Entscheidungsstichwort (Thema)

Korrektur nicht begünstigender Verwaltungsakte. anfängliche Rechtswidrigkeit. Änderung der Verhältnisse. objektive Sachlage. Ermessensausübung

 

Leitsatz (amtlich)

Der Anwendungsbereich der §§ 45 und 48 SGB 10 unterscheidet sich danach, ob die aufzuhebende Leistungsbewilligung im Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens (vgl § 39 SGB 10) rechtswidrig war - dann § 45 SGB 10 - oder erst danach - dann § 48 SGB 10 - rechtswidrig wurde. Die beiden Normen grenzen sich nach den objektiven Verhältnissen im Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes, der aufgehoben werden soll, ab. Dabei ist die Verwaltung grundsätzlich verpflichtet, vor Erlass eines Bescheides die Sachlage vollständig abzuklären. Entsprechend sind im Zeitpunkt der Leistungsbewilligung bereits (objektiv) feststehende, die Höhe des Anspruchs betreffende Umstände, auch wenn sie in der Zukunft liegen, zu berücksichtigen. Steht im Zeitpunkt der Leistungsbewilligung also bereits fest (hier: durch einen weiteren Bewilligungsbescheid mit Leistungsbeginn in ca fünf Monaten), dass künftig - hier: in fünf Monaten - die zu bewilligende Leistung nur in niedrigerer Höhe zusteht, ist eine Leistungsbewilligung in unverminderter Höhe auf Dauer - hier also: auch für die Zeit über fünf Monate hinaus - rechtswidrig und nur nach § 45 SGB 10 aufhebbar.

 

Orientierungssatz

Zu Leitsatz vgl BSG vom 21.6.2011 - B 4 AS 22/10 R, vom 28.6.1990 - 4 RA 57/89 = BSGE 67,104 = SozR 3-1300 § 32 Nr 2 und vom 2.6.2004 - B 7 AL 58/03 R = BSGE 93, 51 = SozR 4-4100 § 115 Nr 1.

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die teilweise Aufhebung einer Rentenbewilligung und die Erstattung einer Überzahlung in Höhe von 71.251,27 €.

Der am 1932 geborene Kläger ist geschieden. Dem Versicherungskonto seiner geschiedenen Ehefrau wurden im Rahmen des Versorgungsausgleich Rentenanwartschaften in Höhe von damals 880,95 DM bzw. 22,2596 Entgeltpunkte übertragen.

Mit Bescheid vom 03.02.1997 bewilligte die Beklagte dem Kläger eine Altersrente ab dem 01.02.1997. Die Berechnung der Rentenhöhe erfolgte unter Berücksichtigung des vorgenommenen Versorgungsausgleichs. Der Bescheid enthielt den Hinweis, dass eine Prüfung der Härteregelung nach § 5 des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich (VAHRG) noch erfolgen werde.

Der geschiedenen Ehefrau bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 12.06.1998 ab Dezember 1998 ebenfalls eine Altersrente. Bei der Berechnung der Höhe dieser Altersrente berücksichtigte sie die übertragenen Rentenanwartschaften.

Sodann erging zu Gunsten des Klägers der Rentenbescheid vom 03.07.1998, in dem die Beklagte eine Neuberechnung der Rente ab Februar 1997 und auf Dauer unter Anwendung des § 5 VAHRG vornahm (Nachzahlung für die Zeit von Februar 1997 bis Juli 1998 17.513,72 €, ab August 1998 höhere laufende Leistungen). Der Bescheid enthielt folgenden Hinweis: “Es besteht die gesetzliche Verpflichtung, uns die Einstellung der Unterhaltsleistungen, den Wegfall der Unterhaltsverpflichtung, die Wiederheirat oder eine etwaige Rentenberechtigung des geschiedenen Ehegatten sowie dessen Tod unverzüglich mitzuteilen„.

Seit dem 01.12.1998 zahlt die Beklagte die bewilligte Altersrente an die geschiedene Ehefrau aus. Dies war dem Kläger nach seinem eigenen Vorbringen bekannt und er gibt an, dies der Beklagten Anfang 1999 telefonisch mitgeteilt zu haben.

Anfang des Jahres 2010 bemerkte die Beklagte, nachdem in vergleichbaren Fällen eine stichprobenweise Überprüfung Rentenüberzahlungen ergeben hatte, dass auch die Rentenauszahlung an den Kläger nach wie vor unter Anwendung des § 5 VAHRG erfolgte, obwohl mit dem Beginn des Bezugs der Rente durch seine geschiedene Ehefrau die Voraussetzungen hierfür entfallen waren.

Deswegen hörte die Beklagte den Kläger im März 2010 an und nahm für die Zeit ab Mai 2010 eine Neuberechnung der Rente vor. Darüber hinaus hob die Beklagte mit Bescheid vom 28.05.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.08.2010 den Rentenbescheid vom 03.07.1998 nach § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X - Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung bei Änderung der Verhältnisse) rückwirkend zum 01.12.1998 der Höhe nach teilweise auf und forderte die Erstattung der von Dezember 1998 bis Juni 2010 entstandenen Überzahlung in Höhe von 71.251,27 € (ab April 2010 ist kein Differenzbetrag mehr ausgewiesen). Zur Begründung führte sie aus, der Kläger hätte erkennen müssen, dass ihm die Rente ab dem 01.12.1998 wegen des Rentenbezuges seiner geschiedenen Ehefrau nicht mehr in der bisherigen Höhe zugestanden habe. Die Hinweise im Bescheid vom 03.07.1998 seien eindeutig gewesen. Da weder ein Fehlverhalten des Rentenversicherungsträgers vorliege, noch der Eintritt von Sozialhilfebedürftigkeit drohe, liege kein atypischer Fall vor. Ermessen sei daher nicht auszuüben.

Deswegen hat der Kläger am 09.09.2010 beim Sozialgeric...

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