Entscheidungsstichwort (Thema)
Ablehnung einer Arbeitszeiterhöhung wegen häufiger krankheitsbedingter Fehlzeiten
Leitsatz (amtlich)
- Häufige krankheitsbedingte Fehlzeiten spielen im Rahmen des Anspruchs auf Arbeitszeiterhöhung nach § 9 TzBfG nicht im Rahmen des Tatbestandsmerkmals der "gleichen Eignung" sondern im Rahmen der entgegenstehenden "dringenden betrieblichen Gründe" eine Rolle
- Krankheitsbedingte Fehlzeiten (häufige Kurzerkrankungen), die eine Beendigungskündigung sozial rechtfertigen würden oder den Arbeitgeber berechtigten, eine Änderungskündigung zur Reduzierung der Arbeitszeit auszusprechen, bilden einen entgegenstehenden dringenden betrieblichen Grund iSd. § 9 TzBfG. Liegen die Fehlzeiten unterhalb dieser Schwelle, berechtigen sie den Arbeitgeber nicht zur Ablehnung des im Übrigen begründeten Aufstockungsverlangens
- Obsiegt der Arbeitnehmer in dem Prozess nach § 9 TzBfG, steht ihm kein Schadensersatzanspruch betreffend die Differenzvergütung in der Vergangenheit zu. Hat er die rückwirkende Erhöhung seiner Arbeitszeit erreicht, ist nicht erkennbar, woraus ein Schaden resultieren soll - er kann in diesem Fall nach Rechtskraft des Urteils einen verschuldensunabhängigen Anspruch nach § 615 BGB geltend machen.
Normenkette
TzBfG § 9; BGB §§ 275, 280, 283
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 10.02.2012; Aktenzeichen 23 Ca 5770/11) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 10. Februar 2012 - 23 Ca 5770/11 - teilweise abgeändert.
Die Klage wird hinsichtlich des Zahlungsantrags abgewiesen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger und die Beklagte je zur Hälfte zu tragen.
Die Revision wird nur für den Kläger zugelassen.
Gründe
Die Parteien streiten um die Frage, ob die Beklagte einer Erhöhung der Arbeitszeit des Klägers zustimmen muss sowie um hiermit zusammenhängende Ansprüche wegen nichterzielter Vergütung für die Vergangenheit.
Die Beklagte erbringt für ihren Auftraggeber, die A AG, verschiedene Sicherheits- und Servicedienstleistungen auf dem Gebiet der Luft- und Flughafensicherheit. Es handelt sich um ein Unternehmen in der Rechtsform der GmbH. Die Kontrolltätigkeit betreffend die Fluggäste wird dergestalt erbracht, dass ein Team aus jeweils sechs Mitarbeitern eine Kontrollstelle in verschiedenen Schichten betreibt, wobei die jeweilige Position der Mitarbeiter innerhalb des Teams alle 20 Minuten wechselt, um Ermüdungserscheinungen vorzubeugen.
Der Kläger ist seit dem 20. August 2004 bei der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin auf der Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrags vom 12. August 2004 (Bl. 5-8 d.A.) als Luftsicherheitsassistent beschäftigt. Seit dem 1. Juni 2008 war er auf eigenen Wunsch mit reduzierter Arbeitszeit im Umfang einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden auf Grund des geänderten Arbeitsvertrags vom 19. Mai 2008 (Bl. 11-14 d.A.) tätig.
Der Kläger fehlte im Jahr 2008 krankheitsbedingt an 32 Diensttagen (Arbeitsunfähigkeit an 47 Kalendertagen), im Jahr 2009 an 14 Diensttagen (Arbeitsunfähigkeit an 18 Kalendertagen), im Jahr 2010 an 19 Diensttagen (Arbeitsunfähigkeit an 20 Kalendertagen), in den ersten sechs Monaten des Jahres 2011 an zwölf Diensttagen und an den ersten sieben Monaten des Jahres 2011 an 17 Diensttagen (19 Kalendertagen).
Mit Schreiben vom 7. September 2010 (Bl. 15 d.A.) beantragte der Kläger, seine vertraglich vereinbarte Arbeitszeit ab dem 15. September 2010 auf 160 Stunden monatlich zu erhöhen. Dies entspricht einer Vollzeitstelle bei der Beklagten. Nachdem die Beklagte die Erhöhung der Arbeitszeit zunächst mit Hinweis auf häufige Verspätungen und unentschuldigtes Fehlen des Klägers abgelehnt hatte, stimmte sie am 30. September 2010 einer befristeten Stundenerhöhung auf 160 Stunden für den Zeitraum vom 1. Dezember 2010 bis zum 31. Mai 2011 zu. Wegen der Einzelheiten wird auf die Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag vom 28. Oktober 2010 (Bl. 16 d.A.) Bezug genommen.
Ab dem 1. Juni 2011 beschäftigte die Beklagte den Kläger zunächst wieder in Teilzeit. Daraufhin beantragte der Kläger mit Schreiben vom 15. Juni 2011 über seine Prozessbevollmächtigte (Bl. 17 d.A.), ihn ab dem 1. Juli 2011 erneut in Vollzeit zu beschäftigen. Dies lehnte die Beklagte wegen der in der Vergangenheit aufgetretenen krankheitsbedingten Fehlzeiten des Klägers ab.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Beklagte sei nach § 9 TzBfG verpflichtet, sein Angebot auf Änderung der Arbeitszeit auf eine Vollzeittätigkeit anzunehmen und insoweit behauptet, er sei nicht häufiger arbeitsunfähig, als andere Mitarbeiter der Beklagten.
Sie Beklagte hat zunächst behauptet der Kläger habe in der Zeit vom 1. Dezember 2010 bis zum 31. Mai 2011, nämlich in der Phase seiner befristeten Vollzeitbeschäftigung, 23 Arbeitstage entweder gefehlt oder seine Arbeit krankheitsbedingt abgebrochen (vgl. Seite 4 des Schriftsatzes der Beklagten vom 30. September 2011, Bl. 38 d.A.). Sodann hat sie behauptet ...