Entscheidungsstichwort (Thema)

Sonstiges. Mitbestimmung. Beschwerdestelle – AGG

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Arbeitgeber erfüllt mit der Errichtung der Beschwerdestelle nach § 13 AGG seine gesetzlichen Verpflichtungen. Er ist sowohl für die Erreichbarkeit der Beschwerdestelle als auch für die Behandlung der Beschwerde gesetzlich verantwortlich und trägt ein entsprechendes Schadensersatzrisiko.

2. Errichtung und Besetzung der Beschwerdestelle liegen damit in der Organisationshoheit des Arbeitgebers. Der Betriebsrat, der sich Beschwerden der Arbeitnehmer selbst zu eigen machen kann, steht dem Arbeitgeber ebenso wie der Arbeitnehmer im Rahmen des Beschwerdeverfahrens gegenüber. Dies schließt ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Errichtung und Besetzung der Beschwerdestelle offensichtlich aus.

3. Die Einsetzung einer Einigungsstelle kommt für Errichtung, Ort und Besetzung der Beschwerdestelle daher auch unter Berücksichtigung des Offensichtlichkeitsmaßstabes nach § 98 ArbGG nicht in Betracht.

4. Stellt der Arbeitgeber keine Regeln für das Beschwerdeverfahren auf, hat der Betriebsrat insoweit offensichtlich auch kein Initiativrecht, über das er die Aufstellung solcher Regeln verlangen könnte.

 

Normenkette

AGG § 13; ArbGG § 98; BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Würzburg (Beschluss vom 20.09.2007; Aktenzeichen 4 BV 28/07 S)

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Würzburg, Kammer Schweinfurt, vom 20.09.2007, Az. 4 BV 28/07 S, wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Bestellung eines Einigungsstellenvorsitzenden sowie über die Zahl der Beisitzer zur Regelungsthematik „Regelung des Beschwerdeverfahrens nach § 13 AGG und Errichtung und Bestellung einer Beschwerdestelle”.

Die Antragsgegnerin und Beteiligte zu 2.) betreibt eine Einzelhandelskette zum Verkauf von Drogerieartikeln. Der Antragsteller ist der im Bezirk B. – für 37 Filialen mit etwa 160 Mitarbeitern – gebildete Betriebsrat. Der Betriebsrat hat die Verkaufsleitung mehrfach aufgefordert, mit ihm über die Bildung und Ausgestaltung einer Beschwerdestelle zu verhandeln. Die Verkaufsleitung hat Verhandlungen hierüber abgelehnt. Die Arbeitgeberin hat eine Beschwerdestelle für die Mitarbeiter des Bezirks B. eingerichtet im Verkaufsbüro B. bei der Verkaufsleiterin.

Der Antragsteller vertritt die Auffassung, ein Mitbestimmungsrecht im Zusammenhang mit der Errichtung der in § 13 AGG vorgesehenen Beschwerdestelle ergebe sich aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, weil es sich bei der Bestellung und Ausgestaltung der Beschwerdestelle um eine Frage der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer handele. Benachteiligungen und Diskriminierungen beträfen das Ordnungsverhalten. Dies gelte auch für die personelle Besetzung der Beschwerdestelle mit der Frage, an welche Person sich die Arbeitnehmer mit im Fall von Beschwerden zu wenden hätten. Das Verfahren falle ebenfalls unter diese Vorschrift, weil hierdurch für den Arbeitnehmer geregelt werde, wie er sich im Fall einer Beschwerde zu verhalten habe, welchen Ansprechpartner er aufsuche, in welcher Form er seine Beschwerde vorbringen könne, ob und wen er zum Sachverhalt hinzuziehen dürfe. Das Mitbestimmungsrecht sei nicht deshalb ausgeschlossen, weil eine gesetzliche Regelung bestehe: § 13 AGG sehe nur die Verpflichtung vor, eine solche Stelle überhaupt zu errichten, nicht aber Einzelheiten hierzu. Jedenfalls sei eine offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle nicht gegeben.

Der Betriebsrat hat nach beiderseitigem Verzicht auf mündliche Anhörung im schriftlichen Verfahren vor dem Arbeitsgericht daher folgenden Antrag gestellt:

  1. Zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle zur Regelungsthematik „Regelung des Beschwerdeverfahrens nach § 13 AGG und Errichtung und Bestellung einer Beschwerdestelle” wird Herr Richter am Landesarbeitsgericht C. bestellt.
  2. Die Zahl der Beisitzer wird auf drei festgesetzt.

Der Antragsgegner hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, eine Einigungsstelle zur Regelungsthematik könne nicht eingesetzt werden, weil diese offensichtlich nicht für die angesprochenen Fragen zuständig sei. Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats komme nicht in Betracht. Zur Einrichtung einer solchen Stelle sei er, der Arbeitgeber, kraft Gesetzes verpflichtet. Wie er seine Verpflichtung erfülle, müsse seiner Organisationsgewalt überlassen bleiben. Außerdem wäre allenfalls der Gesamtbetriebsrat zuständig, weil die Beschwerdestellen bundesweit in den Verkaufsbüros eingerichtet seien; Verkaufsbüros seien aber jeweils für mehrere Betriebsratsbetriebe zuständig. Mit diesem werde im übrigen auch darüber verhandelt. Ein bestimmtes Beschwerdeverfahren werde von ihm, dem Arbeitgeber, nicht verlangt, so dass es auch hierüber keinen Regelungsbedarf gebe.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 20.09.2007 abgewiesen. Es hat dies im wesentlichen damit begründet, die Einigungsstelle sei zur Entscheidung der angestrebten Regelung offen...

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