Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirksamkeit von anteiligen Rückzahlungsklauseln. AGB-Wirksamkeitskontrolle von Regelungen zur Rückzahlung von Fortbildungskosten. Angemessenheit der Rückzahlung von Fortbildungskosten. Kein Schriftformerfordernis bei vorrangiger, individueller Rückzahlungsvereinbarung

 

Leitsatz (amtlich)

Einzelfall einer einzelvertraglichen Rückzahlungsklausel für vom Arbeitgeber nachträglich übernommene Kosten eines von der Arbeitnehmerin zuvor und unabhängig vom Arbeitsverhältnis aufgenommenen Teilzeitstudiums.

 

Normenkette

GG Art. 12; BGB §§ 126-127, 305b, 307 Abs. 1 S. 1; ArbGG § 64 Abs. 6

 

Verfahrensgang

ArbG Wesel (Entscheidung vom 27.03.2020; Aktenzeichen 2 Ca 414/20)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wesel vom 27.03.2020 - 2 Ca 414/20 - abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 4.818,33 € nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.01.2020 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rückzahlung von Fortbildungskosten.

Die am 14.11.1991 geborene Beklagte war ab dem 12.06.2014 bei dem klagenden D.-Verband als Mitarbeiterin der Verwaltung im Umfang von 20 Stunden wöchentlich beschäftigt. In § 2 des Dienstvertrages vom 10.06.2014 (Anlage K1, Bl. 5 ff GA) haben die Parteien die Geltung der Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR-D.) in ihrer jeweils geltenden Fassung vereinbart. Darin heißt es:

"§ 7 Einstellung

(1) Der Mitarbeiter wird durch den Rechtsträger der Einrichtung (Dienstgeber) oder den von diesem Bevollmächtigten eingestellt. Der Dienstvertrag wird vor Dienstbeginn schriftlich unter Verwendung eines Musterdienstvertrages des Deutschen Caritasverbandes abgeschlossen.

...

(2) Zusätzliche Vereinbarungen bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Schriftform. Sie können gesondert gekündigt werden, soweit das in den AVR vorgesehen oder einzelvertraglich vereinbart ist".

....

"§ 10a Fort- und Weiterbildung

(1) Wird ein Mitarbeiter auf Veranlassung und im Rahmen der Qualitätssicherung oder des Personalbedarfs des Dienstgebers fort- oder weitergebildet, werden, sofern keine Ansprüche gegen andere Kostenträger bestehen, vom Dienstgeber

a) dem Mitarbeiter, soweit er freigestellt werden muss, für die notwendige Fort- oder Weiterbildungszeit die bisherigen Dienstbezüge (Abschnitt II der Anlage 1 zu den AVR) fortgezahlt und

b) die Kosten der Fort- oder Weiterbildung getragen.

(2) Der Mitarbeiter ist verpflichtet, dem Dienstgeber die Aufwendungen für eine Fort- oder Weiterbildung im Sinne des Absatzes 1 zu ersetzen, wenn das Dienstverhältnis auf Wunsch des Mitarbeiters oder aus einem von ihm zu vertretenden Grunde endet. Für jeden vollen Monat der Beschäftigung nach dem Ende der Fort- oder Weiterbildung werden 1/36 des Aufwendungsbetrages erlassen.

Eine Rückzahlungsverpflichtung besteht nicht, wenn die Mitarbeiterin wegen Schwangerschaft oder wegen Niederkunft in den letzten drei Monaten kündigt oder einen Auflösungsvertrag geschlossen hat.

In besonders gelagerten Fällen kann von der Rückzahlungsregelung zugunsten des Mitarbeiters abgewichen werden."

In § 11 des Arbeitsvertrags haben die Parteien vereinbart, dass "spätere Vereinbarungen" zu ihrer Gültigkeit der Schriftform bedürfen.

Am 10.07.2014 meldete die Beklagte sich aus eigenem Entschluss zu dem nebenberuflichen Bachelorstudiengang Gesundheits- und Sozialmanagement an der G. Hochschule an, den sie ab dem 01.09.2014 aufnahm. Die anfallenden Studienkosten in Höhe von 42 Monatsraten à 295,00 €, insgesamt 12.390,00 €, wurden ihr unter dem 01.08.2014 von der Hochschule in Rechnung gestellt (Anlage K6, Bl. 41 GA).

Im Jahr 2015 erklärte sich der Kläger bereit, die gesamten Fortbildungskosten der Beklagten zu übernehmen. Hierzu unterzeichnete die Beklagte unter dem 05.06.2015 auf einem Briefbogen der Personalabteilung folgende vom Kläger formulierte Erklärung (Anlage K4, Bl. 9 GA):

"Mir ist bekannt, dass sich bei meinem Ausscheiden aus dem Caritasverband der Dekanate E. und X. auf eigenen Wunsch bezüglich meines vom Arbeitgeber finanzierten Studiums im Studiengang "Bachelor of Arts im Gesundheits- und Sozialmanagement" folgende Verpflichtungen nach § 10a AT der AVR für mich ergeben:

- Rückzahlung der Kosten der Fort- und Weiterbildung an meinen Arbeitgeber

- Rückzahlung der fortgezahlten Dienstbezüge während der Fort- oder Weiterbildungszeit für freigestellte Dienstzeit.

Für jeden vollen Monat der Beschäftigung nach dem Ende der Fort- oder Weiterbildung werden 1/36 des Aufwendungsbetrages erlassen."

Die Fortbildungskosten von 12.390,00 € trug der Kläger (Rechnung v. 20.07.2015, Anlage K3, Bl. 8 GA). Die Beklagte schloss den Studiengang am 28.02.2018 ab. Das Arbeitsverhältnis endete 22 Monate nach dem Ende des Studiums durch Eigenkündigung der Beklagten vom 27.09.2019 zum 31.12.2019.

Mit Schreiben vom 30.12.2019 (Anlage K5, Bl. 10 GA) forderte der Kläger die Beklagte zur ...

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