Rz. 9

Die Norm schützt das Interesse des Vollstreckungsgläubigers an der Durchsetzung seiner Forderung gegen den Schuldner, der für einen Dritten arbeitet oder sonst Dienste leistet (auch in Teilzeitbeschäftigung; vgl. LAG Hamm, NZA 1988, 657 u. 1754 m. Anm. Smid), ohne eine entsprechende angemessene Vergütung zu erhalten (BAG, EzA ZPO 2002 § 850h Nr. 2). Das Gesetz behandelt diesen Dritten beim Vollstreckungszugriff des Gläubigers so, als ob er dem Schuldner zu einer angemessenen Vergütung verpflichtet sei (BGH, WM 2013, 1991 = MDR 2013, 1370 = FamRZ 2013, 1970 = JurBüro 2014, 40 = Rpfleger 2014, 92 = KKZ 2014, 165 = ZAP EN-Nr 608/2013 = Vollstreckung effektiv 2013, 213 = FamRB 2014, 8 = FoVo 2014, 28; BGH, NJW 1979, 1600 = VersR 1979, 542 = DRsp I(147) 184 = MDR 1979, 826 = EBE/BGH 1979, 182). Es handelt sich um einen fiktiven Anspruch auf Vergütung, aus dem der Schuldner selbst keinerlei Rechte herleiten kann (BGH, VersR 1964, 642, 644; Musielak/Voit/Becker, § 850h Rn. 19). Die angemessene Vergütung ist nur im Verhältnis des Gläubigers zu dem Empfänger der Arbeits- und Dienstleistungen als geschuldet anzusehen (BAG, EzA ZPO 2002 § 850h Nr. 2; BAG, EzA ZPO § 850h Nr. 5). Ein Vollstreckungszugriff ist auch dann möglich, wenn der Schuldner und der Dritte nicht in der Absicht gehandelt haben, den Schuldner einem Vollstreckungszugriff des Gläubigers zu entziehen (BGH, WM 1968, 1254). Die Fiktion des Abs. 2 bezweckt keine weitergehende Begünstigung des Gläubigers. Zu seinen Gunsten sollen mit der Fiktion eines angemessenen Arbeitseinkommens nur annähernd jene Verhältnisse geschaffen werden, wie er sie im Fall der Vollstreckung in regulär an den Schuldner entrichtete Vergütung vorfände (Geißler, Rpfleger 1987, 5). Nur vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass nicht nur bei der Pfändung realen Arbeitseinkommens, sondern auch bei der Pfändung fiktiver Arbeitsvergütung nach der Rechtsprechung (vgl. BGH, BGHZ 113, 27 = EBE/BGH 1990, 397 = ZIP 1990, 1626 = WM 1990, 2126 = DB 1991, 39 = Rpfleger 1991, 68 = NJW 1991, 495 = JZ 1991, 243 = MDR 1991, 242) und der ganz überwiegenden Auffassung in der Literatur nicht die angemessene Bruttovergütung, sondern nur die Nettovergütung als pfändbar angesehen wird, die Pfändungsschutzvorschriften (§§ 850a, 850b, 850c, 850f ZPO; vgl. BGH, WM 2013, 1991 = MDR 2013, 1370 = FamRZ 2013, 1970 = JurBüro 2014, 40 = Rpfleger 2014, 92 = KKZ 2014, 165 = ZAP EN-Nr 608/2013 = Vollstreckung effektiv 2013, 213 = FamRB 2014, 8 = FoVo 2014, 28) zu beachten sind und dem Gläubiger somit nur der pfändbare Teil der fiktiven Nettovergütung zusteht (krit. Grunsky, FS Baur, S. 403, 411 und Geißler, Rpfleger 1987, 5). Denn der Drittschuldner muss von der fiktiven Vergütung weder Steuern noch Sozialversicherungsbeiträge abführen und der Schuldner bedarf mangels eines Anspruchs auf die fiktive Vergütung keines Pfändungsschutzes. Wird nach Abs. 2 der Anspruch auf angemessene Vergütung fingiert, dann muss auch für die Erfüllung einer Unterhaltspflicht eine fiktive Betrachtung angestellt werden (LAG Niedersachsen, 23.1.2007, 13 Sa 953/06 – Juris). Unterhaltsfreibeträge können nach § 850c Abs. 2 ZPO zwar nur berücksichtigt werden, wenn Unterhalt tatsächlich gewährt wird. Diese Vorschrift ist zugeschnitten auf die Pfändung einer korrekt vereinbarten Arbeitsvergütung und ist so nicht auf die Fallgestaltung des fingierten Arbeitsentgelts nach Abs. 2 zu übertragen. Wenn jedoch der angemessene Vergütungsanspruch, der der Pfändung unterliegt, fingiert wird, also gerade nicht auf den tatsächlichen Verdienst abgestellt wird, dann kann für Unterhaltsfreibeträge nicht auf die tatsächlichen Verhältnisse abgestellt werden. Vielmehr muss maßgebend sein, ob bei einer angemessenen Vergütung von der Erfüllung der Unterhaltspflichten auszugehen wäre. So wie der Vergütungsanspruch fingiert wird, muss auch die Erfüllung der Unterhaltspflicht aufgrund fiktiver Betrachtung bewertet werden.

 

Rz. 10

Die Norm setzt zudem voraus, dass der Schuldner dem Dritten in einem ständigen Verhältnis Arbeiten oder Dienste (auch in Teilzeitbeschäftigung; vgl. LAG Hamm, NZA 1988, 657 u. 1754 m. Anm. Smid) leistet, die nach Art und Umfang üblicherweise vergütet werden, insoweit aber eine Vergütung nicht oder nur in geringerem Umfang gezahlt wird (BAG, ZInsO 2008, 869 = ZIP 2008, 979 = EBE/BAG 2008, 85 = DB 2008, 1503 = NZA 2008, 779).

 

Rz. 10a

Leistet der Insolvenzschuldner Arbeiten i. S. der Vorschrift, kann der Insolvenzverwalter in entsprechender Anwendung dieser Vorschrift fiktives Arbeitseinkommen zur Masse ziehen (LAG Baden-Württemberg, ZInsO 2011, 1856; vgl. BAG, NZA 2008, 779 = DB 2008, 1503 = ZInsO 2008, 869 = MDR 2008, 886 = ZIP 2008, 979). Der Insolvenzverwalter nimmt die Interessen der Gesamtheit der Gläubiger wahr und kann deshalb nach dem Eröffnungsbeschluss, der wie ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss im Vollstreckungsverfahren wirkt, vom Drittschuldner die Zahlung der angemessenen Vergütung verlangen. Fände § 850h Abs. 2 Satz...

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