2.1 Arbeitsunfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls (Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1)

 

Rz. 6

Der Anspruch auf Verletztengeld setzt in der ersten Variante des Abs. 1 Nr. 1 Arbeitsunfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls (§§ 8, 9) voraus. Arbeitsunfähigkeit infolge eines Versicherungsfalles liegt anknüpfend an die Rechtsprechung zum Begriff der Arbeitsunfähigkeit in der gesetzlichen Krankenversicherung vor, wenn ein Versicherter aufgrund der Folgen eines Versicherungsfalles nicht in der Lage ist, seiner zuletzt ausgeübten oder einer gleich oder ähnlich gearteten Tätigkeit nachzugehen (BSG, Urteil v. 30.10.2007, B 2 U 31/06 R). Der Arbeitsunfall oder die Berufskrankheit muss also rechtlich wesentliche Ursache für den Eintritt der Arbeitsunfähigkeit sein (vgl. Rz. 9). Beim Begriff der Arbeitsunfähigkeit differenziert die Rechtsprechung des BSG (Urteil v. 7.8.1991, 1/3 RK 28/89) danach, ob das Arbeitsverhältnis fortbesteht, ob bei lang andauernder Krankheit nach arbeitsrechtlichen Kriterien eine innerbetriebliche Versetzung zulässig ist oder ob das Arbeitsverhältnis gelöst wurde.

 

Rz. 6a

Arbeitsunfähig ist der Versicherte während des fortbestehenden Arbeitsverhältnisses, der wegen Krankheit überhaupt nicht oder nur auf die Gefahr hin, seinen Zustand zu verschlimmern, fähig ist, der zuletzt ausgeübten Erwerbstätigkeit nachzugehen. Dies gilt auch bei lang andauernder Krankheit, solange der Arbeitgeber an dem Arbeitsverhältnis festhält (BSG, a. a. O.). Die Merkmale der bisherigen Tätigkeit ergeben sich aus ihrem Inhalt. Bei nicht selbständiger Tätigkeit ist auch der Umfang des Weisungsrechts des Arbeitgebers zu berücksichtigen. Maßgeblich ist nicht, ob der Versicherte in dem konkreten bisherigen Arbeitsverhältnis weiterarbeiten kann. Er kann vielmehr auch auf gleichartige Tätigkeiten verwiesen werden. Wegen der guten Definierbarkeit von Ausbildungsberufen, ist dort eine Verweisung seltener möglich als bei ungelernten Tätigkeiten (Fröhlke, in: Lauterbach, SGB VII, § 45 Rz. 9 m. w. N.).

 

Rz. 6b

Im Rahmen eines fortbestehenden Arbeitsverhältnisses ist die Beendigung der Arbeitsunfähigkeit möglich, obwohl die letzte konkrete Arbeit (der Arbeitsplatz) nicht wieder aufgenommen werden kann, wenn dem Versicherten vom Arbeitgeber in Ausübung seines Direktionsrechts ein anderer Arbeitsplatz im Betrieb zugewiesen wird, dem er gesundheitlich gewachsen ist und den er im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses wahrzunehmen hat. Der zugewiesene Arbeitsplatz muss den arbeitsrechtlichen Grundsätzen einer wirksamen Versetzung entsprechen. Danach kommt die Zuweisung eines anderen Arbeitsplatzes – i. S. eines anderen Tätigkeitsbereichs und/oder einer örtlichen Versetzung – aufgrund des Direktionsrechts des Arbeitgebers nur insoweit in Betracht, als der Arbeitsvertrag dem Arbeitgeber überhaupt einen Spielraum bei der Bestimmung von Art und Ort der Arbeitsleistung belässt. Fehlt es an einem derartigen Spielraum und würde die zugewiesene Arbeit eine Änderung des Arbeitsverhältnisses durch eine Änderungskündigung voraussetzen, ist die Verweisung unzulässig. Eine zulässige Verweisung kommt vielmehr nur dort in Betracht, wo der Wechsel des Arbeitsplatzes vom Arbeitgeber einseitig im Rahmen seines Direktionsrechts angeordnet werden kann (BSG, a. a. O.).

 

Rz. 6c

Wird das Arbeitsverhältnis nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit beendet, ändert sich der rechtliche Maßstab dahingehend, dass für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit nicht mehr die konkreten Verhältnisse am vorherigen Arbeitsplatz maßgebend sind, sondern nunmehr abstrakt auf die Art der zuletzt ausgeübten Beschäftigung abzustellen ist. Der Versicherte darf dann auf gleich oder ähnlich geartete Tätigkeiten "verwiesen" werden, wobei aber der Kreis möglicher Verweisungstätigkeiten entsprechend der Funktion des Kranken- bzw. Verletztengeldes eng zu ziehen ist. Handelt es sich bei der zuletzt ausgeübten Tätigkeit um einen anerkannten Ausbildungsberuf, so scheidet eine Verweisung auf eine außerhalb dieses Berufes liegende Beschäftigung aus. Auch eine Verweisungstätigkeit innerhalb des Ausbildungsberufs muss, was die Art der Verrichtung, die körperlichen und geistigen Anforderungen, die notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten sowie die Höhe der Entlohnung angeht, mit der bisher verrichteten Arbeit im Wesentlichen übereinstimmen, sodass der Versicherte sie ohne größere Umstellung und Einarbeitung ausführen kann. Dieselben Bedingungen gelten bei ungelernten Arbeiten, nur dass hier das Spektrum der zumutbaren Tätigkeiten deshalb größer ist, weil die Verweisung nicht durch die engen Grenzen eines Ausbildungsberufes eingeschränkt ist (BSG, Urteil v. 30.10.2007, B 2 U 31/06 R).

 

Rz. 6d

Kann der Versicherte nach ärztlicher Feststellung seine bisherige Tätigkeit teilweise wieder verrichten, etwa im Rahmen einer stufenweisen Wiedereingliederung i. S. d. § 74 SGB V, so besteht die Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung für den Verletztengeldbezug dem Grunde nach fort.

 

Rz. 6e

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