Verfahrensgang

ArbG Bielefeld (Urteil vom 21.09.1995; Aktenzeichen 3 Ga 23/95)

 

Tenor

Auf die Berufung des Verfügungsklägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 21.09.1995 – 3 Ga 23/95 – abgeändert und der Verfügungsbeklagten aufgegeben, den Verfügungskläger für die Bildungsveranstaltung „Auf neuen Wegen mobil. Der Verkehr der Zukunft zwischen Fahrrad und Transrapid” in der Zeit vom 25.09. bis 29.09.1995 freizustellen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Verfügungsbeklagte.

Der Streitwert beträgt 1.039,62 DM.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Freistellung des Verfügungsklägers zwecks Teilnahme an einer Arbeitnehmerweiterbildungsveranstaltung.

Der Verfügungskläger ist seit September 1980 als Kraftfahrer bei der Verfügungsbeklagten beschäftigt, die zahlreiche Einzelhandelsfilialen betreibt. Er erzielt zur Zeit einen Bruttomonatsverdienst von ca. 4.500,– DM.

Mit Formularschreiben vom 11.07.1995 teilte der Verfügungskläger der Verfügungsbeklagten mit, er beabsichtige, in der Zeit vom 25.09. bis zum 29.09.1995 an einer Bildungsveranstaltung zum Thema „Auf neuen Wegen mobil. Der Verkehr der Zukunft zwischen Fahrrad und Transrapid” in Münster teilzunehmen. Das Seminar, das bereits einmal in der Zeit vom 15.05. bis zum 19.05.1995 durchgeführt worden ist, wurde wie folgt ausgeschrieben:

„Jeder Straßenzug, jeder Radweg und jeder Parkplatz einer Stadt hat seine eigene Geschichte. Wir werden uns deshalb auf eine Spurensuche zur Verkehrsplanung der Stadt Münster begeben und untersuchen, wer hier welchen Einfluß auf die Stadtplanung genommen hat (und noch heute nimmt) und wessen Interessen dabei berücksichtigt wurden.

Münster gilt als Beispiel für Gelungenes und Versäumtes gleichermaßen. Die Radfahrfreundlichkeit dieser Stadt wurde im Vergleich der Stiftung Warentest kürzlich mit Bestnoten bedacht. Wir werden uns ganz praktisch durch Fahrradexkursionen hierzu selbst ein Urteil bilden.

Aber auch in Münster wird nicht nur Fahrrad gefahren. Wir werden daher auch diskutieren, wo unsere (tragische) Liebe zum Auto herkommt.

Am Beispiel von einzelnen Bürgerinitiativen wird nachgezeichnet werden, wie Münsters BürgerInnen direkt Einfluß auf die Entwicklung ihrer Stadt genommen haben.

Für Diskussionsstoff um die Zukunft des zwischenstädtischen Verkehrs wird ein Ausflug zur Teststrecke des Transrapid sorgen.

Fahrräder können mitgebracht oder entliehen werden.”

Das Einladungsschreiben des DGB-Bildungswerk NRW e.V. als Veranstalter des Seminars hat folgenden Inhalt:

„Wir laden herzlich ein, an unserem Seminar nach dem Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz teilzunehmen.

Wir freuen uns sehr, wenn Bürgerinnen und Bürger von ihrem Recht Gebrauch machen und sich für fünf Tage von der Arbeit freistellen lassen, um sich weiterzubilden.

Die beigefügte ≪Mitteilungan den Arbeitgeber≫ ist spätestens vier Wochen vor Beginn der Veranstaltung beim Arbeitgeber abzugeben. Dieser muß dann die Freistellung veranlassen und das Arbeitsentgelt fortzahlen.

Das Seminar beginnt am Montag um 10.30 Uhr und endet am Freitag gegen 15.00 Uhr. Ausdrücklich möchten wir an dieser Stelle darauf hinweisen, daß eine frühere Anreise – also beispielsweise am Sonntag – aus terminlichen und organisatorischen Gründen nicht möglich ist.

Für 1995 erheben wir einen Teilnahmebeitrag in Höhe von DM 130,–. Im Preis enthalten sind die Kosten für Seminarmaterial, Unterkunft (im Regelfall im DZ) und die volle Verpflegung. Nur der rechtzeitige Eingang der 130,– DM (spätestens 6 Wochen nach Erhalt dieser Einladung) sichert die Teilnahme. Näheres entnehmen Sie bitte den beiliegenden ≪Teilnahmebedingungen≫.

Wir freuen uns, Sie im Seminar begrüßen zu können und hoffen auf einen erfolgreichen Verlauf mit viel Spaß beim Lernen.”

Wegen des im Rahmen der Veranstaltung vom 15.05. bis zum 19.05.1995 durchgeführten Unterrichtsprogramms wird auf Bl. 39 bis 43 d.A. Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 04.08.1995 bestätigte die Verfügungsbeklagte den Erhalt des Antrags des Verfügungsklägers und bat um Vorlage eines Themenplans. Der Verfügungskläger legte der Verfügungsbeklagten daraufhin den Themenplan der genannten Veranstaltung vor, der folgenden Inhalt hat:

„Themenplan 1995

Montag

  • Verkehrssituation Münster
  • Zukunftskonzepte aus den 60er und 70er Jahren

    Aktuelle Planungen aus Verwaltung und Ratsfraktion Münsters

Dienstag

  • Das Fahrrad als Verkehrsmittel
  • Probleme und Lösungen für den Fahrradverkehr
  • Exkursion unter fachkundiger Leitung: Diskussion neuralgischer Punkte „vor Ort”.

Mittwoch

Akteure in der Verkehrspolitik

  • Podiumsdiskussion mit ACE, ADAC, ADFC, Ratfraktionen
  • Planspiel: Münster 2010

Donnerstag

Verkehrspolitik der BRD

  • Pläne aus den 60er und 70er Jahren
  • Die Zukunft der Verkehrspolitik: Exkursion zur Transrapidstrecke

Freitag

„Unsere Liebe zum Auto”-Werbung und Wirklichkeit.

  • „Gehört die Zukunft dem Fahrrad?”

    Positionen, Interessen, Strategien”

Mit Schreiben vom 22.08.1995 bat die Verfügungsbeklagte um Mitteilung, wer Bildungsträger der genannten Veranstaltung ist. Der Verfügungskläger teilte darauf mit S...

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