Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsinhaltskontrolle ("ergänzende" Inbezugnahme von Tarifverträgen). schriftliche Geltendmachung einer Forderung durch E-Mail. „unbefristeter” Anspruch auf Urlaubsabgeltung. Urlaubsgewährung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wird im Arbeitsvertrag auf die einschlägigen Tarifverträge nicht global, sondern nur „ergänzend” verwiesen, unterliegen die in Bezug genommenen Tarifregelungen der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB.

2. Ein Anspruch wird im Sinne einer tariflichen Verfallklausel auch dann schriftlich erhoben, wenn dies in Form einer E-Mail geschieht und der Empfänger keine ernstlichen Zweifel daran haben kann, dass die Erklärung vom Absender abgegeben ist.

3. Der Urlaubsabgeltungsanspruch nach § 7 Abs. 4 BUrlG ist weder auf das Ende des Urlaubsjahres oder Übertragungszeitraums i.S.v. § 163 BGB i.V.m. § 158 Abs. 2 BGB befristet, noch wird die Leistung „Urlaubsabgeltung” mit Ablauf dieser Fristen i.S.v. § 275 BGB unmöglich. Daher braucht der Arbeitnehmer den Abgeltungsanspruch nicht binnenfristig gemäß § 286 Abs. 1 BGB anzumahnen, um eine „Ersatzabgeltung” zu erhalten.

4. Die Arbeitsvertragsparteien können nicht wirksam vereinbaren, dass der Mindesturlaubsanspruch durch Arbeitstage, an denen der Arbeitnehmer wegen Arbeitsmangels nicht beschäftigt werden kann, erfüllt wird. Dass die arbeitsfreien Tage auch im Interesse des Arbeitnehmers lagen, macht sein Urlaubsverlangen nicht rechtsmissbräuchlich.

5. Will der Arbeitgeber gegen einen Bruttoentgeltanspruch aufrechnen, hat er den pfändbaren Teil des Nettoverdienstes anzugeben. Andernfalls ist die Aufrechnung unzulässig, § 394 BGB i.V.m. § 850 e, § 850 c ZPO.

 

Normenkette

BGB §§ 163, 281 Abs. 4, § 307 Abs. 1 S. 1; BUrlG § 7 Abs. 2 S. 1; BGB § 307; BUrlG § 7; TVG § 4; GG Art. 20 Abs. 3; EGRL 2003/88 Art. 7 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Krefeld (Urteil vom 23.04.2007; Aktenzeichen 5 Ca 78/07)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 20.01.2009; Aktenzeichen 9 AZR 650/07)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts Krefeld vom 23.04.2007 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor wie folgt neu gefasst wird:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Euro 1.776,82 brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 29.12.2006 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte. Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz tragen der Kläger zu 1/24 und die Beklagte zu 23/24; hiervon ausgenommen sind die durch die Anrufung des Arbeitsgerichts Mönchengladbach entstandenen Mehrkosten, die der Kläger zu tragen hat.

Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um Urlaubsabgeltung.

Der Kläger war vom 15.03.2006 bis 31.10.2006 als Omnibusfahrer gegen einen Monatspauschallohn von Euro 2.200,00 brutto bei der Beklagten beschäftigt. Die Beklagte, ein in W. ansässiges Omnibusunternehmen, befasst sich mit Reise-, Linien- und Schulverkehr. Sie ist als Mitglied des Arbeitgeberverbandes an die Tarifverträge für die Arbeitnehmer des privaten Omnibusgewerbes des Landes Nordrhein-Westfalen gebunden. Der Kläger ist nicht tarifgebunden.

Im Arbeitsvertrag vom 19.12.2005, der dem Arbeitsverhältnis der Parteien zugrunde lag, ist u.a. wörtlich bestimmt:

10. Urlaub

Der Urlaubsanspruch beträgt bei einer 6 Tagewoche 30 Tage im Jahr, oder 2,5 Tage pro Monat.

12. Kollektivregelungen

Das Arbeitsverhältnis unterliegt im übrigen den für den Arbeitgeber geltenden Tarifverträgen für die gewerblichen Arbeitnehmer des privaten Omnibusgewerbes des Landes Nordrhein-Westfalen in ihrer jeweils letzten Fassung. …

13. Besondere Vereinbarungen

Ein freier Tag pro Woche, außerhalb des Urlaubs, wird gewährt…

15. Schriftform

Änderungen und Ergänzungen des Vertrages bedürfen der Schriftform.

Nach Behauptung der Beklagten wurde anlässlich des Vertragsabschlusses am 19.12.2005 mündlich verabredet, dass der Kläger im Reiseverkehr eingesetzt und, wenn dort aufgrund Arbeitsmangels an einzelnen Tagen in der 6-Tage-Woche keine Fahrertätigkeit anfalle, nicht für Fahrten im Schülerverkehr oder zu Hallendiensten herangezogen werden sollte; die arbeitsfreien Tagen, so sei es besprochen gewesen, zur Erfüllung der Ansprüche des Klägers auf den freien Wochentag und auf Urlaub verwendet werden.

Während des Arbeitsverhältnisses gewährte die Beklagte dem Kläger einen freien Wochentag. Darüber hinaus wurde der Kläger an 21,5 Arbeitstagen (so der Kläger) bzw. an 22 Arbeitstagen (so die Beklagte) nicht beschäftigt. Die Beklagte zahlte in allen Monaten den vollen Monatspauschallohn. In der Abrechnung für den Monat Oktober 2006 kürzte sie allerdings den Lohn um Euro 169,23 brutto. Nach einer handschriftlichen Aufstellung der Beklagten handelte es sich hierbei um den Lohnabzug für zwei Tage, weil der Kläger während der Beschäftigungszeit mehr freie Wochentage und Urlaubstage als ihm zustehend erhalten habe.

Am 16.11.2006 erhielt die Beklagte eine E-Mail des Klägers, in dem u.a. heißt :

„Zu meiner Loh...

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