Rz. 11

Eine Aufhebung des noch Wirkungen erzeugendes VA setzt voraus, dass eine wesentliche Veränderung rechtlicher oder tatsächlicher Art gegenüber den Verhältnissen eingetreten ist, die für den Erlass des Verwaltungsaktes maßgeblich waren. Eine solche Änderung muss objektiv eingetreten sein. Die Änderung ist im Vergleich gegenüber der Sach- und Rechtslage festzustellen, die objektiv bei Erlass des Verwaltungsaktes vorgelegen hatte. Für das Vorliegen einer Änderung reicht es jedoch aus, dass die Behörde bestimmte Verhältnisse für maßgeblich erachtet hatte: Grundlegend hat sich hierzu das BSG im Urteil v. 7.2.1985 (9a RVs 2/84, SozR 1300 § 48 Nr. 13) geäußert, wobei dem Urteil ein Fall zugrunde lag, in dem eine Behörde eine Sozialleistung rechtswidrig gewährt hatte, weil sie eine bei dem Antragsteller tatsächlich vorliegende Eigenschaft irrtümlich für leistungsrelevant hielt (vgl. auch BSG, Urteil v. 9.9.1986, 5b RJ 66/85, vgl. auch Rz. 13). Eine zur Abänderung nach § 48 Abs. 1 berechtigende Änderung der Verhältnisse kann daher auch dann vorliegen, wenn die Behörde eine später weggefallene Leistungsvoraussetzung nur irrtümlich als maßgeblich angesehen hat (Bay. LSG, Urteil v. 18.11.2009, L 13 KN 6/08 BB). Stets muss aber eine objektive Änderung vorliegen, also z. B. die irrtümlich als maßgeblich angesehene Leistungsvoraussetzung nachträglich entfallen sein. Ist objektiv keine Änderung eingetreten, ist der Bescheid schon ursprünglich rechtswidrig. Eine bloß subjektive Annahme der Behörde, es sei eine Änderung in den Verhältnissen eingetreten, reicht nicht aus (LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 31.3.2009, L 13 AL 2412/07 mit Anm. Pietrek, jurisPR-SozR 19/2009 Rz. 6). Eine Rücknahme kommt daher bei fehlender objektiver Änderung der Verhältnisse nur gemäß der §§ 44, 45 in Betracht. Soweit dies nicht oder nicht mehr möglich ist und eine Änderung zugunsten des Berechtigten eingetreten wäre, ist diese Verbesserung auf der Grundlage einer richtigen Entscheidung zu ermitteln und ggf. im Rahmen von Abs. 3 einzufrieren.

 

Rz. 12

Für die Frage der Änderung der rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnisse ist es grundsätzlich ohne Bedeutung, ob diese zugunsten oder zulasten des Betroffenen eintritt. Entscheidend ist allein, dass nach dem für den Bescheid maßgebenden Tatbestand der Rechtsvorschrift eine Änderung eingetreten ist, die die Behörde nunmehr dazu berechtigen würde, den Anspruch abzulehnen oder in anderer Höhe festzusetzen (BSG, Urteil v. 19.2.1986, 7 RAr 55/84, SozR 1300 § 48 Nr. 22). Zu prüfen ist allein, ob bei der tatsächlich jetzt vorliegenden Sach- und Rechtslage der Bescheid überhaupt noch mit diesem Inhalt und in dieser Höhe ergehen dürfte. Ist eine Witwenrente unbefristet in bestimmter Höhe zuerkannt worden, obwohl nach geltender Rechtslage nach einer anrechnungsfreien Zeit eine Einkommensanrechnung hätte erfolgen müssen, ist dieser Bescheid von Anfang an rechtswidrig und daher ggf. nach § 45 zu korrigieren (LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 16.6.2016, L 10 R 3153/13). Der Ablauf der anrechnungsfreien Zeit ist keine Änderung der Rechtslage (LSG Baden-Württemberg, a. a. O.; str., vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 13.12.2012, L 10 R 4047/12, und a. A. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 9.1.2004, L 13 RJ 115/01; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil v. 7.3.2008, L 2 R 281/07).

 

Rz. 13

Eine für den Betroffenen nachteilige Änderung gegenüber der dem Bescheid zugrunde gelegten Sach- und Rechtslage ist auch bei einem ursprünglich rechtswidrigen Bescheid über Abs. 3 hinaus möglich, weil der Betroffene auch im Rahmen der §§ 44ff. nur den Vertrauensschutz in den ihn begünstigenden Bescheid genießt, nicht jedoch das Vertrauen in dessen Unveränderlichkeit (BSG, Urteil v. 9.9.1986, 5b RJ 66/85, SozR 1300 § 48 Nr. 27; Gagel, SGb 1990 S. 252, Steinwedel, in: KassKomm, § 48 Rz. 25 f.; a. A. Waschull, in: LPK-SGB X, § 48 Rz. 13 f.). Auch bei irrig angenommenen Verhältnissen kann daher insofern eine "Änderung" eintreten, als tatsächliche oder rechtliche Änderungen bei (fiktiver) Zugrundelegung des falschen Sachverhalts die Aufhebung rechtfertigen würden. Zu fragen ist dabei, ob eine Aufhebung des VA wegen Änderung der Verhältnisse möglich wäre, wenn der ursprüngliche Sachverhalt so gewesen wäre, wie die Behörde ihn angenommen hat. So ist auch bei einer mangels Berufsunfähigkeit rechtswidrig zugebilligten BU-Rente die Vollendung des 65. Lebensjahres eine Änderung, die eine Änderung des BU-Rentenbescheids in einen Altersrentenbescheid zulässt, wie auch die Aufnahme einer mehr als geringfügigen Beschäftigung oder einer selbständigen Tätigkeit eine Aufhebung des rechtswidrigen EU-Rentenbescheids als Änderung der Verhältnisse zulässt. Ebenso kann bei Wegfall einer zu Recht als vorliegend angenommenen Voraussetzung für die Gewährung einer Sozialleistung auch dann eine Aufhebung über § 48 erfolgen, wenn eine andere Leistungsvoraussetzung entgegen der irrigen Annahme der Behörde niemals vorgelegen hat und der abzuändernde VA daher an...

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