Im Unterschied zum Gleichbehandlungsgrundsatz wird bei den Diskriminierungsverboten dem Arbeitgeber kein (positiver) Handlungsrahmen vorgegeben, sondern es ist ihm (negativ) verboten, wegen gewisser (verpönter) Merkmale Arbeitnehmer ungleich zu behandeln (Unterscheidungsverbot). Diskriminierungsverbote sind damit als ungeeignete sachliche Differenzierungsgründe im Rahmen des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes anzusehen.[1] Anders als beim Gleichbehandlungsgrundsatz genügt für die Rechtfertigung hier nicht mehr jeder sachliche Grund, sondern bestimmte Gründe werden als solche per se von der Rechtfertigung ausgeschlossen.[2] Insofern haben die besonderen Diskriminierungsverbote des AGG Auswirkungen auf den allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, als dass nunmehr nicht mehr jeder sachliche Grund zur Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung herangezogen werden kann. Vielmehr dürfen die besonderen Diskriminierungsverbote als Rechtfertigungsgrund einer Ungleichbehandlung nicht mehr herangezogen werden, da sie zu einer vom Gesetzgeber unerwünschten Benachteiligung dieser Personen führen würde.

Daher bedürfen die Diskriminierungsverbote – anders als der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz – stets der ausdrücklichen gesetzlichen Normierung.[3] Der Gesetzgeber trifft quasi eine Auswahl unter den Diskriminierungsmerkmalen und definiert somit, was kein tauglicher sachlicher Differenzierungsgrund ist. Beim AGG hat sich der Gesetzgeber auf die in § 1 AGG genannten unzulässigen Diskriminierungsmerkmale beschränkt.

Es gibt aber in anderen nationalen Rechtsordnungen weitere zusätzlich verbotene Diskriminierungsmerkmale, die vom AGG nicht geschützt sind. So ist z. B. in Frankreich die Diskriminierung aufgrund der politischen Überzeugung, des Familienstandes oder der Vermögenssituation des Arbeitnehmers verboten oder in den Niederlanden die Diskriminierung aufgrund der Nationalität.[4]

Spezialgesetzlich ist eine Regelung auf europäischer Ebene in den Richtlinien der EU (RL 2000/43/EG, RL 2000/78/EG, RL 2002/73/EG und RL 2004/113/EG) erfolgt, auf denen auf nationaler Ebene in Deutschland wiederum das AGG basiert.[5] D.h. die im AGG bestimmten Merkmale werden von der Rechtsordnung grundsätzlich als untauglich angesehen, um eine Differenzierung rechtfertigen zu können.

Die Diskriminierungsverbote können im Ergebnis sogar zur Folge haben, dass Ungleiches gleich behandelt werden muss, sofern die Ungleichheit auf einem verbotenen Merkmal beruht.[6] Dies soll an folgendem Beispiel verdeutlicht werden:

 
Praxis-Beispiel

Kürzung der Anwesenheitsprämie wegen Mutterschutz

Der Arbeitgeber gewährt den Arbeitnehmern eine Anwesenheitsprämie. Sofern ein Arbeitnehmer die Arbeitsleistung nicht erbringt, kann die Anwesenheitsprämie proportional gekürzt werden, da die Nichterbringung der Arbeitsleistung nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz einen sachlichen Grund für die Kürzung der Anwesenheitsprämie darstellt, wenn maßgebliches Unterscheidungskriterium die Arbeitsleistung ist. Dies würde bei Anwendung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes auch dann gelten, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung aufgrund von Mutterschutzfristen nicht erbracht hat. Eine Schwangerschaft kann jedoch nur bei Frauen eintreten und der EuGH hat die Ungleichbehandlung aufgrund der Schwangerschaft der Ungleichbehandlung aufgrund des Geschlechts gleichgestellt[7], sodass durch die Ungleichbehandlung eine mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts nach dem AGG vorliegen würde. Zudem verlangt der unionsrechtliche Grundsatz der Entgeltgleichheit für Frauen und Männer, dass die Mutterschutzfristen den Beschäftigungszeiten gleichgestellt werden.[8] Eine Kürzung der Anwesenheitsprämie für die Zeit der Abwesenheit der Arbeitnehmerin während des Mutterschutzes kommt daher nicht in Betracht.

An diesem Beispiel zeigt sich, dass die Diskriminierungsverbote im Ergebnis sogar eine Durchbrechung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes darstellen können, indem sie aufgrund des verbotenen Differenzierungsmerkmals "Geschlecht" eine Nichtanwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes gebieten, da andernfalls eine Diskriminierung vorliegen würde. Ungleiches (Gruppe, die die Arbeitsleistung erbringt vs. Gruppe, die die Arbeitsleistung nicht erbringt) wird also wegen der ansonsten eintretenden mittelbaren Benachteiligung aufgrund des verpönten Merkmals "Geschlecht" im Ergebnis also gleich behandelt.

Infographic

 
Hinweis

Zusammenfassung

Beide "Säulen", der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz und das AGG bzw. der Diskriminierungsschutz, versuchen eine Gleichbehandlung also auf unterschiedlichem Weg zu erreichen: Während der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz im Wege eines an den Arbeitgeber gerichteten Gebots einen positiven Handlungsrahmen vorgibt, stellt der Diskriminierungsschutz ein Verbot auf, wegen bestimmter gesetzlich normierter Merkmale unterschiedlich zu behandeln. Dabei wirken die besonderen Diskriminierungsverbote auf de...

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