Entscheidungsstichwort (Thema)

Hinterbliebenenrente. Einkünfte. anrechnungsfreier Zeitraum. Bescheid mit Dauerwirkung. anfängliche Rechtswidrigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Erzielt die Hinterbliebene eigene Einkünfte, deren Rentenschädlichkeit sich allerdings erst nach Ablauf eines anrechnungsfreien Zeitraums (hier: "Sterbejahr"; nach aktueller Rechtslage "Sterbequartal") auswirkt, und sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass bis zum Ablauf dieses anrechnungsfreien Zeitraums eine Änderung in den Einkommensverhältnissen eingetreten sein wird, so darf der Versicherungsträger keinen Witwenrentenbescheid mit Dauerwirkung mehr erlassen, durch den auch nach Ablauf des anrechnungsfreien Zeitraums ein vorbehaltloser Rentenzahlungsanspruch begründet wird. Andernfalls ist der Rentenbescheid anfänglich rechtswidrig iS des § 45 SGB 10.

2. Der bloße Ablauf eines anrechnungsfreien Zeitraums (hier: "Sterbejahr"; nach aktueller Rechtslage: "Sterbequartal") stellt keine wesentliche Änderung in den Verhältnissen iS des § 48 SGB 10 dar.

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 10. August 2010 wird zurückgewiesen.

Der Bescheid der Beklagten vom 4. Oktober 2010 wird aufgehoben.

II. Die Beklagte hat der Klägerin für das Berufungsverfahren deren außergerichtliche Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten noch um die (teilweise) Aufhebung der Entscheidung über die Gewährung von Witwenrente für die Zeit vom 1. August 1996 bis 30. September 2005 sowie um die Erstattung überzahlter Rentenleistungen in Höhe von 13.319,01 €.

Die 1960 geborene Klägerin ist deutsche Staatsangehörige philippinischer Herkunft. Sie ist die Witwe des 1913 geborenen und 1995 verstorbenen Versicherten B. A., mit dem sie seit dem 30. Juni 1982 verheiratet war. Der Versicherte bezog von der Beklagten seit dem 1. Juni 1976 Altersruhegeld wegen Vollendung des 63. Lebensjahres (Bescheid vom 26. Mai 1976).

Nach dem Tod des Versicherten stellte die Klägerin bei der Beklagten am 11. August 1995 einen Antrag auf Hinterbliebenenrente. Im laufenden Rentenverfahren bescheinigte ihr die Firma XY. MM. GmbH mit Datum vom 10. August 1995 Bruttoarbeitsentgelte in Höhe von 10.075 DM (1. Januar 1995 bis 31. März 1995) und 29.821 DM (1. April 1994 bis 31. Dezember 1994). Daraufhin teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass noch Angaben hinsichtlich ihres Einkommens für die Zeiträume Januar 1994 bis März 1994 und August 1995 fehlten. Die ihr hierfür übersandten Vordrucke ließ die Klägerin unter dem 25. September 1995 von der Firma XY. MM. GmbH ausfüllen. Den Eintragungen ist zu entnehmen, dass die Klägerin im August 1995 als Hausfrau kein Entgelt bezogen und sich in der Zeit vom 1. Januar 1994 bis 31. März 1994 ihr Bruttoarbeitsentgelt auf 8.155,63 DM belaufen habe.

Am 26. September 1995 nahm die Klägerin eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung auf.

Mit bindend gewordenem Rentenbescheid vom 26. Oktober 1995 gewährte die Beklagte der Klägerin ab 1. August 1995 kleine Witwenrente mit einem Zahlbetrag von 539,76 DM monatlich, ohne dabei rentenmindernd Einkommen zu berücksichtigen. In den Abschnitten “Mitteilungspflichten„ und “Hinweise„ dieses Bescheides hieß es unter anderem:

“Erwerbseinkommen und Erwerbsersatzeinkommen können Einfluss auf die Rentenhöhe haben. Daher besteht die gesetzliche Verpflichtung, uns das Hinzutreten oder die Veränderung von Erwerbseinkommen, das sind

- Arbeitsentgelt,

- Einkommen aus selbständiger Tätigkeit,

- vergleichbare Einkommen,

oder von Erwerbsersatzeinkommen unverzüglich mitzuteilen. (…)

Die Meldung von Veränderungen erübrigt sich bei Einkommen aus einer in der Bundesrepublik Deutschland ausgeübten rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit oder bei Renten aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung. (…)

Trifft diese Witwenrente mit Erwerbs- oder Erwerbsersatzeinkommen der Berechtigten zusammen, so ist auf diese Rente im ersten Jahr nach dem Tode des Ehegatten ein Einkommen nicht anzurechnen. (…)„

Auf Antrag der Klägerin vom 13. Mai 2005 gewährte ihr die Beklagte sodann mit Bescheid vom 7. Juni 2005 anstelle der bisherigen Rente ab dem 1. Juli 2005 große Witwenrente mit einem Zahlbetrag von monatlich 711,30 €. Mit Widerspruchsschreiben vom 7. Juli 2005 bat die Klägerin um Überprüfung der Rentenberechnung, da ihr von der Beratungsstelle der Beklagte eine deutlich höhere Rente probeberechnet worden sei als im Rentenbescheid ausgewiesen. Am 20. Juli 2005 fragte die Klägerin bei der Beklagten über deren Beratungsstelle MM. an, weshalb bei der Hinterbliebenenrente kein Einkommen angerechnet werde, obwohl sie laufend beschäftigt sei und ihr Einkommen über dem Freibetrag liege.

Daraufhin zog die Beklagte von der Landesversicherungsanstalt (LVA) Hessen einen Teilkontospiegel vom 4. August 2005 bei, aus dem hervorgeht, dass für die Klägerin seit dem 26. September 1995 durchgängig bis jedenfalls 31. Dezember 2004 Pflichtbeitragszeiten gemeldet wor...

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