BMF, 13.7.2006, IV B 6 - S 1300 - 340/06

Merkblatt zum internationalen Verständigungs- und Schiedsverfahren auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den Vertretern der obersten Finanzbehörden der Länder gilt für das internationale Verständigungs- und Schiedsverfahren auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen folgendes Merkblatt:

Abkürzungsverzeichnis

ABl. EU Amtsblatt der Europäischen Union
Abs. Absatz
AO Abgabenordnung
Art. Artikel
BZSt Bundeszentralamt für Steuern
BFH Bundesfinanzhof
BGBl Bundesgesetzblatt
BMF Bundesministerium der Finanzen
BStBl Bundessteuerblatt
DBA Doppelbesteuerungsabkommen
d.h. das heißt
EGAHiG EG-Amtshilfe-Gesetz
EStG Einkommensteuergesetz
EU Europäische Union
EuGH Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften
EWG Europäische Wirtschaftsgemeinschaft
ff. fortfolgende
FGO Finanzgerichtsordnung
ggf. gegebenenfalls
Nr. Nummer
OECD Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Organisation for Economic Co-operation and Development)
OECD-MA OECD-Musterabkommen
s. siehe
S. Seite
sog. so genannte
Tz. Textziffer/Textziffern
vgl. vergleiche
z.B. zum Beispiel
 

A. Allgemeines

 

1. Allgemeines zum internationalen Verständigungs- und Schiedsverfahren

 

1.1 Rechtsnatur und Rechtsgrundlage

1.1.1 Internationale Verständigungs- und Schiedsverfahren sind zwischenstaatliche Verfahren zur übereinstimmenden Anwendung der DBA oder des Übereinkommens vom 23.7.1990 Nr. 90/436/EWG über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen (s. BGBl 1993 II S. 1308, BStBl 1993 I S. 818 und BGBl 1995 II S. 84, BStBl 1995 I S. 166 – Schiedskonvention –).

1.1.2 Rechtsgrundlage sind die Verständigungsklauseln der DBA (vgl. Art. 25 OECD-MA) oder die Art. 6 ff. der Schiedskonvention. Sie enthalten Bestimmungen, nach denen die zuständige Behörde in Deutschland mit den zuständigen Behörden anderer Staaten unmittelbar verkehren kann, um eine Einigung über Einzelfälle herbeizuführen, die die Besteuerung in Deutschland oder in einem anderen Staat betreffen. Die Schiedskonvention betrifft nur die Gewinnabgrenzung zwischen verbundenen Unternehmen und die Gewinnaufteilung bei Betriebsstätten. Nach den Verständigungsklauseln der DBA kann darüber hinaus auch über allgemeine Fragen eine Einigung zwischen den zuständigen Behörden herbeigeführt werden.

1.1.3 Die Schiedskonvention ist im Verhältnis zu Belgien, Dänemark, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Italien, Luxemburg, den Niederlanden, Portugal und Spanien sowie nach dem Übereinkommen vom 21.12.1995 (s. BGBl 1999 II S. 1010 und BGBl 2006 II S. 575) auch im Verhältnis zu Österreich, Finnland und Schweden anzuwenden.

Das am 8.12.2004 von Deutschland unterzeichnete Übereinkommen über den Beitritt Estlands, Lettlands, Litauens, Maltas, Polens, der Slowakei, Sloweniens, Tschechiens, Ungarns und Zyperns zur Schiedskonvention (ABl. EU 2005 Nr. C 160 S. 1) tritt nach seinem Art. 5 zwischen den Vertragsstaaten, die es ratifiziert, angenommen oder genehmigt haben, am ersten Tag des dritten Monats in Kraft, der auf die Hinterlegung der letzten Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde durch diese Staaten folgt (s. auch BGBl 2006 II S. 554).

Das Protokoll vom 25.5.1999 zur Änderung der Schiedskonvention (s. BGBl 1999 II S. 1082 und BGBl 2005 II S. 635) ist am 1.11.2004 in Kraft getreten. Die Schiedskonvention ist danach rückwirkend zum 1.1.2000 auf unbestimmte Zeit verlängert worden.

1.1.4 Die Verständigungsklauseln der DBA und die Schiedskonvention sind durch die Zustimmungsgesetze unmittelbar anwendbares innerstaatliches Recht geworden und gehen gemäß § 2 AO den deutschen Steuergesetzen vor.

 

1.2 Verständigungsklauseln nach DBA und Schiedskonvention

1.2.1 Die Verständigungsklauseln der DBA sehen in der Regel vor, dass

  • ein Verständigungsverfahren eingeleitet werden kann, wenn eine Person dies beantragt und darlegt, dass Maßnahmen eines Vertragsstaats oder beider Vertragsstaaten für sie zu einer dem Abkommen nicht entsprechenden Besteuerung führen oder führen werden, und dem durch Maßnahmen des betreffenden Staates nicht abgeholfen werden kann (Verständigungsverfahren im engeren Sinn);
  • Verständigungsverfahren allgemein eingeleitet werden können, um Schwierigkeiten oder Zweifel zu beseitigen, die bei der Auslegung oder Anwendung des Abkommens entstehen; hierzu kann auch ein Einzelfall Anlass bieten oder Gegenstand sein, z.B. wenn Anweisungen oder Richtlinien der ausländischen Finanzverwaltung vorliegen, die zu einer abkommenswidrigen Besteuerung führen können (Konsultationsverfahren);
  • Verständigungsverfahren auch über vertraglich nicht geregelte Fragen eingeleitet werden können, z.B. zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung in Fällen, die in dem betreffenden DBA nicht geregelt sind.

Ein Verständigungsverfahren kann auch dann eingeleitet werden, wenn ein bestehendes DBA ein Verständigungsverfahren der betreffenden Art nicht vorsi...

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