keine Angaben zur Rechtskraft

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Einigungsstelle. Arbeitsgerichtsverfahren. offensichtlich unzuständig. Beisitzerzahl

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Erfüllung der betriebsverfassungsrechtlichen Verhandlungspflichten vor der Einleitung eines Einigungsstellenbestellungsverfahrens ist keine Frage der Zulässigkeit, sondern gegebenenfalls eine der Begründetheit eines Antrages nach §§ 76 Abs. 2 Satz 2, Satz 3 BetrVG, 98 ArbGG. Sie unterliegt lediglich der Offensichtlichkeitsprüfung nach § 98 Abs. 1 Satz 2 BetrVG.

2. Der Einigungsstelle obliegt die Prüfung des rechtlichen Rahmens ihres Regelungsermessens einschließlich der Feststellung der im Betrieb geltenden Tarifverträge. Besteht über diese Frage nach innerbetrieblichen Verhandlungen kein Einvernehmen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, sind die Verhandlungen gescheitert.

3. Für die Prüfung der offensichtlichen Unzuständigkeit der Einigungsstelle maßgeblich sind die Verhältnisse zum Zeitpunkt des letzten Anhörungstermins.

4. Die Notwendigkeit von Feststellungen über die betrieblichen Verhältnisse rechtfertigt für sich nicht die Bestellung von mehr als zwei Beisitzern pro Seite.

 

Normenkette

ArbGG 98; BetrVG §§ 2, 74, 76, 87

 

Verfahrensgang

ArbG Kassel (Beschluss vom 17.05.2005; Aktenzeichen 9 BV 5/05)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2) und 3) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Kassel vom 17. Mai 2005 – 9 BV 5/05 – unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen hinsichtlich des Tenors zu 2) abgeändert:

Die Zahl der Beisitzer wird auf zwei pro Seite festgesetzt.

Im Übrigen wird der Antrag zu 2) zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten über die Bestellung einer Einigungsstelle.

Die zu 2) und 3) beteiligten Arbeitgeberinnen betreiben einen Gemeinschaftsbetrieb in A mit etwa 1.000 Arbeitnehmern, der vom antragstellenden Betriebsrat repräsentiert wird. Die Arbeitnehmer arbeiten in etwa sechzig zum Betrieb gehörenden Niederlassungen in Hessen. Die Beteiligten schlossen im Jahr 1997 eine Betriebsvereinbarung zur Einführung der Vierzig-Stunden-Woche (nachfolgend: BV 97), die vom Betriebsrat mit Schreiben vom 19. Mai 2005 gekündigt wurde. Da der Betriebsrat der Auffassung ist, dass der Betrieb fachlich dem eine regelmäßige Wochenarbeitszeit von 38,5 Stunden vorsehenden Manteltarifvertrag für den Hessischen Groß- und Außenhandel unterfällt, unterbreitete er den Arbeitgeberinnen im Jahr 2004 einen Vorschlag einer neuen Betriebsvereinbarung zur Regelung der Arbeitszeit auf der Grundlage einer 38,5-Stunden-Woche. Die Arbeitgeberinnen machten im Jahr 2005 einen Gegenvorschlag unter Zugrundelegung einer Vierzig-Stunden-Woche und stellten sich auf den Standpunkt, der Betrieb gehöre nicht zum Groß- und Außenhandel, sondern zum Einzelhandel. In einer Verhandlung vom 22. Februar 2005 erörterten die Beteiligten ausschließlich die Frage der maßgeblichen Wochenarbeitszeit, ohne zu einer Einigung zu gelangen. Aufgrund eines Beschlusses vom 17. März 2005 erklärte der Betriebsrat mit Schreiben vom 21. März 2005 die Verhandlungen für gescheitert. Er schlug die Bildung einer Einigungsstelle unter dem Vorsitz des Richters am Arbeitsgericht Offenbach am Main B mit jeweils vier Beisitzern pro Seite vor. Nachdem die Arbeitgeberinnen der Bildung der Einigungsstelle widersprachen, verfolgt der Betriebsrat dieses Anliegen im vorliegenden Verfahren weiter.

Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, das Volumen der wöchentlichen Arbeitszeit sei von der Einigungsstelle als Vorfrage zu klären. Die Besetzung mit vier Beisitzern pro Seite sei erforderlich. Er benötige neben der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts zur Beurteilung der Frage der Tarifgeltung auch die Teilnahme eines Gewerkschaftssekretärs. Wegen der unterschiedlichen Öffnungszeiten der verschiedenen Niederlassungen sei zudem die Teilnahme von mindestens zwei Betriebsratsmitgliedern erforderlich.

Der Betriebsrat hat beantragt,

  1. zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle zur Regelung der Arbeitszeit gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BetrVG Herrn B, Richter am Arbeitsgericht Offenbach, hilfsweise Herrn C, Richter am Arbeitsgericht Gießen, zu bestellen,
  2. die Zahl der von dem Antragsteller einerseits und den Beteiligten zu 2) und 3) andererseits zu benennenden Beisitzer auf je vier Personen festzusetzen.

Die Arbeitgeberinnen haben zur Begründung ihres Zurückweisungsantrags die Ansicht vertreten, mangels innerbetrieblicher Verhandlungen zur Verteilung der Arbeitszeit fehle das Rechtsschutzbedürfnis für die Anträge. Die Einigungsstelle sei zur Entscheidung der Rechtsfrage, welchem Tarifvertrag der Betrieb unterfällt, nicht befugt. Wegen der Person des vom Betriebsrat vorgeschlagenen Vorsitzenden bestünden zwar keine Bedenken, wohl aber wegen der durch die Anreise aus Offenbach zu erwartenden Kosten.

Wegen der Tatsachenfeststellungen des Arbeitsgerichts und des weiteren erstinstanzlichen Vortrags der Beteiligten wird auf den tatbestandlichen Teil des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat nach ...

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