Entscheidungsstichwort (Thema)

Angemessenheit eines fünfzehnprozentigen Nachtzuschlags. Rechtmäßigkeit eines tariflichen Nachtzuschlags. Angemessenheit der Höhe eines Nachtzuschlags bei entsprechender Gegenleistung. Beschränkte gerichtliche Überprüfung des tariflichen Nachtzuschlags

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein tariflicher Nachtzuschlag in Höhe von 15 % des Grundlohns ist nicht unangemessen.

2. Einer derartigen Regelung steht § 6 Abs. 5 ArbZG nicht entgegen.

3. Sie verstößt auch nicht gegen die Richtlinie 2003/88/EG.

4. Die Höhe eines "angemessenen" Nachtzuschlags i.S.v. § 6 Abs. 5 ArbZG richtet sich nach der Gegenleistung, für die sie bestimmt ist.

5. Tarifliche Regelungen sind einer gerichtlichen Überprüfung nur zugänglich, wenn damit kein Eingriff in die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautonomie verbunden ist.

 

Normenkette

GG Art. 9 Abs. 3; TVG § 1; ArbZG § 6 Abs. 5; RL 88/2003/EG; GG Art. 2; ArbZG § 2 Abs. 5; ZPO § 97 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Rostock (Entscheidung vom 10.11.2020; Aktenzeichen 3 Ca 770/20)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Rostock vom 10.11.2020 zum Az.: 3 Ca 770/20 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Angemessenheit eines tariflichen Zuschlags für Nachtarbeit.

Der Kläger ist seit Februar 2018 bei der Beklagten mit einer Arbeitszeit von 40 Wochenstunden als Maschinenbediener beschäftigt. Er leistet in Wechselschicht auch an fünf Tagen am Stück Nachtarbeit. Auf das Arbeitsverhältnis findet der zwischen der F. GmbH & Co. KG, Betriebsteil C-Stadt, und der IG Metall, Bezirksleitung Küste am 01.11.2016 geschlossene Manteltarifvertrag (im Folgenden: MTV) Anwendung. Dieser lautet u. a.:

"§ 5 Mehr-, Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit

...

2. Begriff der Nachtarbeit

Nachtarbeit ist die zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr geleistete Arbeit. Regelmäßige Nachtarbeit liegt vor, wenn sie mindestens fünf aufeinanderfolgende Arbeitstage umfasst oder regelmäßig wöchentlich wiederkehrend geleistet wird.

Unregelmäßige Nachtarbeit liegt vor, wenn sie weniger als fünf Arbeitstage umfasst und nicht wöchentlich wiederkehrend geleistet wird.

...

§ 6 Zuschläge für Mehr-, Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit

1. Höhe der Zuschläge

...

1.3 Der Nachtarbeitszuschlag beträgt 15 %.

...

1.5 Es ist nur ein Zuschlag zu zahlen. Fallen mehrere Zuschläge zusammen, so gilt der jeweils höhere Zuschlag.

...

1.7 Bei der Berechnung der Zuschläge ist der tarifliche Grundlohn zugrunde zu legen."

Mit Schreiben vom 27.06.2019, 25.07.2019, 02.09.2019 hat der Kläger Zahlung eines Nachtzuschlags in Höhe von 30 % für die Monate März 2019 bis Juli 2019 erfolglos geltend gemacht. Auch weitere, für die Folgemonate gefasste Geltendmachungsschreiben blieben ohne Erfolg.

Mit seiner Klage hat der Kläger die Ansicht vertreten, der tariflich vorgesehene Zuschlag für Nachtarbeit sei nicht ausreichend, die mit der Nachtarbeit verbundenen Belastungen, insbesondere gesundheitlichen Auswirkungen und Gefahren angemessen zu berücksichtigen. Der Tarifautonomie werde durch höherrangiges Recht Grenzen gesetzt. Es bestehe eine staatliche Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 Grundgesetz (GG), die nicht auf die Tarifvertragsparteien delegiert werden dürfe und nach der dafür zu sorgen sei, dass Gesundheitsschutz effektiv realisiert werden könne. Die Tarifvertragsparteien hätten gesicherte arbeitsmedizinische Erkenntnisse bei der Ausgestaltung von Zuschlagsregelungen für Arbeit zu ungünstiger Nachtzeit nicht korrekt erfasst. Der tarifliche Zuschlag liege mit 15 % unter dem nach der Rechtsprechung in der Regel als angemessen bewerteten Ausgleich. Ein Zuschlag in Höhe von 30 % könne hingegen für den Arbeitgeber Anreiz bilden, Nachtarbeit in geringerem Umfang vorzusehen und damit Gesundheitsgefahren abzuschwächen.

Der Kläger hat beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, 61,26 € brutto als Nachzuschläge für den Monat März 2019 nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05.04.2019 an den Kläger zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, 111,57 € brutto als Nachzuschläge für den Monat April 2019 nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 07.05.2019 an den Kläger zu zahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, 49,01 € brutto als Nachzuschläge für den Monat Mai 2019 nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 06.06.2019 an den Kläger zu zahlen.

4. Die Beklagte wird verurteilt, 122,51 € brutto als Nachzuschläge für den Monat Juni 2019 nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05.07.2019 an den Kläger zu zahlen.

5. Die Beklagte wird verurteilt, 73,51 € brutto als Nachzuschläge für den Monat Juli 2019 nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 06.08.2019 an den Kläger zu zahlen.

6. Die Beklagte wird verurteilt, 122,51 € brutto als Nachzuschläge für den Monat August 2019 nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Pu...

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