Rz. 8

Nach § 9 Abs. 1 EStG sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen.

Diese gesetzliche Definition hat sich für die praktische Gesetzesanwendung als nicht sehr brauchbar erwiesen. Insbesondere auffällig ist der Unterschied zum Betriebsausgabenbegriff in § 4 Abs. 4 EStG. Während danach Betriebsausgaben (alle) Aufwendungen sind, die durch den Betrieb veranlasst sind, sind Werbungskosten (nur) Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Der Werbungskostenbegriff ist also, zumindest tendenziell, nach dieser Definition enger als der Begriff der Betriebsausgaben. Dieser Unterschied zwischen beiden Begriffen ist jedoch nicht gerechtfertigt, da beide Begriffe jeweils die gleiche Funktion zu erfüllen haben, nämlich die Reduzierung der Bruttoeinnahmen auf die Nettoeinkünfte zur Erreichung einer an der Leistungsfähigkeit orientierten Besteuerung (Rz. 1).

 

Rz. 9

Historisch ist der Werbungskostenbegriff der ältere.[1] Eine Definition, die dem heutigen § 9 Abs. 1 S. 1 EStG entsprach, ohne aber den Begriff der Werbungskosten zu erwähnen, war bereits im Preußischen EStG von 1891 enthalten; der Ausdruck "Werbungskosten" wurde dann 1906 in das Gesetz eingefügt. Dieser Begriff erfasste als Oberbegriff auch die Betriebsausgaben. Seine Funktion bestand darin, alle Aufwendungen vom Abzug auszuschließen, die sich nicht unmittelbar auf den Ertrag bezogen, also z. B. Aufwendungen auf die Einkunftsquelle. So wurde z. B. bei Staatsbeamten die Auffassung vertreten, sie könnten keine Werbungskosten haben, da sie wegen ihrer Anstellung auf Lebenszeit die Dienstbezüge ohnehin erhielten.

Der Begriff der Betriebsausgaben wurde im EStG 1920 eingeführt, im EStG 1925 aber wieder fallen gelassen, da die Abgrenzung zum Begriff der Werbungskosten nicht gelungen sei. Der Begriff der Werbungskosten wurde also wiederum als Oberbegriff verstanden, der den Begriff der Betriebsausgaben mit umschloss. Damit trat das Problem des Verhältnisses beider Begriffe aber erst recht zu Tage: "Betriebsausgabe" musste alles umfassen, was handelsrechtlich zum Abzug zugelassen war (also auch Aufwendungen auf die Quelle), der Begriff war also weiter als der Werbungskostenbegriff; damit war aber nicht zu vereinbaren, dass der Begriff der Werbungskosten der Oberbegriff sein sollte. Dies führte im EStG 1934 zur Trennung beider Begriffe; der Betriebsausgabenbegriff galt für die betrieblichen Einkunftsarten, der Werbungskostenbegriff dagegen für die Überschusseinkünfte. Der Inhalt beider Begriffe entwickelte sich nun unabhängig voneinander, wobei der Werbungskostenbegriff den engeren Inhalt besaß.

In einem (bisher letzten) Schritt führte der BFH beide Begriffe wieder zusammen, indem er entschied, dass der Begriff der Werbungskosten grundsätzlich nicht anders auszulegen sei als der Begriff der Betriebsausgaben.[2] Damit lehnte er es ab, aus der unterschiedlichen Formulierung des § 4 Abs. 4 EStG einerseits und des § 9 Abs. 1 S. 1 EStG andererseits unterschiedliche Folgerungen zu ziehen; stattdessen glich der BFH den Begriff der Werbungskosten dem der Betriebsausgaben an und fasst seitdem als Werbungskosten alle Aufwendungen auf, die durch den Beruf (die Einkunftserzielung) veranlasst sind.[3]

 

Rz. 10

Schließlich hat der BFH in der neueren Rspr. zu Recht betont, dass der Begriff der Werbungskosten bei allen Überschusseinkünften gleich ist. Da bei allen Einkunftsarten das Problem der Abgrenzung zur Privatsphäre in gleicher Weise besteht, wäre es nicht gerechtfertigt, jeweils unterschiedliche Kriterien zugrunde zu legen.[4]

[1] Ruppe, in Söhn, Die Abgrenzung der Betriebs- oder Berufssphäre von der Privatsphäre im Einkommensteuerrecht, 1980, 108ff.; v. Bornhaupt, ebenda, 152ff.
[3] Kruse, FR 1981, 473; v. Bornhaupt, in Söhn, Die Abgrenzung der Betriebs- oder Berufssphäre von der Privatsphäre im Einkommensteuerrecht, 149ff.; zur Entwicklung Söffing, DB 1990, 2086.

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