Rz. 34

Die Vorschrift regelt die Fälle des Zusammentreffens von Pfändungen privilegierter und gewöhnlicher Gläubiger. Soweit ausschließlich privilegierte oder gewöhnliche Gläubiger pfänden, ist § 804 Abs. 3 ZPO einschlägig. Auch ältere Unterhaltsforderungen genießen keine – anderweitig begründete – Priorität. Bei Pfändung des Arbeitseinkommens durch privilegierte und gewöhnliche Gläubiger ist es rechnerisch in drei Teile zu gliedern:

  • in den Teil, der dem Schuldner nach § 850d ZPO (§ 850f Abs. 2 ZPO) auch gegenüber den privilegierten Gläubigern als notwendiger Unterhalt für sich und seine Angehörigen in jedem Fall verbleiben muss;
  • in den Teil, der nur dem Zugriff der privilegierten Gläubigern offen steht;
  • in den Teil, der allen Gläubigern offen steht (§ 850c ZPO).
 

Rz. 35

Pfändet nun zunächst ein gewöhnlicher Gläubiger, so wird von der Pfändung der unter 1. genannte Bereich nach § 850c ZPO umfasst. Pfändet später ein privilegierter Gläubiger, so kann er auf den bisher nicht in Anspruch genommenen Bereich unter 2. zugreifen. Im Bereich des Teils, der allen Gläubigern offen steht, also 3., geht er im Rang dem zuerst pfändenden Gläubiger nach (§ 804 Abs. 3 ZPO). Bei der Berechnung des für den gewöhnlichen Gläubiger unpfändbaren Betrags nach § 850c Abs. 1 ZPO wird auch der privilegierte ebenfalls vollstreckende Unterhaltsgläubiger mitgerechnet, so dass der Einkommensteil, der den privilegierten Gläubigern offen steht, auf Kosten des allen Gläubigern offen stehenden Bereichs erweitert ist. Hat nun ein privilegierter Gläubiger zeitlich vorrangig vor einem gewöhnlichen Gläubiger die Forderung gepfändet, und zwar ohne die Inanspruchnahme der Privilegierung (Bereich 3.), also im Rahmen des § 850c ZPO, und reicht die verbleibende Forderung nicht aus, um den später pfändenden gewöhnlichen Gläubiger zu befriedigen, der seinerseits nicht im Rahmen des § 850d ZPO (Bereich 2.) pfänden kann, dann bliebe einerseits dem Schuldner (auch) der Teil, auf den nur die privilegierten Gläubiger zugreifen können (Bereich 2.), andererseits besteht die Gefahr, dass der nachfolgende Gläubiger nur deshalb leer ausginge, weil der privilegierte Gläubiger sein Privileg nicht in Anspruch genommen hat.

Für diesen Fall hat das Vollstreckungsgericht auf Antrag anzuordnen, dass der Anspruch des privilegierten Gläubigers zunächst auf die gemäß § 850d ZPO der Pfändung im erweiterten Umfange (Bereich 2.) unterliegenden Einkommensteile zu verrechnen ist. Der privilegierte Gläubiger wird so auf diejenigen Einkommensteile verwiesen, die ihm – und nur ihm – offen stehen. Reicht dieser nicht aus, dann kann er sich auch aus dem Anteil, der allen Gläubigern zusteht (Bereich 3.), befriedigen. Der später pfändende gewöhnliche Gläubiger kann auch dann nicht auf den dem privilegierten Gläubiger vorbehaltenen Einkommensteil zugreifen, wenn dieser von dem vorrangig pfändenden privilegierten Gläubiger nach Anordnung des Gerichts nicht vollständig verbraucht wird. Für ihn bleibt immer nur der nach § 850c ZPO pfändbare Einkommensteil maßgebend.

 

Rz. 36

Die Verrechnung wird nur auf Antrag des Gläubigers oder des Schuldners (nicht des Drittschuldners, der kein Antragsrecht hat) vom Vollstreckungsgericht (Rechtspfleger, § 20 Nr. 17 RPflG) durch Beschluss angeordnet (Zöller/Herget, § 850e Rn. 33). Zu dem Antrag sind die Beteiligten zu hören. Der Beschluss ist den Gläubigern, dem Schuldner und dem Drittschuldner von Amts wegen zuzustellen (§ 329 Abs. 3 ZPO). Bis zur Zustellung des Beschlusses darf der Drittschuldner nach Maßgabe des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses bzw. der sonstigen Verfügung über die Forderung mit befreiender Wirkung leisten (Nr. 4 Satz 2).

 

Rz. 37

Die Verweisungsmöglichkeit ist allerdings nach der Einführung des Gesetzes zur Änderung des Unterhaltsrechts vom 21.12.2007 (BGBl. I 07, S. 3189) mit Wirkung zum 1.1.2008 infolge des schlechteren Ranges eines Unterhaltsgläubigers nicht mehr möglich.

 

Rz. 38

 
Praxis-Beispiel

Der geschiedene Ehegatte E. vollstreckt wegen laufender monatlicher Unterhaltsansprüche i. H. v. 300,00 EUR in das Arbeitseinkommen des Schuldners S. nach der Tabelle zu § 850c. Zum Haushalt des S. gehört der 20-jährige Sohn, der noch zur Schule geht, die 13-jährige Tochter sowie die Ehefrau. S. verdient monatlich netto 2.500,00 EUR. Nachrangig pfändet Gläubiger G. wegen titulierter Kaufpreisansprüche von 1.000,00 EUR.

Rechtslage bis 31.12.2007

Da E. nicht die Pfändung nach § 850d ZPO beantragt hat, greift die Pfändung nach der Tabelle zu § 850c ZPO. Hier erhält E. gem. der Pfändungstabelle (2007) Spalte 3 monatlich pfändbare Beträge von 219,29 EUR.

Nach § 850e Nr. 4 ZPO kann G. die ihm vorgehende E. wegen ihrer Ansprüche in den Vorrechtsbereich nach § 850d ZPO verdrängen, sodass infolge dessen für den G. der nach § 850c ZPO pfändbare Betrag frei ist. Insofern stehen die 219,29 EUR G. zu.

Rechtslage seit 1.1.2008

Seit dem 1.1.2008 geht die minderjährige Tochter, sowie der 20-jährige Sohn (§ 1609 Nr. 1 BGB) dem pfändenden geschiedenen Ehegatten (...

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