Rz. 315

§ 50d Abs. 12 EStG wurde durch G. v. 20.12.2016[1] eingeführt, um aus deutscher Sicht Besteuerungslücken bei Abfindungen anlässlich der Beendigung eines Dienstverhältnisses zu vermeiden, die durch die Rspr. des BFH entstehen können. Nach dieser Rspr. werden Abfindungen anlässlich der Beendigung eines Dienstverhältnisses nicht für die in der Vergangenheit geleisteten Dienste gezahlt, sondern sind eine Entschädigung für den Verlust künftiger Arbeitseinkünfte (§ 49 EStG Rz. 270ff.).[2] Damit würde bei Anwendung eines dem Art. 15 OECD-MA entsprechenden Artikels eines DBA die Besteuerung nicht nach dem Tätigkeitsort der (früheren) nichtselbstständigen Arbeit erfolgen, sondern im Ansässigkeitsstaat. International wird diese Abfindung aber häufig der vergangenen Tätigkeit als Arbeitnehmer zugeordnet, sodass der Tätigkeitsstaat das Besteuerungsrecht hat.[3]

Auch in Konsultationsvereinbarungen wird das Besteuerungsrecht häufig dem früheren Tätigkeitsstaat zugeordnet.[4] Die Ansicht des BFHkann also zu Doppelbesteuerungen, aber auch Doppelfreistellungen führen. Für die beschr. Steuerpflicht bestimmt § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. d EStG, dass Deutschland das Besteuerungsrecht für diese Abfindungen insoweit in Anspruch nimmt, als die für die zuvor ausgeübte Tätigkeit gezahlten Vergütungen der deutschen Besteuerung unterlagen. Damit werden die Abfindungen anteilig der früheren Tätigkeit zugeordnet, sodass die Besteuerung nach dem Tätigkeitsort erfolgt. § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. d EStG enthält aber kein Treaty Override, sichern das deutsche Besteuerungsrecht also nur, wenn das jeweils anwendbare DBA nicht anders auszulegen oder kein DBA anzuwenden ist.

 

Rz. 316

Diese Rechtslage ändert § 50d Abs. 12 EStG, indem geregelt wird, dass bei Anwendung eines DBA die Abfindungen als für die frühere Tätigkeit geleistetes zusätzliches Entgelt zu behandeln sind. Die Abfindung ist daher anteilig der gesamten früheren Tätigkeit zuzuordnen und daher ebenso nach dem Tätigkeitsortsprinzip zu besteuern wie das Entgelt für die frühere Tätigkeit. Die Regelung enthält eine Fiktion, da die Abfindungen nach der Rspr. des BFH (Rz. 315) in Wirklichkeit kein Entgelt für die frühere Tätigkeit sind und stellt ein Treaty Override dar, da die bei richtiger Auslegung des DBA erfolgende Zuordnung zum Ansässigkeitsstaat geändert und ein Besteuerungsrecht des Tätigkeitsstaates begründet wird. Die Regelung ist nach Art. 19 des G. v. 20.12.2016[5] ab 1.1.2017 anzuwenden. Maßgebend ist dabei die Auszahlung der Abfindung, weil für Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit das Zuflussprinzip (§ 11 EStG) gilt. Das Gesetz hat daher keine echte oder unechte Rückwirkung. Ein Problem des Vertrauensschutzes kann aber entstehen, wenn die Abfindungsvereinbarung bereits früher geschlossen und nur die Auszahlung der Abfindung verschoben wurde. In diesem Fall besteht kein Vertrauensschutz ab dem Zeitraum, in dem die Neufassung des § 50d Abs. 12 EStG erstmals in den Bundestag eingebracht wurde. Für davorliegende Vereinbarungen kann Vertrauensschutz bestehen, wenn der Stpfl. nicht mit einer Änderung der Rechtslage rechnen musste. Für weiter zurückliegend abgeschlossene Vereinbarungen (etwa 2015 und früher abgeschlossene Vereinbarungen) besteht m. E. kein Vertrauensschutz, weil ein Stpfl. bei solch langen Zeiträumen immer mit einer Änderung des Steuerrechts rechnen muss.[6]

 

Rz. 317

Ist auf den Steuerfall kein DBA anzuwenden, gilt die Regelung nicht. Für die beschr. Steuerpflicht greift dann § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. d EStG ein, der eine dem § 50d Abs. 12 EStG entsprechende Besteuerung vorsieht. Im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht gilt das Welteinkommensprinzip, sodass Deutschland das Besteuerungsrecht schon nach diesem Prinzip in Anspruch nimmt. Besteht bei unbeschränkter Steuerpflicht ein DBA, gilt die Regelung des § 50d Abs. 12 EStG, sodass die Abfindung anteilig auch den ausl. Einkünften zugeordnet wird. § 50d Abs. 12 EStG schränkt ihren Geltungsbereich nicht auf die beschr. Steuerpflicht ein.[7] Eine ausl. Steuer entfällt bei unbeschr. Stpfl. daher insoweit auf ausl. Einkünfte und berechtigt zur Anrechnung nach § 34c Abs. 1 EStG. Da außerhalb der Reichweite eines DBA § 50d Abs. 12 EStG nicht gilt, sind die Abfindungen jedoch nicht dem Tätigkeitszeitraum zuzuordnen, wenn kein DBA eingreift. Die Abfindungen sind dann inländische Einkünfte. § 34d Nr. 5 EStG enthält insoweit keine abweichende Regelung. Das hat zur Folge, dass ausl. Steuer, die ein ausl. Staat erhebt, weil sein Recht eine dem § 50d Abs. 12 EStG entsprechende Regelung enthält, im Inland nicht anrechenbar ist, sondern nur nach § 34c Abs. 3 EStG vor der Bemessungsgrundlage abgezogen werden kann.

[1] BStBl I 2017, 5; hierzu Schmidt, ISR 2017, 197; Neyer, DStR 2017, 1632; Mroz/Schade, IStR 2019, 207; Kraft/Muscheites, DStR 2019, 544.
[3] Abschn. 2.7 OECD-MK zu Art. 15 OECD-MA.
[4] Z. B. § 24 Abs. 1 der Deutsch-Schweizerischen KonsultationsvereinbarungsVO v. 20...

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