Entscheidungsstichwort (Thema)

Überstundenvergütung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für den vertraglichen Anspruch des Arbeitnehmers auf Überstundenvergütung reicht die bloße Kenntnis des Arbeitgebers von der Überstundenleistung nicht aus. Erforderlich ist vielmehr eine rechtsgeschäftliche, ggf. konkludent getroffene Vereinbarung über die Leistung von Mehrarbeit, wobei unter den Voraussetzungen des § 612 Abs. 1 BGB allein die Abrede über die Vergütung entbehrlich ist.

2. Leistet die in einer Rechtsanwaltskanzlei beschäftigte, auf der Grundlage einer 39-Stunden-Woche bei freier Arbeitszeiteinteilung tätige Bürovorsteherin nach Büroschluß mit angeblicher Kenntnis und Billigung des Arbeitgebers über Jahre in erheblichem Maße (Wert: ca. 54.000,– DM entsprechend ca. acht Monatsverdiensten) Überstunden, ohne jemals – auch nicht im Zusammenhang mit Gehaltserhöhungen – den im Arbeitsvertrag vorgesehenen Freizeitausgleich oder die Frage der Überstundenvergütung anzusprechen und die von ihr privat geführten Notizen vorzulegen, so kann aus der Sicht des Arbeitgebers allein in der tatsächlichen Erbringung der Arbeit kein rechtsgeschäftliches Angebot auf gesondert zu entgeltende Tätigkeit gesehen werden. Ebensowenig liegt in der Erklärung des Arbeitgebers in einer Mitarbeiterbesprechung, die Bürovorsteherin sei überlastet und als einzige Kraft noch nach Feierabend tätig, eine rechtsgeschäftlich bindende Erklärung, an welche ein vertraglicher Anspruch auf Überstundenvergütung geknüpft werden kann.

3. Die vom Arbeitnehmer geführten Überstunden-Aufschreibungen bieten, auch wenn sie zeitnah geführt worden sind, als Privaturkunden keinen ausreichenden Beweis für die behauptete Überstundenleistung. Entsprechendes gilt – jedenfalls bei freier Arbeitszeiteinteilung – für Computerdateien und Telefonlisten, welche wiederholte Tätigkeiten nach Büroschluß belegen.

 

Normenkette

BGB § 612

 

Verfahrensgang

ArbG Arnsberg (Urteil vom 08.12.1998; Aktenzeichen 2 Ca 516/98)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Arnsberg vom 08.12.1998 – 2 Ca 516/98 – abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Der Streitwert für den zweiten Rechtszug wird auf 52.156,– DM festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im zweiten Rechtszuge noch um einen Anspruch auf Zahlung von Überstundenvergütung.

Mit der Behauptung, sie habe in den Jahren 1994 bis 1998 insgesamt 1.517,90 Überstunden geleistet, hat die Klägerin, welche als Bürovorsteherin im Anwaltsbüro des Beklagten gegen ein monatliches Bruttoentgelt in Höhe von zuletzt 6.475,– DM beschäftigt war, den Beklagten im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch betriebsbedingte Kündigung auf Zahlung von Überstundenvergütung in Höhe von ca. 58.000,– DM in Anspruch genommen. Zum Beleg für die geleisteten Überstunden hat die Klägerin eine geordnete Aufstellung (Bl. 16 – 64 d.A.) über die täglich geleistete Arbeitszeit mit der Behauptung vorgelegt, diese Aufstellung beruhe auf entsprechenden zeitnah geführten handschriftlichen Aufzeichnungen (Hülle Bl. 330 d.A.). Zum Beleg dafür, daß der Beklagte die geleisteten Überstunden zumindest gebilligt habe, hat die Klägerin auf Protokolle von Mitarbeiterbesprechungen (Bl. 66 ff d.A.) verwiesen, in welchen ausdrücklich ihre Überlastung sowie der Umstand erwähnt werde, daß sie häufig nach Feierabend noch im Büro tätig sei.

Durch Urteil vom 08.12.1998 (Bl. 190 ff d.A.), auf welches wegen des weiteren erstinstanzlichen Parteivorbringens Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht – unter Abweisung des zugleich verfolgten Kündigungsfeststellungsbegehrens – dem Anspruch der Klägerin auf Überstundenvergütung im wesentlichen entsprochen und den Beklagten zur Zahlung von 52.156,32 DM brutto nebst Zinsen verurteilt. Zur Begründung ist im wesentlichen ausgeführt worden, der Beklagte habe den substantiierten Vortrag der Klägerin zum Umfang der geleisteten Überstunden nicht hinreichend substantiiert bestritten. Dabei könne sich der Beklagte nicht darauf berufen, er habe von den Überstunden der Klägerin keine Kenntnis gehabt. Dies ergebe sich nämlich aus den Protokollen der Bürogespräche. Selbst wenn man davon ausgehe, daß eine Duldung von Überstunden nicht bereits vorliege, wenn der Arbeitgeber von den Überstunden bloße Kenntnis habe, ergäben sich doch aus den vorgelegten Protokollen konkrete Einzelheiten. Unter Berücksichtigung der in § 4 des Arbeitsvertrages getroffenen Regelung, nach welcher die über 10 Stunden/Monat hinausgehenden Überstunden in Freizeit abzugelten oder entsprechend der vereinbarten Vergütung zu bezahlen seien, verblieben nach Abzug bereits ausgeglichener Überstunden 1.361,30 Stunden, welche nach der Berechnung 6.475,– DM: 169 × 1.361,30 mit einem Betrag von 52.156,32 DM brutto zu vergüten seien.

Gegen das ihm am 18.12.1998 zugestellte Urteil richtet sich die am 18.01.1999 eingelegte und am 17.02.1999 begründete Berufung des Beklagten.

Unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens...

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