Entscheidungsstichwort (Thema)

betriebsbedingte Kündigung. Interessenausgleich mit Namensliste, Betriebsratsanhörung

 

Leitsatz (amtlich)

Um einen die Vermutungswirkung nach § 1 KSchG auslösenden Interessenausgleich mit Namensliste aufgrund einer Betriebsänderung handelt es sich auch dann, wenn sich die Betriebseinschränkung in einem erheblichen Personalabbau erschöpft. Bei der Beurteilung der Frage der „Erheblichkeit” der Personalreduzierung sind die Schwellenwerte nach § 17 Abs. 1 KSchG keine „starren” Zahlenvorgaben, sondern „Richtschnur”. Bei einem geringfügigen Unterschreiten der Schwellenwerte kann eine einzelfallbezogene, wertende Betrachtungsweise zur Annahme einer Betriebsänderung führen.

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 5; BetrVG §§ 102, 111

 

Verfahrensgang

ArbG Brandenburg (Urteil vom 23.03.2005; Aktenzeichen 4 Ca 1520/04)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Brandenburg an der Havel vom 23. 3. 2005 – 4 Ca 1520/04 – teilweise abgeändert.

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung aus betrieblichen Gründen auf Grund eines Interessenausgleichs mit Namensliste und über einen vorläufigen Weiterbeschäftigungsanspruch der Klägerin.

Die 1955 geborene, verheiratete und keinem Kind unterhaltsverpflichtete Klägerin ist bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängern seit dem 1. März 1981 als Sachbearbeiterin zu einem Bruttomonatseinkommen von zuletzt 2.397,00 EUR bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 37 Stunden tätig. Die Beklagte, bei der ein Betriebsrat gebildet ist, ist eine Wohnungsbaugesellschaft und beschäftigte zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Kündigung 67 Arbeitnehmer einschließlich 5 Auszubildender und 14 Hausbetreuer. Bei letzteren handelt es sich um geringfügig Beschäftigte, deren Verdienst sich zwischen 25,56 EUR brutto und 255,65 EUR brutto monatlich bewegt. Die Klägerin war zuletzt im Bereich Betriebskosten eingesetzt. Im Team Betriebskosten sind außerdem beschäftigt:

Teamleiter Herr D., geb. 1964, seit 20.09.1983 betriebszugehörig, ein unterhaltspflichtiges Kind, verheiratet;

Herr S., geb. 1957, seit 07.02.1983 betriebszugehörig, ein unterhaltspflichtiges Kind, ledig;

Frau W., geb. 1948, seit 01.03.1979 betriebszugehörig, keine unterhaltspflichtigen Kinder, verwitwet.

Auf das Arbeitverhältnis der Parteien findet kraft vertraglicher Bezugnahme der Manteltarifvertrag für die Beschäftigten der Wohnungswirtschaft Anwendung. Wegen der wirtschaftlichen Situation der Beklagten empfahl ein zeitweiliger Ausschuss der Stadtverordnetenversammlung, die Beklagte nur unter der Voraussetzung einer Reduzierung der Kosten und Ausgaben fortzuführen. Ohne eine Personalkostensenkung ab 2005 i.H.v. ca. 800.000,– EUR wurde die Geschäftsführung der Beklagten mit der Vorbereitung einer Ausschreibung der gesamten Arbeitsaufgaben der Beklagten für Fremdunternehmen beauftragt. Der Geschäftsführer der Beklagten traf deshalb im August 2004 die unternehmerische Entscheidung, 6 Stellen bei der Beklagten zu streichen. Eine Stelle sollte zum 1. Januar 2005, fünf weitere zum 1. April 2005 wegfallen. Im Bereich der Hausverwaltung/Restitution sollten 2 Stellen sowie in den Bereichen Betriebskosten, Rechnungswesen, Technik und Allgemeine Verwaltung jeweils eine Stelle betroffen sein. Am 26. August 2004 wurde der Betriebsratsvorsitzenden eine listenmäßige Aufstellung der personenbezogenen Daten sämtlicher bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer übergeben (wegen der Einzelheiten dieser Liste wird auf Bl. 310 bis 314 d.A. verwiesen). Am 13. September 2004 unterzeichneten der Geschäftsführer der Beklagten und die Betriebsratsvorsitzende einen Interessenausgleich und einen Sozialplan sowie eine „Namensliste der von betriebsbedingten Kündigungen betroffenen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen im Sinne von § 1 Abs. 5 KSchG” als Bestandteil des Interessenausgleichs und Sozialplans, in welcher die Klägerin aufgeführt wird (auf Bl. 42 d.A. wird verwiesen). Im Interessenausgleich und Sozialplan, wegen dessen vollständigen Wortlauts auf Bl. 30 bis 42 d.A. Bezug genommen wird, ist u.a. bestimmt, dass eine Übertragung der Arbeitsaufgaben der Klägerin auf die verbleibenden drei Mitarbeiter des Teams Betriebskosten sowohl durch die Reduzierung des Wohnungsbestandes als auch durch die Optimierung der Arbeitsabläufe ermöglicht werden soll. Die Aufteilung der einzelnen Tätigkeiten (Kostenart Wasser und Abwasser, Rechnungsbearbeitung sonstige Betriebskosten sowie Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Betriebskostenabrechnung) auf die verbleibenden drei Beschäftigten ist – unter Aufführung der prozentualen Anteile der bisher von der Klägerin bewältigten Arbeitsanteile – im Einzelnen beschrieben. Weiter heißt es im Interessenausgleich und Sozialplan unter der Überschrift „Betriebsratsanhörung gem. § 102 BetrVG”:

Der Betriebsrat erklärt ausdrücklich, da...

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