Rz. 13

Schließlich endet der Anspruch auf Verletztengeld, wenn nicht mehr damit zu rechnen ist, dass Arbeitsfähigkeit wieder eintritt und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht zu erbringen sind, aber nur dann, wenn einer der Beendigungstatbestände nach Abs. 3 Satz 2 gegeben ist. Hierdurch wird der Charakter des Verletztengeldes als vorübergehende Leistung gewahrt. Die Möglichkeit des Wiedereintritts der Arbeitsfähigkeit ist regelmäßig durch ein medizinisches Sachverständigengutachten festzustellen. Maßgeblich sind hier auch Tätigkeiten, auf die der Versicherte verwiesen werden kann. Regelmäßig fallen unter Abs. 3 Satz 2 die Fälle der Schwerstverletzten (z. B. Pflegefall) oder von Verletzungen, die die bisherige Tätigkeit ausschließen. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben i. S. d. § 35 i. V. m. §§ 33 bis 38 SGB IX können z. B. wegen Alters des Versicherten nicht mehr zur Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit geeignet sein. Zur Frage, ob auch Maßnahmen nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 zu den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben fallen, vgl. Benz/Köllner, BG 2000 S. 39, 40. Jedenfalls führen nur solche (qualifizierte) Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, die einen Anspruch auf Übergangsgeld auslösen, zum Ende des Anspruchs auf Verletztengeld (LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 18.1.2016, L 1 U 4104/14 mit Hinweis auf BSG, Urteil v. 13.9.2005, B 2 U 4/04 R). Dies folgt auch aus dem Zusammenspiel von § 46 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2.

 

Rz. 13a

Das Ende des Verletztengeldanspruchs nach § 46 Abs. 3 Satz 2 ist durch Verwaltungsakt festzustellen, weil es eine Prüfung i. S. einer Prognoseentscheidung erfordert. Die Frage, ob berufsfördernde Leistungen zu erbringen sind, richtet sich dabei nach den Erfolgsaussichten, dem Alter des Versicherten und weiteren Umständen, die der Unfallversicherungsträger bei seiner Prüfung berücksichtigen muss. Dabei kommt es auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Unfallversicherungsträgers an. Eine rückwirkende Feststellung der Voraussetzungen einer Beendigung des Verletztengeldanspruchs kommt dabei nicht in Betracht (BSG, Urteil v. 13.9.2005, B 2 U 4/04 R). Dem Unfallversicherungsträger steht dabei kein Beurteilungs- oder Ermessensspielraum zu. Es handelt sich vielmehr um eine gebundene Entscheidung. Die Prognoseentscheidung unterliegt der uneingeschränkten rechtlichen Kontrolle durch das Gericht (LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 20.3.2014, L 10 U 2744/12). Der Anspruch auf Verletztengeld unterliegt grundsätzlich keiner zeitlichen Beschränkung; er endet auch nicht automatisch mit Ablauf der 78. Woche (BSG, Urteil v. 30.10.2007, B 2 U 31/06 R).

 

Rz. 14

Wenn die Arbeitsunfähigkeit hingegen nur vorübergehend ist, findet Abs. 3 Satz 2 keine Anwendung. Das Verletztengeld endet in diesen Fällen auch nicht durch den Bezug von Altersrente (BSG, Urteil v. 13.8.2002, B 2 U 30/01 R).

 
Praxis-Beispiel

Nach dem Arbeitsunfall am 20.1.1998 wird Arbeitsunfähigkeit bis voraussichtlich zum 15.4.1998 festgestellt. Ab 1.3.1998 bezieht der Versicherte Altersrente. Der Anspruch auf Verletztengeld endet erst am 15.4.1998 gemäß § 46 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1. Die Regelung des Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ist nicht anwendbar, da mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit zu rechnen war.

2.3.2.1 Abschluss der Heilbehandlung

 

Rz. 15

Hinsichtlich des genauen Zeitpunktes der Beendigung unterscheidet Abs. 3 Satz 2 insgesamt 3 Fallkonstellationen:

Wenn die Heilbehandlung so weit abgeschlossen ist, dass die Versicherten eine zumutbare, zur Verfügung stehende Berufs- oder Erwerbstätigkeit aufnehmen können, endet das Verletztengeld mit diesem Tag (Nr. 1). Eine Berufs- oder Erwerbstätigkeit steht zur Verfügung, wenn sie dem Versicherten durch den Träger der Unfallversicherung oder die Agentur für Arbeit konkret angeboten wird. Dafür genügt es, wenn der Arbeitgeber allgemein bereit ist, die Stelle mit einer Person mit entsprechenden gesundheitlichen Problemen zu besetzen. Die Unfallversicherung soll nicht das allgemeine Risiko der Arbeitsuche des Versicherten tragen (vgl. Benz/Köllner, BG 2000 S. 39, 41 f.).

Nicht erforderlich ist, dass der Versicherte die Tätigkeit auch tatsächlich aufnimmt. Der Bezug des Verletztengeldes endet mit dem letzten Tag vor dem Arbeitsbeginn. Unerheblich ist, ob die Heilbehandlungsmaßnahme noch andauert, solange sie der Aufnahme der Tätigkeit nicht entgegensteht. Die Tätigkeit muss dem Versicherten zumutbar sein. Der Begriff der Zumutbarkeit deckt sich nicht mit dem der Verweisbarkeit. Die Aufnahme einer verweisbaren Tätigkeit beendet die Arbeitsunfähigkeit und damit auch den Bezug des Verletztengeldes nach Abs. 3 Satz 1 Nr. 1. Der Begriff der Zumutbarkeit ist auch nicht in Anlehnung an § 121 SGB III auszulegen, da die Regelungen im SGB VII anders als die des SGB II Schadensersatzfunktion haben. Der Verletzte muss Entgelteinbußen i. S. d. § 121 Abs. 3 SGB III nicht hinnehmen. Vergleichbar ist vielmehr die Verweisbarkeit im Zusammenhang mit der Gewährung von Krankengeld (so: Hess. LSG, Urteil v. 23.10.2007, L 3 U 24/07, mit Anm. Molkentin, UV-Recht...

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