Die Revision wird nicht zugelassen

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

fristlose Kündigung. wichtig er Grund. Diebstahl. Verdacht. Videoüberwachung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB beginnt mit vollständiger Kenntnis des Kündigungssachverhalts zu laufen, wozu bei einer Verdachtskündigung auch die Anhörung des Arbeitnehmers zählt.

2. Die Anhörung des Arbeitnehmers darf nicht zu einer dem Arbeitgeber zurechenbaren Verzögerung führen, wovon nicht auszugehen ist, wenn der Arbeitnehmer innerhalb einer Woche vom Zeitpunkt der Kenntnis des Arbeitgebers von den Verdachtsmomenten angehört wird.

3. Videoüberwachungsanlagen, die den Schutz des Arbeitgebereigentums vor Diebstahl durch Kunden bezwecken und nicht heimlich der Überwachung der Arbeitnehmer dienen, sind zulässig. Entsprechende Aufnahmen können in einem Kündigungsschutzverfahren verwertet werden.

 

Normenkette

BGB § 626

 

Verfahrensgang

ArbG Dortmund (Urteil vom 29.10.2003; Aktenzeichen 8 C a 3458/03)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagt en wird das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 29.10.2003 – 8 Ca 3458/03 – abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

 

Tatbestand

Mit seiner Klage wendet sich der im Jahre 1948 geborene, verheiratete und gegenüber einem Kind unterhaltspflichtige Kläger, welcher seit Februar 1977 im Betrieb der Beklagten als Werkzeugmacher gegen ein monatliches Bruttoentgelt von ca. 2.900,00 EUR/Monat tätig war, gegen die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses durch fristlose und vorsorglich fristgerechte Kündigung vom 26.05.2003 (Bl. 3 d.A.). Diese Kündigung stützt die Beklagte, welche einen Betrieb der Metallindustrie mit mehr als 100 Beschäftigten führt und betriebsüblich die Tarifverträge der Metallindustrie anwendet, auf die Grundsätze der Verdachtskündigung und hält dem Kläger ausweislich des Kündigungsschreibens den „dringenden Diebstahlsverdacht eines Handys” vor.

Vor Ausspruch der Kündigung hatte die Beklagte den bei ihr gebildeten Betriebsrat mit schriftlicher Kündigungsvoranzeige vom 21.05.2003 (Bl. 24 d.A.) unter Beifügung einer Gesprächsnotiz über die persönliche Anhörung des Klägers vom selben Tage (Bl. 25 d.A.) angehört. Nachdem der Betriebsrat den Anhörungsbogen unter dem 26.05.2003 an die Beklagte zurückgab, sprach die Beklagte gegenüber dem Kläger die angegriffene Kündigung aus, welche ihm noch am selben Tage zuging.

Wie unstreitig ist, führte die Beklagte, nachdem es in der Vergangenheit im Betrieb wiederholt zu Diebstählen gekommen war, in der Zeit vom 12. bis 22.04.2003 mit Zustimmung des Betriebsrats eine Maßnahme der Ehrlichkeitskontrolle durch und stellte zu diesem Zweck in einem nicht mehr zur Produktion genutzten Bereich der Fertigungshalle einen offenen Karton mit mehreren älteren Mobiltelefonen auf. Ob es sich insoweit um defekte Geräte „Elektronikschrott”) oder um an sich funktionsfähige Geräte ohne sog. SIM-Karte handelt, ist unter den Parteien streitig. Durch eine versteckt angebrachte Kamera wurde sodann der betreffende Bereich überwacht, wobei der Vorgang der Aufzeichnung jeweils durch Kontrastveränderungen – insbesondere bei Annäherung einer Person – ausgelöst wurde.

Wie weiter unstreitig ist, entnahm der Kläger am 15.04.2003 eines der Mobiltelefone aus dem Karton und nahm es mit an seinen Arbeitsplatz. Ob der Kläger das Gerät sodann mit Diebstahlsabsicht mit nach Hause nahm – so die Beklagte – oder – wie der Kläger vorträgt – es nach Besichtigung gegen Schichtende zwischen 12.00 und 14.00 Uhr in den Karton zurücklegte, ist unter den Parteien streitig.

Nach Beendigung der Überwachungsmaßnahme ergab sich bei Auswertung der Aufzeichnung, dass drei Personen Mobiltelefone aus dem Karton entnommen hatten. Die betreffenden Personen wurden sodann am 21.05.2003 im Beisein des Betriebsratsvorsitzenden und seines Stellvertreters angehört, worauf die Beklagte letztlich die Entscheidung traf, den Kläger sowie seinen Arbeitskollegen S7xxxxxx, welcher ebenfalls Kündigungsschutzklage erhoben hat, fristlos zu entlassen. Gegenüber dem dritten Arbeitnehmer S3xxxxx sah die Beklagte von einer Kündigung mit der Begründung ab, dieser habe – anders als der Kläger und sein Kollege S7xxxxxx – ohne Umschweife den Diebstahlsvorwurf eingeräumt, wohingegen der Kläger und sein Kollege erst durch Vorführen der Videoaufzeichnung zu einem Geständnis veranlasst worden seien.

Der Kläger hat im ersten Rechtszuge die vollständige Unterrichtung des Betriebsrats sowie die Einhaltung der Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB gerügt. In rechtlicher Hinsicht hat der Kläger weiter ausgeführt, der ihm vorzuwerfende Sachverhalt sei zur Rechtfertigung einer Kündigung nicht ausreichend. Insofern müsse zunächst bestritten werden, dass die im Karton abgelegten Mobiltelefone überhaupt noch einen Wert gehabt hätten. Darüber hinaus müsse zu Gunsten des Klägers berücksichtigt werden, dass er das Gerät allein zu Besichtigungszwecken aus dem Karton entnommen, dann aber gegen Schichtende zurückgelegt habe. Die...

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