Rz. 38

Die Vorschrift greift bei rechtmäßiger Arbeitnehmerüberlassung (vgl. auch Rz. 35). Dem Verleiher als Arbeitgeber des Leiharbeitnehmers obliegt es, dessen Gesamtsozialversicherungsbeitrag an die Einzugsstelle abzuführen. Kommt der Verleiher dieser Verpflichtung nicht nach, haftet der Entleiher für die Erfüllung der Zahlungspflicht wie ein selbstschuldnerischer Bürge (hierzu Rz. 44). Die Haftung des Entleihers beschränkt sich allerdings auf die Beitragsschulden für die Zeit, für die ihm der Arbeitnehmer überlassen worden ist. Die Haftung des Entleihers setzt sonach voraus, dass ein Arbeitgeber gegenüber dem Leiharbeitnehmer i. S. d. § 28e Abs. 1 zahlungspflichtig ist. Hiervon ist das Verhältnis von Entleiher und Arbeitnehmer abzugrenzen.

 

Rz. 39

Als Entleiher wird der eine Arbeitnehmerüberlassung bzw. Zeitarbeit als Dienstleistung in Anspruch nehmende Dritte bezeichnet (§ 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG). An einer Zeitarbeitsvereinbarung sind stets drei Parteien beteiligt, nämlich die Zeitarbeitsfirma als Verleiher und damit als Arbeitgeber, der Leiharbeitnehmer und der Dritte als Entleiher. Dieser "leiht" sich vom Verleiher Zeitarbeitskräfte für einen gewissen Zeitraum aus, um z. B. Personalmängel auszugleichen. Rechtstechnisch ist der Begriff "leihen" unzutreffend. "Leihe" meint, einem Dritten etwas vorübergehend gegen das Versprechen der Rückgabe aus seinem Besitz zur Verfügung stellen (https://www.duden.de/rechtschreibung/leihen). Infolgedessen verwendet das AÜG auch eine andere Nomenklatur: Arbeitnehmer werden zur Arbeitsleistung überlassen, wenn sie in die Arbeitsorganisation des Entleihers eingegliedert sind und seinen Weisungen unterliegen (§ 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG). Der Arbeitnehmer wird nicht verliehen, er wird vielmehr überlassen. Der Entleiher muss gegenüber dem Leiharbeitnehmer das Weisungsrecht haben, insbesondere muss er Art und Umfang der erbringenden Arbeit bestimmen. Bei Arbeitnehmerüberlassung werden dem Entleiher Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt. Der Entleiher setzt sie nach seinen Vorstellungen und Zielen in seinem Betrieb wie eigene Arbeitnehmer ein. Die Arbeitskräfte sind voll in den Betrieb des Entleihers eingegliedert und führen ihre Arbeiten allein nach dessen Weisungen aus (LAG München, Urteil v. 7.12.2004, 6 Sa 1235/03). Das ist essenziell. Fehlt es daran, ist der Dritte nicht Entleiher. Er haftet dann jedenfalls nicht nach § 28e Abs. 2. Sonach: Die Vertragspflicht des Verleihers gegenüber dem Entleiher beschränkt sich auf die Auswahl der Arbeitnehmer – für die allein er haftet – und endet, wenn er die Arbeitnehmer ausgewählt und dem Entleiher zur Verfügung gestellt hat. Hiervon ist die Tätigkeit eines Arbeitnehmers bei einem Dritten aufgrund eines vom AÜG nicht erfassten Werk- oder Dienstvertrages zu unterscheiden (hierzu auch LAG München, Urteil v. 13.9.2007, 4 Sa 340/07; vgl. auch BGH, Urteil v. 30.11.2023, 3 StR 192/18 bei Rz. 35).

 

Rz. 40

Bei einer wirksamen Arbeitnehmerüberlassung bleibt der Verleiher der Arbeitgeber des Leiharbeitnehmers. Die Überlassung und das Tätigwerdenlassen von Arbeitnehmern als Leiharbeitnehmer ist nur zulässig, soweit zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer ein Arbeitsverhältnis besteht (§ 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG). Der Verleiher bezahlt den Arbeitslohn. Zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer besteht hingegen grundsätzlich keine vertragliche Beziehung (vgl. aber § 10 Abs. 1 AÜG). Den Arbeitsvertrag schließen Verleiher und Arbeitnehmer nach allgemeinen Arbeitsvertragsregeln (hierzu auch Rz. 42 ff.). Der Verleiher verpflichtet sich zur Arbeitslohnzahlung, der Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung. Im Überlassungsvertrag (§ 12 AÜG) vereinbaren Verleiher und Entleiher, wie und zu welchen Konditionen der Leiharbeitnehmer tätig werden soll. Der Entleiher zahlt das vereinbarte Entgelt an den Verleiher. Nur wenn beide Verträge vorliegen und es an einer arbeitsvertraglichen Beziehung zwischen Arbeitnehmer und Entleiher fehlt, handelt es sich um eine echte Arbeitsüberlassung (vgl. BAG, Urteil v. 3.12.1997, 7 AZR 764/96; LAG München, Urteil v. 7.12.2004, 6 Sa 1235/03; vgl. auch BGH, Urteil v. 30.11.2023, 3 StR 192/18 bei Rz. 35). Der Verleiher hat in seiner Funktion als Arbeitgeber im Verhältnis zum Leiharbeiter alle gesetzliche Rechte wie gegenüber einem bei ihm tätigen Arbeitnehmer. Gegenläufig treffen ihn alle gesetzlichen Pflichten. Hierzu zählt insbesondere die Pflicht, den Gesamtsozialversicherungsbeitrag für den Leiharbeiter an die Einzugsstelle abzuführen (§ 28e Abs. 1). Der Entleiher ist sonach nicht der Arbeitgeber. Dennoch haftet er dafür, dass der Arbeitgeber (Verleiher) seine Zahlungspflichten erfüllt.

 

Rz. 41

Die Haftung nach § 28e Abs. 2 setzt im Weiteren voraus, dass der Arbeitnehmer dem Entleiher gegen Vergütung zur Arbeitsleistung überlassen worden ist. Das betrifft den Überlassungsvertrag (hierzu auch BGH, Urteil v. 30.11.2023, 3 StR 192/18 bei Rz. 35). Dieser muss regeln, dass der Entleiher dem Verleiher für die Arbeitnehmerüberlassung eine Vergütung entri...

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