, seine Mitglieder G. und S. für erforderliche Konzernbetriebsratstätigkeiten von der Arbeit freizustellen und ihnen die erforderlichen Fahrtkosten zu erstatten. Diesen Antrag hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 15.01.2010 zurückgenommen. Zur Begründung führte er aus, es sei "nunmehr mitgeteilt" worden, dass ...

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