Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit der Aufnahme von Abmahnungen hinsichtlich der Amtsausübung von Betriebsratsmitgliedern in die Personalakten. Rechtsschutz des Betriebsrats gegen eine gegen alle Mitglieder des Betriebsrats ausgesprochene Abmahnung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Abmahnungen, mit denen der Arbeitgeber die Amtsausübung von Betriebsratsmitgliedern rügt und Sanktionen nach § 23 Abs. 1 BetrVG androht (betriebsverfassungsrechtliche Abmahnungen), dürfen unabhängig von ihrer Rechtmäßigkeit nicht in die Personalakten der Betriebsratsmitglieder aufgenommen werden. Die Betriebsratsmitglieder können die Entfernung der Abmahnungen aus ihren Personalakten verlangen und nötigenfalls im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren durchsetzen.

2. Mahnt der Arbeitgeber alle Mitglieder des Betriebsrats ab, kann der Betriebsrat als Gremium im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren gleichwohl nicht im Wege des Feststellungsantrags die Unwirksamkeit der Abmahnungen geltend machen, da ein solcher Antrag auf die Erstattung eines Rechtsgutachtens, nicht auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses zielt. Dies gilt auch, wenn - wie hier - in den angegriffenen Abmahnungen betriebsverfassungsrechtliche Sanktionen angedroht werden. Die Möglichkeit des Betriebsrats, ein Unterlassungsverfahren gegen den Arbeitgeber nach § 23 Abs. 1 BetrVG einzuleiten, bietet ausreichenden Rechtsschutz (insoweit aA die Vorinstanz ArbG Stuttgart 30.04.2019 - 4 BV 251/18).

 

Normenkette

BetrVG §§ 2, 23 Abs. 1, § 74 Abs. 2 S. 2, § 78 S. 2; BGB §§ 242, 1005 Abs. 1 S. 1; ZPO § 256 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 30.04.2019; Aktenzeichen 4 BV 251/18)

 

Tenor

  1. Auf die Beschwerde der Beteiligten Ziffer 2 wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 30.04.2019, Az.: 4 BV 251/18, teilweise abgeändert.

    Die Anträge des Beteiligten Ziffer 1 werden zurückgewiesen.

  2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
  3. Die Rechtsbeschwerde wird für die Beteiligte Ziffer 2 zugelassen.
 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Zulässigkeit und die Berechtigung der Beteiligten Ziffer 2 zum Ausspruch betriebsverfassungsrechtlicher Abmahnungen.

Wegen des Vortrags der Beteiligten und der Sachanträge erster Instanz wird auf den Beschluss des Arbeitsgerichts vom 30. April 2019 Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat angenommen, die Anträge seien sämtlich zulässig und auch begründet. Die Beteiligten Ziffern 3, 4 und 5 (Betriebsratsmitglieder) könnten verlangen, dass die Abmahnungen vom 15. August 2018 aus ihren Personalakten entfernt würden. Sie könnten diesen Antrag im Beschlussverfahren verfolgen, auch wenn neben ihrer kollektiv-rechtlichen Position als Betriebsratsmitglied auch ihre individualrechtliche Position als Arbeitnehmer betroffen sei. Die Beteiligten Ziffern 3, 4 und 5 seien als Betriebsratsmitglieder auch antragsbefugt, da sie sich gerade in ihrer Funktion als Betriebsratsmitglieder eigener Rechte, deren Bestehen nicht von vornherein ausgeschlossen erscheine, berühmten. Die Abmahnungen seien bereits deshalb aus den Personalakten zu entfernen, weil die Beteiligte Ziffer 2 (im Folgenden: Arbeitgeber) den Vorwurf einer Amtspflichtverletzung mit der Androhung eines Antrages nach § 23 BetrVG verknüpft habe und dies mit dem Arbeitsverhältnis nichts zu tun habe. Das Arbeitsgericht ist davon ausgegangen, dass Personalakten, auch von Funktionsträgern, die Sammlung von Urkunden und Verträgen, welche die persönlichen und dienstlichen Verhältnisse der Mitarbeiter beträfen und in einem inneren Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stünden, seien. Bezugnehmend auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach Abmahnungen nicht in die Personalakte aufzunehmen seien, wenn eine individualrechtliche Sanktion (z. B. eine Kündigung) angedroht werde, jedoch keine Verletzung arbeitsrechtlicher sondern nur betriebsverfassungsrechtlicher Pflichten gerügt werde, weil damit individualrechtliche und betriebsverfassungsrechtliche Pflichten unzulässig vermischt würden, liege auch im vorliegenden Fall (angebliche betriebsverfassungsrechtliche Pflichtverletzung wird mit einer betriebsverfassungsrechtlichen Sanktion verknüpft) eine unzulässige Vermischung der Pflichtenkreise vor. Es sei inkonsequent, eine solche betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung in die Personalakte aufzunehmen, weil nicht das Arbeitsverhältnis als solches betroffen sei, sondern nur das kollektiv-rechtliche Verhältnis zwischen Betriebsrat bzw. Betriebsratsmitglied und Arbeitgeber. Das Arbeitsgericht ist davon ausgegangen, dass auch von einer solchen betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung ungerechtfertigte berufliche Nachteile ausgehen könnten, was gegen das Benachteiligungsverbot nach § 78 Satz 2 BetrVG verstoßen würde.

Auch der Feststellungsantrag des Beteiligten Ziffer 1 (Betriebsrat) sei in der vorliegenden Konstellation ausnahmsweise zulässig. Eine Elementenfeststellungsklage sei auch nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht ausnahmslos unzulässig. Vorliegend bestehe ein...

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